Auftakt des 4. Africologne Festivals
Musik und Revolte
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Doune Photos, Africologne, Kampnagel Hamburg
Das Tanztheater Kalakuta Republik von Serge Aimé Coulibaly ist inspiriert vom Leben und Sterben, von Erfolg und Niederlage des großen nigerianischen Musikers Fela Kuti. Der Begründer des Afrobeats, der Jazz und afrikanische Musik auf geniale Art zusammenführte. Er gründete mit der Kalakuta Republik eine "befreite Zone" im Lagos der Militärdiktatur. Zur Person und Musik von Fela Kuti siehe: http://nrwjazz.net/jazzreports/2017/Africologne_Kalakuta_Republik_Oper_Koeln/
Mit diesem Tanztheater wird das 4. Africologne Festival in der Kölner Oper im Staatenhaus eröffnet.
Without A Story We Would Go Mad (Bühnenprojektion)
Lauter Afrobeat erfüllt den Raum. Auf der kargen Bühne, die mit großen weiß-grauen Tüchern nach hinten abgehangen ist, steht lediglich ein Sofa. Sechs Tänzer*innen, drei Frauen, drei Männer bewegen sich auf der Bühne. Auf dem Sofa sitzt ein Mann, der beschwörende, agitierende Gesten macht. Es ist Serge Aimé Coulibaly selbst. Der Mann treibt die Tänzer*innen an oder gebietet ihnen innezuhalten. Soll dies Fela Kuti sein, der seine Anhänger einschwört? Sind wir bereits in der Kalakuta Republik? Alles spricht dafür.
Dieser Anführer/Fela Kuti drückt mit seinen Gesten in einem Moment Zweifel und Suche aus, um im nächsten Moment die Gruppe wieder anzutreiben. Zitternd, konvulsierend, bis zur Erschöpfung. Immer wieder entstehen Bilder der Gemeinsamkeit, etwa wenn der Leader eine Hand an sein Bein legt und ihm alle folgen. Dann peitscht er die Bewegung weiter voran. Großartige Saxophonsoli unterlegen den Wahnsinn musikalisch. Am Ende wälzen sich alle auf dem Boden und kommen dann zur Ruhe.
Der Leader steht allein, er ist mit all seiner Macht einsam, gestikulierend und agitieren geht er allein über die Bühne.
Eine enorme körperliche Tanzleistung der sechs Tänzer und viele eindrückliche und mächtige Bilder. Alles in einfachen schwarzen und weißen Tönen gehalten.
Im zweiten Teil wird alles bunter und chaotischer. Eine drehende Discokugel wirft Lichtflecken auf Bühne und Zuschauerraum.
You Always Need A Poet (Bühnenprojektion)
Harte Beats ertönen. Auf der Bühne liegen überall Stühle herum, die Situation schein außer Kontrolle. Eine Tänzerin bewegt sich aufreizend wie eine Stripperin. Eine andere steht am Mikrophon und versucht sich als Sängerin und endet in verrückten Lachen. Alles ist bunt, schrill und dekadent. Wiederholte Rufe: We are scared to fight for freedom. Es wird geraucht, die Männer haben Bierflaschen in der Hand, das Bier wird verschüttet und versprüht. Hypnotische Musik.
One day I will be the president of the country! (Ausruf eines Tänzers)
Sexuelle Gier und Exzess, ein Blowjob wird angedeutet, die Männer gieren nach den Frauen.
Die Frauen gehen in die Rolle von Verführerinnen.Die Tänzer*innen ziehen ihre Hemden aus und tanzen mit nackten Oberkörpern, bzw. in BHs. Der Anführer ist mitten im Chaos, aber er hat keine Gewalt mehr über das Treiben. Er verschüttet weißes Pulver und sitzt in einer Staubwolke. All That Glitter Is No Gold. (Bühnenprojektion)
Auch aus dem wilden Chaos kreieren die Tänzer*innen immer wieder neue eindrückliche Bilder.
Am Ende nehmen die Männer die Frauen auf die Schulter tragen sie über die Bühne in den Zuschauerraum. Ein neuer Aufbruch? Weg aus dem Chaos?
Fela Kuti ist allein und einsam. Dann geht auch er von der Bühne.
Ein großartiges Tanztheater mit wirkmächtigen Bildern und hervorragenden Tänzer*innen.
Das Publikum feiert Serge Aimé Coulibaly und sein Tanzensemble mit nicht enden wollendem Beifall.
Nach dem Beifall entlässt das Stück die Zuschauer*innen in Nachdenklichkeit. Welche Dynamik entfalten soziale Bewegungen, welche Rolle kann die Musik bzw. die Kunst dabei spielen, welche Rolle haben die Anführer, welche Rolle haben Musiker/Künstler, wie politisch kann/muss Jazz, Musik, Kunst sein? Assoziationen tauchen auf, vom Arabischen Frühling auf dem Tahrir Platz in Kairo, von der Maidan Rebellion in der Ukraine, Istanbul, Demokratiebewegung in Beijing, Widerstand in Tibet, Solidaritätskonzerte...
Dies ist die eigentliche Stärke der Kalakuta Republik. Das Tanztheater weist weit über die Person des Musikers Fela Kuti, weit über Afrobeat, weit über Nigeria, weit über Afrika hinaus.
Weitere Aufführungen des TanztheatersKalakuta Republik:
Tanzhaus NRW, Düsseldorf: 16. und 17. Juni
Hebbel am Ufer, Berlin: 12. August
Kampnagel, Hamburg: 17. – 19. August