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Anne Hartkamp beim Tatort Jazz - Summer Jazz

Pra ser feliz, pra sofrer, pra esperar eu canto

Bochum, 15.08.2020
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert, s.u.

Pra ser feliz, pra sofrer, pra esperar eu canto – Ich singe um glücklich zu sein, um zu leiden, um zu hoffen

Diese Zeile aus dem Bossa Minha Voz, Minha Vida von Caetano Veloso könnte ein gutes Motto für dieses Konzert sein. Bei der Ansage zu diesem Titel (dt. Meine Stimme – Mein Leben) macht Anne Hartkamp deutlich, welche Bedrohung Corona für sie als Sängerin darstellt, da die Seuche ja in erster Linie über Aerosole verbreitet wird. Darf sie da überhaupt noch singen?

Anne Hartkamp wuchs in NRW auf, studierte klassischen und Jazz-Gesang in Wien und lebt nun in Köln. Sie ist eine bekannte Vokalistin und Komponistin der deutschen Jazzszene. Sie hat CDs in verschiedenen Formationen veröffentlicht, zuletzt „Dear Bill“ mit dem Pianisten Thomas Rückert. A.M. Sicking, der mit seinem Vibraphon das zweite Set spielen sollte, hat sich kurz vorher ein Bein gebrochen, aber Anne Hartkamp übernimmt kurzfristig und mühelos beide Sets. Schon vor sechs Jahren hat sie beim Tatort gesungen.

Mit diesem Konzert geht’s auch beim Tatort Jazz wieder los, trotz aller Corona-Widrigkeiten. Bis zu 300 Zuschauer fasst die Halle des Bochumer Bahnhof Langendreer, jetzt dürfen mal gerade 50 kommen, doch sie sind alle gekommen und haben nun reichlich Beinfreiheit an ihren Plätzen. Aber das ist schon eine andere Atmosphäre; dass der Applaus vergleichsweise spärlich ausfällt als sonst, liegt darum nicht an der Musik.

Das Programm ist sehr gemischt, in den Songs geht es oft um persönliche Erfahrungen, wie Anne in ihren Ansagen deutlich macht. Neben Standards wie How deep is the Ocean und I remember you hat sie einige Specials ausgesucht, die man nicht alle Tage hört: Solar von Miles Davis (aus ‚Walkin‘), Turnaround von Ornette Coleman, You Belong To You (s. YouTube-Link) von Cassandra Wilson und Long As You’re Living von Julian Priester und den Turrentine-Brüdern.

Sie ist auch Komponistin, ihre Songs Deep und Not Entirely Lost kommen gut an. Bei dem gerade erst komponierten We the Zebras geht es um eine Welt ohne Menschen, da reagiert das Publikum verhalten.

Equality von Dave Holland bildet einen Höhepunkt:
We have lived a painful history,
we know the shameful past,
but I keep on marching forward,
and you keep on coming last.
Equality, and I will be free.

Ein Song mit dem Text von Maya Angelou (2008,) angesichts von ‚Black Lives Matter‘ immer noch aktuell.

Anne moderiert ihre Songs sehr ansprechend, einmal sogar mit einem Knicks. Sie verfügt über eine ausdrucksstarke Gestik; ihre besonderen Stärken sind das rhythmische Singen, das Scatten, die Vocalisen, aber auch einfach langgezogene Töne. Sie singt gut auf Portugiesisch, neben Minha Voz auch bei Travessia von Milton Nascimento. Da sie hat ein Faible für Sprachen hat, konnte sie Portugiesisch leicht anhand von Texten der brasilianischen Musik erlernen und ihr Kenntnisse u.a. bei Reisen nach Portugal und Brasilien vertiefen.

Die Tatort Jazz Hausband ist wie immer phänomenal gut aufeinander eingespielt und eine wahre Stütze für jeden Sänger. Man muss dabei wissen, dass die Band sich mit den eingeladenen Solisten immer erst nachmittags trifft und dann die Stücke einübt. Und das heute bei der tropischen Hitze! Matthias Dymke brilliert am Piano, Alex Morsey an Kontra- und E-Bass. Mit zahlreichen Soli entwickeln sie Improvisationen, die dem Programm und dem Stil der Sängerin gerecht werden. Uwe Kellerhoff (drums, perc.) ist heute auffällig zurückhaltend, erst am Ende bei der Zugabe Blue Monk fällt er mit einem fantasiereichen, recht ruhigen Solo auf. Ein ruhiges Schlagzeug-Solo, das ist kein Widerspruch in sich und das können nicht alle Drummer. Uwe spielt es weitgehend mit den Händen auf Snare und Toms bei durchgehendem HiHat.

Letzte Zugabe zu zweit nur mit dem Klavier: You Must Believe in Spring, ein sehr melancholischer Abschluss. Dann großer Beifall!

Ein Wiedersehen mit der Tatort Jazz Hausband gibt es - zusammen mit Peter van Heusen am Sax - als U.K.Quartett im Dortmunder domicil am 4. September.

Foto von Matthias Dymke: (c)Adam_Zegarmistrz_Glagla

 

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