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Alle Freiheiten

Dianne Reeves im Konzerthaus

Dortmund, 05.02.2011
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese

Wer wegen Dianne Reeves gekommen war, und das waren sicher die meisten im prächtig gefüllten Saal, musste sich gedulden. Bis kurz nach halb zehn. Dann erst betrat die vierfache Grammy-Gewinnerin die Konzerthaus-Bühne. Aber langweilig war es vorher nicht.

Das lag an Raul Midón, der die „JAZZnights“ in Dortmund eröffnete. Als One Man-Orchester. Der kurz nach seiner Geburt erblindete Singer/Songwriter aus New York braucht aber auch nicht mehr als seine Gitarre und ein paar Bongos. Rhythmen und Basslinien spielt er mit einer Leichtigkeit gleichzeitig auf seiner akustischen Gitarre, Latin-Rhythmen verbindet er mühelos mit einem rockigen Reggaegroove. Hart und perkussiv ist meist der Anschlag und sein Gitarrenspiel paart der US-Amerikaner mit einer Stimme, die Soul, R&B und Folk gleichermaßen drauf hat, eine gedämpfte Trompete prima imitieren kann und von satten Tiefen bis rauf ins Falsett kommt.

Auch Dianne Reeves überspringt die Oktaven, als wäre das nichts. Überhaupt scheinen Grenzen für die Amerikanerin nicht mehr zu existieren. Der Blues ist zwar das Gefäß, in das sie ihre musikalischen Leidenschaften gerne einschüttet, aber heraus fließt – Dianne Reeves. Den Klassiker „Stormy weather“ etwa singt sie nicht mit der Eindringlichkeit einer Billie Holiday oder Ella Fitzgerald, sondern lässt ihn sich von ihrem vorzüglichen Quartett um Pianist Peter Martin und Gitarrist Romero Lubambo mal eben als smoothe Ballade servieren.

Dianne Reeves gönnt sich beim Singen inzwischen alle Freiheiten. Mit ihrer vollen, satten und facettenreichen Altstimme und ihrem Musikverständnis kann sie das auch: Schneidend scharf sein oder samtig weich und unglaublich relaxt. Selbst die Vorstellung ihrer Band singt sie, baut sie einfach in eine Nummer mit ein. Und bei einem schnörkellosen, selbstverfassten Blues am Schluss eines berauschenden Konzertabends hat sie sich beim Titel von ihrer hoch betagten Mutter inspirieren lassen. „Today will be a good day“ hat diese immer gesagt.

Es war ein guter Tag, ein großer Abend in Dortmund, der seinen Kulminationspunkt in der Zugabe erreichte, als eine entfesselte Dianne Reeves Raul Midón auf die Bühne holte, um Louis Armstrongs „What a wonderful world“ ganz langsam zum Sieden zu bringen.

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