Alpine Wurzeln
Snow Jazz Gastein 2015
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Josef Maier
Der österreichische Drehleier-Spieler Matthias Loibner verblüffte schon beim letztjährigen „Snow Jazz Gastein“. Wie er als eine Hälfte des Duos „Ajvar & Sterz“ Volkslieder vom Balkan und dem Alpenraum oder auch mal ein albanisches Klagelied in häufig melancholische Kleinode verwandelte, das klingt beim Verfasser dieser Zeilen auch ein Jahr später noch nach. Vor allem, weil Loibner auch bei der 14. Ausgabe dieses wunderbaren Festivals wieder mit seiner elektrisch verstärkten Drehleier zu verblüffen wusste – dieses Mal als eine von fünf Stimmen des Quintetts „Blaubauer“.
Diese überwiegend in Wien beheimatete Band erzeugt mit Trompete oder Gitarre, Kontrabass, Akkordeon, Fagott und Jodelgesang sowie eben der Drehleier wunderbare Klänge, die sich aus Jazz, Klassik und den Volksmusiken des alpinen Raums und des Balkans zusammensetzen und den Hörer im Sägewerk auf gefühlvolle, aber auch mit Augenzwinkern durchtränkte, wunderbare Musikreisen mitnahmen.
Das Sägewerk in Bad Hofgastein war einmal mehr der zentrale Spielort beim „Snow Jazz Gastein“. Und der gemütliche Jazzclub entpuppte sich erneut als ideale Location. Etwa auch für „DEPART refire“, das Powertrio der österreichischen Saxofon-Legende Harry Sokal, der mit dem Schweizer Bassisten Heiri Känzig und dem slowakischen Drummer Martin Valihora beim diesjährigen Eröffnungskonzert mächtig Druck machte mit seinem toll groovenden und rhythmisch auch mal herrlich vertrackten Alpen-Jazz. Die Alpen standen dieses Mal sowieso im Fokus. Festivalmacher Sepp Grabmaier denkt sich ja in jedem Jahr ein Motto für sein Festival aus. „Alpin Roots“ hieß das diesjährige Motto und das Festival beleuchtete Musik aus Österreich und der Schweiz.
Kostenloser Jazz auf Skihütten
Aus dem Land des starken Franken kommt das Trio „Vein“, das im wundervollen Ambiente des luxuriösen Grand Park Hotels in Bad Hofgastein spielte. Auch das ist Teil des überzeugenden Festivalkonzepts von Sepp Grabmaier. Tagsüber sind es diverse Skihütten oben in den Bergen, in denen kostenlos Jazz erklingt, und am Abend geht es zu den Konzerten eben nicht nur ins Sägewerk, sondern auch in ausgesuchte Hotels im Gasteinertal. Die Idee, alle mit ins Boot zu nehmen, zahlt sich aus. Bis zu 2.000 Extra-Übernachtungen weiß der Tourismusverband der Region pro Jahr während des Festivals zu vermelden.
Das Trio „Vein“ jedenfalls langweilte nicht mit seinen rhythmischen Überraschungen. Aber es riss längst nicht so mit wie ein paar Tage später der Auftritt des „David Helbock Trios“. Der österreichische Pianist David Helbock hat sein Trio, mit dem er im Januar die CD „Aural Colors“ beim Berliner Traumton-Label herausbrachte, mit Schlagzeug und Bass-Ukulele besetzt, die im denkmalgeschützten Grand Hotel de l´Europe in Bad Gastein für dunkel wummernde, mitunter afrikanisch anmutende perkussive Momente sorgt. Das passt sehr gut zu Helbocks ebenfalls perkussiv angelegtem Spiel, das dennoch immer auch durch großartige Melodien durchzogen ist.
Und es gab noch weitere memorable Momente. Etwa beim unterhaltsamen, aber ohne große Überraschungen daherkommenden Mainstream-Jazz von Gitarrenlegende Karl Ratzer, der gleich in Septettgröße anreiste und dabei Größen wie Saxofonist Johannes Enders, Trompeter Peter Tuscher oder Drummer Howard Curtis neben sich wusste. Für einen fröhlich heiteren Kehraus sorgte am letzten Abend dann das Trio Aly Keita (Balafon), Jan Galega Brönnimann (Bassklarinetten) und Lucas Niggli (Schlagwerk). Hoch virtuos ist deren Musik, voller sprudelnder Rhythmen. Aber sie bedient eben auch in manchen Augenblicken das Klischee von afrikanischem World-Jazz. Das Publikum jedenfalls war schwer begeistert – wie vom ganzen „Snow Jazz Gastein“.