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"ALL OR NOTHING AT ALL..."

Inspirierende Klanglyrik mit Barbara Barth

Neukirchen-Vluyn, 15.05.2023
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Perfekter konnte ein Sonntagmorgen nicht sein, vor allem, wenn mit diesem auch noch der UNESCO-Welttag des Jazz begann... Dazu passte die inspirierte Klanglyrik von der Vokalistin Barbara Barth , dem Cellisten Veit Steinmann und Sebastian Büscher am Saxofon. Und auch der Ort, an dem das stattfand, war ein besonderer...

Strahlend blauer Himmel. Über leere Straßen führt die Fahrt in gerade mal 25 Minuten über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus nach Westen – dorthin, wo das Land flach und weit wird. Wo Kirchtürme der kleinen Orte wie Landmarken am Horizont wirken. Etwa in Neukirchen-Vluyn. Die Türen der evangelischen Dorfkirche stehen allerdings nicht für einen Sonntagskirchgang offen, sondern für ein Konzerterlebnis der besonderen Art, das auch durchaus für so etwas wie Andacht sorgte.

Licht flutet durch die großen Fenster. Ein Trio, dass sich im weitesten Sinne dem Kammerjazz verschreibt, füllt mit seiner sensiblen Musik den Raum. Es ist die aktuelle Formation der Sängerin und Komponistin Barbara Barth , die sich schon vor einigen Jahren mit dem Cellisten Veit Steinmann und dem Saxofonisten Sebastian Büscher auf eine gemeinsame Sache besann. Stimme plus Cello plus Saxofon? Nicht gerade die alltägliche Jazzcombo. Aber plausibel ist dieses Unterfangen – und wie! Denn alle drei Instrumente erfüllen in punkto Ausdrucksbandbreite und Stimmlage eben das, was schon in Barbara Barth s Auffassung von Gesang angelegt ist. Freiräume erobern. Konsens mit anderen herstellen. Vor allem mit großer Klarheit den eigenen Wesenskern immer weiter zu entfalten.

EIN ERHABENES KLANGERLEBNIS

Viele der Schöpfungen dieses Trios sind auf dem aktuellen Album „All or nothing at all“ vereint – aber sie werden in jedem Livekonzert ständig weiter gedacht und verfeinert. Hier in der Kirche klingt alles schon wieder ganz anders als auf der CD. Zugegeben: Das perfekt im Studio aufgenommene Hörerlebnis erlaubt eine analytischere Durchdringung der fein geschichteten Klangebenen, etwa wenn sich Barbara Barth s Stimme auf instrumentale Erkundungen begibt, wenn Sebastian Büscher auf dem Saxofon so etwas wie menschlichen Gesang „verkörpert“, während sich Veit Steinmann sowieso auf seinem Cello als „Multiintrumentalist auf nur einem Instrument" ausbreitet - als Rhythmusgeber mit sonorem Pizzicato, als kantabler Solist, als forschender Klangsucher - gezupft und gestrichen gleichermaßen.Hier in der Kirche klingt das alles anders: Noch kompakter und ganzheitlicher, was in dieser Räumlichkeit für viel erhabene Aura sorgt.

ALLES ODER NICHTS

Typisch für den Stil von Barbara Barth ist eins: Bei aller Bandbreite zwischen introvertiert und expressiv folgen die Stücke meist einem ausformulierten Songwriting, voller melodischer Einfälle und wirkungsstarker Wendungen. Das Stück „Smile“, zu dem es auch ein starkes Video gibt, transportiert gleich zwei Aussagen: Vordergründig appelliert der Song daran, nicht immer alles zu schwer zu nehmen. Aber es werden auch gesellschaftliche Erwartungshaltungen transportiert. Zum Beispiel jene, dass oft immer nur die fröhliche, vordergründige Oberfläche gefragt ist, wenn es ums soziale Funktionieren geht. Die aktuelle künstlerische Gegenwart ist auch schon wieder einen Schritt weiter als das aktuelle Album. Neue Stücke bedienen sich diverser literarischer Grundlagen, um zu programmatischen Inspirationsquellen für neue Stücke zu werden. Etwa Texte der Brontë -Schwestern aus dem 19. Jahrhundert, die viel emanzipatorisches Aufbruchsdenken verkörpern. Ein ganz neues, extrem ambitioniertes Stück ist eine Ballade über die biblische Figur der „Susanna im Bade“, über die der US-amerikanische Pianist Carlisle Floyd eine Oper verfasste. Als Vorlage gilt die Erzählung aus dem alten Testament. Thema ist der mutige Widerstand einer Frau gegen männliche Gewalt und Vereinnamung. Musikalisch drehen Barbara Barth , Veit Steinmann und Sebastien Büscher hier das ganz große Rad und zogen ihr Publikum in eine echte kleine Jazzoper hinein. Staunen macht auch hier wieder der Gesang von Barbara Barth , der manchmal auch mit Elementen aus Folk und der alten Musik aufwartete.

„All or nothing at all“ erklang als Finale dieser intensiven Darbietung – und wirkte wie ein kraftvolles Statement zum eigenen Mission. Es geht darum, sich ins Leben zu werfen und mit ebenso viel Konsequenz in die Musik.

KULTURPROJEKTE NIEDERRHEIN BRINGEN REGION ZUM KLINGEN

Seit Jahren bringt Rüdiger Eichholz mit viel Idealismus im Rahmen der Kulturprojekte Niederrhein die Region zum Klingen. Dorfkirchen, aber auch idyllische Höfe, Kohlenhalden und stadtgeschichtliche Sehenswürdigkeiten werden regelmäßig zu Konzertbühnen – das line up rangiert auf internationalem Standard, bildet die ganze Bandbreite der freien Szene ab und ist durchgehend mainstream-befreit. Ab dem 17. Juni gehen die beliebten Hofkonzert im Kreis Wesel in die nächste Runde. Sichtlich wohl fühlt sich hier auch der mit dem Deutschen Jazzpreis ausgezeichnete Günter Baby Sommer, der sich auch in 2023 wieder als Artist in Residence angekündigt hat. Der Kulturprojekte Niederrhein e.V. gründete sich 2017 in Moers. Seine Mitglieder kommen aus Duisburg, Moers, Neukirchen-Vluyn, Kamp-Lintfort, Rheinberg und Geldern. Dies entspricht Herkunft und Zielen des Vereins.

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