Auf den Jazz in Krefeld ist seit 40 Jahren Verlass
Clemens Gutjahr Trio und Expressway Scetches auf der Burg Linn
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Der Jazzclub Krefeld feierte sein 40jähriges Bestehen mit dem, was der 400 Mitglieder starke Verein am besten kann: Hochkarätige Konzerte an stimmungsvollen Locations veranstalten und damit für überregionale Anziehungskraft zu sorgen. Da machte auch das vielbeachtete Jahresabschlusskonzert mit dem Clemens-Gutjahr-Trio und der Band „Expressway Scetches“ keine Ausnahme.
Drei hochmotivierte junge Talente, die sich Clemens Gutjahr Trio nennen, sprühen vor Kreativität und Spiellust im ersten Programmteil. Vergessen Sie jede standardmäßige Vorstellung von „Jazz-Klaviertrios“! Clemens Gutjahr (Piano und Synthesizer), Jan Miko Kappes (Bass) und Jonathan Delazar (Schlagzeug) brennen im Rittersaal ein herrliches frisches, gerne auch hintersinniges Ideenfeuerwerk ab. Sie machen alles, nur nicht über Standardthemen herumsolieren. Die Themen der Stücke oder auch für die kollektiven Improvisationen muteten oft wie (gute!) Filmmusik an, könnten aber auch aus der europäischen modernen Klassik kommen. Musikalische Geschichtenerzählerei trifft ins Schwarze, wenn die Story stimmt – das demonstriert dieses junge Trio im Rittersaal aufs eindrücklichste. Mal ist hier von Echsen und Lurchen die Rede, dann wieder von einem Sonnenuntergang über dem Großstadtdschungel von Paris. Kuriose Randnote: Der aus Mönchengladbach stammende Clemens Gutjahr ist sogar schon mal von einem dogmatischen Fantasyroman-Jünger ermahnt worden, dass man über Elfen keine Witze machen darf. Aber kreativer, überlegener Jazzmusiker zu sein, heißt ja auch, souverän über den Dingen zu stehen.
An einer guten Sache dranbleiben und die Sache reifen lassen...
Zwischen beiden Konzerten des Abends herrscht künstlerische Augenhöhe. Die Philosphie der Band „Expressway Scetches“ hat im zweiten Konzertteil vieles mit den Idealen des Krefelder Jazzclubs gemein: Einmal mit einer guten Idee beginnen und dann unermüdlich an der Sache dranbleiben und sie weiter reifen lassen. Mit großer Konsequenz lebt „Expressway Scetches“ den eigenen imaginären Film – und der gründet vor allem in der Surfmusik der 1960er Jahre! Das war die Zeit, in der Hits ganz ohne Gesang auskamen. Diese Emanzipation des Instrumentalen hat die Popkultur später bekanntlich mit aller Macht niedergewalzt. Umso mehr erhebt Tobias Hoffmann im Rittersaal dafür eine eindringliche Stimme: Es ist sein nie versiegendes Spiel auf der Fendergitarre. Dieser klare, singende Sound gemahnt an Größen wie Albert Collies oder Steve Ray Vaughan, verkörpert manchmal puren Rock an Roll der 50er, ebenso, wie er sich genauso mühelos in psychedelische Galaxien hinaufschraubt. Tobias Hoffmann s flinke Finger bahnen sich den Weg über das Griffbrett. Sein Instrument singt, jubelt und säufzt. Sein Pendant auf der anderen Seite der kleinen Bühne ist der Pianist Benjamin Schäfer, der hier in der Burg auf einem Stage-Syntheziser spielt, während auf der neuen Platte in bewährter Manier einige schwergewichtige analoge Instrumente zum Einsatz kommen. Dazu trommelt das Schlagzeug von Max Andrzejweski einen lässig akzentuierten Beat und liefert der fette E-Bass von Lukas Kranzelbinder wie ein großvolumiger Motor mächtig Vortrieb „untenrum“.
Aber alle vier sind viel zu erfahrene Gegenwarts-Jazzmusiker, als dass hier die reine Retroshow abgehen würde. Denn sie loten immer neue, überraschende Dramaturgien aus und dringen tief in das Wesen dieser warmen, herrlich „analogen“ Klänge ein. Das weckt viel Sehnsucht nach sonnigen Gefilden, während der Vollmond über der Silhouette der Burg Linn durch den nebelverhangenen Himmel scheint...