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Audiovisuelle Choreografie

Ein imaginärer Rundgang durch den Mural Harbor

Bochum, 22.09.2022
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper, Heinrich Brinkmöller-Becker

Die ganze digitale Bilderwelt ist aufs Rechteckformat gebannt? Nicht überall. Eine außergewöhnliche Spielstätte im Ruhrgebiet widersetzt sich der Konvention – mehr noch: Visuelle Kunst widersetzt sich hier jeder Statik. Im Bochumer Planetarium ermöglicht ein 360-Grad-Surround-Erlebnis regelrechte Bilder-Choreografien. Ihr Urheber, Fotograf Heinrich Brinkmöller Becker tourt mit solchen Projektionshows längst durch die Planetarien im Lande und darüber hinaus.

Seine jüngste Kreation „Urban Art im XXL-Format“ setzte weniger auf den ästhetischen Selbstzweck, sondern instrumentalisierte die Projektionstechnik für einen virtuellen Rundgang, der das Eintauchen fordert, der Zuschauer zu Teilnehmenden macht. Unverzichtbares Treibmittel ist hier der Soundtrack – und den lieferte die Experimentalband Meat.Karaoke.Quality.Time in bestechender Konsequenz.

Jan Klare, Florian Walter und Karl-Friedrich Degenhardt sind diesmal ganz in Schwarz gekleidet, augenscheinlich noch stärker ihrer funktionalen Rolle als „Soundtrack-Geber“ im Dunkeln verschworen. Das ist konsequent, wo in dieser Show das ästhetische Narrativ vor allem aus dem abgebildeten Sujet hervorgeht. Die rauhen elektronischen Klänge katapultieren das Publikum auf Anhieb an diesen Schauplatz, den man sich nach diesem Erlebnis möglichst bald live vor Ort zu erkunden wünscht.

Der Prozess erneuert sich ständig

In Linz hat sich auf 135 Hektar Europas größte Freiluft-Galerie für Graffiti und „Murals“ etabliert. Als letzteres werden komplette Wandgestaltungen ganzer Hauswände bezeichnet, die sich längst in den Metropolen als eigenständiges Kunstgenre etabliert haben. „Streetart“, sonst ein blühendes Segment einer urbanen und oft außerlegalen Gegenkultur hat hier einen geschützten, geförderten und international beachteten Schauplatz gefunden. Regelmäßig und immer neu verewigen sich hier die angesagtesten Koryphäen mit der Spraydose. Der Prozess ist offen und erneuert sich ständig. Wie schnell das geht, verwundert manchmal sogar die Insider: Da wurde ein neuer ausrangierter Straßenbahnwagen aufgestellt. Schon am nächsten Morgen ist davon kein Quadratzentimeter mehr unbesprüht.

Im Planetarium Bochum braucht es nur wenige Minuten, bis sich beim Betrachter jedes Nachdenken auflöst in einem Strudel des puren Erlebens und Staunens: Abstrakte Strukturen, aber auch Gesichter und Emotionen werden auf fast unheimliche Weise lebendig, sobald Meat. Karaoka.Quality.Time ihren „Wall of Sound“ darüber legen. Normalerweise wäre ein Besucher draußen vor Ort von Stille umgeben, wenn er in diese visuelle Kunst eintaucht. Jetzt kommt diese surreale und oft dystopische Wunderwelt dem Betrachter verstörend nah.

Auf virtueller Wanderung

Heinrich Brinkmöller-Beckers Kamera heftet sich einzelnen Themensträngen in dieser wilden Vielfalt auf die Fersen. Immer wieder taucht ein lustiges Strichmännchen auf, das in einer mitunter feindlichen Welt nicht immer nur lustiges erlebt. Es geht auch um (staatliche) Machtstrukturen, Ordnungssysteme und auch Gefängnisse. Man könnte zu diesem Thema mal wieder Foucault lesen – oder über diese aktuellen Bildsequenzen meditieren.

Florian Walter , Jan Klare und KF Degenhardt gehen denkbar befreit diesem Fluss auf, der sich noch weiter steigert und dieser virtuellen Wanderung ihren Puls gibt. Bassfiguren, psychedelische Fläpchenklänge und vieles mehr wirken bei diesem Trio so haptisch, weil eben physische Prozesse den Ursprung der elektronischen Übertragungskette bilden. Eben ein Schlagzeug sowie jene „Blaswandler“, wo alles erstmal mit dem Mundstück verfeinert und moduliert werden kann, bevor die elektronische Klangsythese greift. Es kracht, knarzt, klirrt, wabert - manchmal so, als würden die Mauern, welche diese ganze Kunst tragen, gleich einstürzen oder als würden diese Fantasiefiguren in einem Oldschool-Computerspiel mitmachen.

Über das Begrenzte hinaus blicken...

Der „Mural Harbor“ in Linz ist ein Gebäudekomplex, in dem auch viele verlassene, riesige Innenräume nach kreativer Gestaltung schreien. Leider wird hier wohl irgendwann die Abrissbirne einen Teil dieses gegenwartskulturellen Erbes dem Erdboden gleich machen. Aber vorher noch durchdringt die Kamera dieses ganze Szenario von entfesselter Fantasie. Faszinierend allein, wie sich ein gigantischer, turmhoher Innenraum, vermutlich ein altes Lagerhaus, endlos auftürmt. Die Kuppelprojektion im Planetarium steigert ein solches Raumerlebnis ins Kolossale. Und verhilft - im Zusmmenwirken mit befreiter Musik - über das Gewohnte, Begrenzte hinaus zu blicken.

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