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Atemberaubend!

Rolf Kühn Unit und „First Circle“ im Stadtgarten

Köln, 26.11.2016
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Jazz macht und hält gesund, hatte ein Workshop beim UDJ-Forum wissenschaftlich fundiert dargelegt. Ganz hautnah und ohne Worte demonstrierte dies das Abschlusskonzert im Stadtgarten: Klarinettist Rolf Kühn ist mittlerweile 81 Jahre alt und seine Mitspieler in der Rolf Kühn Unit bis zu einem halben Jahrhundert jünger. Jazz überbrückt nicht nur Kulturen und Kontinente, sondern ebenso auch Alters-Generationen. Wer hier wen befeuerte und beflügelte, hätte man lange diskutieren können – wäre einem angesichts der überwältigenden spielerischen Energie der Rolf Kühn Unit nicht von Anfang an für so etwas zuverlässig die Luft weggeblieben!

Ist es das charismatische Klarinettenspiel des 81 jährigen, das wie eine tiefempfundene Stimme anmutet und die sich eines zeitlosen Vokabulars bedient? Die ständig aus den Ideen und Impulsen, die dieser Spieler mit seinem offenem Geist aufnimmt, eigene, neue, musikalisch frische, komprimierte Statements schöpft? Da ist Disziplin als Basis von Freiheit im Spiel. Natürlich hatte Rolf Kühn noch am Vorabend zwei Stunden geübt. Das sei doch völlig normal. Die andere Komponente in diesem Konzert sind Kühns Mitspieler Christian Lillinger, Drums, Ronny Graupe, Gitarre und Bassist Johannes Fink. Lillinger wird – natürlich - wieder mal allen Attributen, mit denen seine spektakuläre Trommelkunst allerorten hochgelobt wird, bestens gerecht! Hat man sowas schon mal erlebt, wie Lillinger rhythmische Muster in immer kleinteiligere Zellen atomisiert, wie er einen ständigen, swingenden Wirbelsturm erzeugt, der jedes Klangereignis zu einem facettenreichen Hörfilm verdichet? Fragt sich auch mancher, der diesen vielbeschäftigten Trommler wohl kaum zum ersten Mal hört hier. Bei dieser Interaktion im Stadtgarten ist vor allem seine extrem intuitive Gabe erlebbar, um auf die spontanen Klanggesten seiner Mitspieler zu reagieren.

Und auch wenn die Klangströme frei fließen, wuchern und mäandern, wenn die Gitarre sphärische Drones ausbreitet oder harsche Stakkati prasseln lässt, derweil Johannes Fink die Basssaiten brachial traktiert, lässt dieses Spiel nie seine plausible Rhetorik außer acht. Oft kulminiert der Spielfluss in bebop-artigen Themen und knapp angerissenen Mustern, die eine tiefe Durchdringung mit zeitlosem Stilgefühl ausstrahlen. Rolf Kühn hört in oft hinein. Sein Gesichtsausdruck lässt erkennen, wie er die Energieströme seiner extrovertierten Partner aufsaugt und umso dezidierter dann die eigene Stimme erhebt. Und irgendwann, nach endlosem Höhenflug, wird wieder das Fazit gezogen. Trotz vielerlei Entgrenzung kennen die langen Stücke auch Punkte und Ausrufezeichen. So funktioniert Jazz, der sich zu forschen traut, der Freiheit verkörpert und die Hörer sich frei fühlen lässt.

Das Altersspektrum, was hier von 81 bis 30 reichte, ließ sich beim Abendkonzert noch weiter nach unten abrunden. Da ist die junge, äußerst kreative Newcomerband aus Hessen mit dem etwas bescheiden anmutenden Namen „First Circle“. Die drei im Alter zwischen 16 und 18 überragten bei „jugend jazzt“ und wurden nun auch bei der UDJ zu Recht mit einem Sonderpreis ausgezeichnet. Hier wissen drei junge Spieler, was sie tun und wollen – und wie! Konsequent gehen Victor Fox, Saxofon, Felix Ambach, Drums, und Roger Kintopf, Bass einen anderen Weg, als sich irgendwelchen bequemen Schablonen anzubiedern. Und erfüllen eben das, wofür der Pianist Florian Ross in seinem Workshop „Listening Labs“ plädiert hatte – nämlich mutig die eigene künstlerische Stimme auszubilden und sich nicht von Zeitgeist-Hype und zu viel Marktkonformität gängeln zu lassen. Die Frühreife der drei zeigt sich in einer dezidiert kollektiven Auffassung von Improvisation und einem erfrischend querdenkerischen Potenzial, aus unregelmäßigen, freien Metren einen ganz speziellen Flow zu kreieren. Und die drei können unglaublich was auf ihren Instrumenten, wenn sie sich erstmal warm gespielt haben, was letztlich auch in den Soloparts zum Ausdruck kam. Macht bloß weiter so!

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