Acht Inseln im Rhythmus der Musik
Canarias Jazz & más
TEXT: Christoph Giese | FOTO: canariasjazz
Diese Frau entfacht derzeit weltweit den größten Hype im Musikbiz. Und auch im wunderschönen Teatro Pérez Galdós sind die Zuschauer restlos begeistert von Frau Swift. Denn die Sängerin zieht vom ersten Moment an eine vor Energie berstende Riesenshow ab. Die Amerikanerin kann alles singen. Harten Rock, Jazz, Pop. Ihre Stimme duelliert sich dann plötzlich wie eine zweite Gitarre klingend mit dem Gitarristen ihrer Band. Und einen Posaunisten braucht sie nicht, den imitiert sie wahnsinnig gut selbst mit ihrem Organ. Dass Frau Swift beim Festival Canarias Jazz y más in einem Theater auftritt und nicht im großen Fußballstadion von Las Palmas, liegt an ihrem Vornamen. Denn die Frau, die wie ein weiblicher Freddie Mercury über die Bühne wirbelt, die Stange des Mikroständers fast immer in der Hand, heißt mit Vornamen Veronica und nicht Taylor, ist musikalisch aber sicher nicht die schlechtere Swift. Wer Veronica Swift bislang nur von Tonträgern und ihren Jazzalben kannte, wird sich in der Kanaren-Hauptstadt verwundert die Augen gerieben haben was diese Vollblutkünstlerin so alles drauf hat, auch wenn sie showmäßig als echte Rampensau manchmal ein wenig over the top agierte.
Keine Show, sondern nur wahnsinnig gute Musik spielte tags zuvor im direkt am langen Stadtstrand Playa de Las Canteras gelegenen Alfredo Kraus-Auditorium Dave Douglas mit seinem neuen Projekt „Gifts“. Mit Saxofonist Jon Irabagon, Schlagzeuger Ian Chang und dem immer wieder mit überraschenden, auch basslastigen Sounds aufwartenden Gitarristen Rafiq Bhatia spielt der US-Trompeter eine Musik, die Miles Davis oder Billy Strayhorn zitiert, die Jazzgeschichte, die Gegenwart und die Zukunft mit scheinbar grenzenloser Kreativität miteinander verknüpft, und das alles in einem rhythmisch elektrisierenden Rahmen. Ein Festival-Highlight!
Eine vielschichtige musikalische Gegewart im Weltkulturerbe
Bei der letzten Festivalausgabe gab es das Buenos Aires Jazz Café noch gar nicht, dieses Jahr fanden in dem engen, intimen Jazz Club im historischen Zentrum von Las Palmas gleich einige Konzerte statt. So wie das von Alto For Two, einem Quintett mit zwei Bandleaderinnen, die beide Altsaxofon spielen und gerade ihr gleichnamiges Debütalbum am Start haben. Die Spanierin Irene Reig und die Holländerin Kika Sprangers ergänzen sich in ihrer Band mit der vom spanischen Pianisten Xavi Torres geführten Rhythmusgruppe bestens. Mit ihrer gesanglichen Kraft auf ihren Instrumenten, ihrem Zusammenspiel, ihren unterschiedlichen Klangfarben in den im Fahrwasser des modernen Mainstream fließenden, interessanten Eigenkompositionen.
Das Canarias Jazz-Festival bietet nicht nur Konzerte auf allen acht bewohnten Inseln der Kanaren, sondern auch eine große musikalische Bandbreite. Da lauscht man in dem auf 500 Meter gelegenen kleinen Städtchen Santa Brígida auf Gran Canaria etwa dem belgisch-tunesischen Aleph Quintet, Rising Stars der Brüsseler Szene, und lässt sich von Geige, Oud, Piano, E-Bass und Schlagzeug mitnehmen auf eine vielschichtig klingende musikalische Reise zu nordafrikanischer Musik, Gnawa-Rhythmen und virtuosem Jazz. Auch auf Teneriffa gibt es Klasse-Musiker zu erleben. In der alten, wunderschönen, ehemaligen Inselhauptstadt San Cristóbal de la Laguna mit dem historischen Stadtkern aus dem 16. Jahrhundert, der seit 1999 zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt, etwa. Im über 100 Jahre alten Teatro Leal spielen Saxofonist Chris Potter, Pianist Brad Mehldau, Kontrabassist John Patitucci und Schlagzeuger Jonathan Blake groß auf, wenn auch ohne viel Abenteuerlust und immer ein wenig vorhersehbar. Das trifft auf Cécile McLorin Salvant sicher nicht zu. Denn ihre Sets, die sie an einem Abend spielt, die gestaltet sie spontan, auch auf der Bühne. Da muss ihre erstklassige Band auch mal blitzschnell um- und mitdenken. Ihr Konzert in Santa Cruz de Tenerife, im ältesten Theater der Kanaren, dem Teatro Guimerá aus dem Jahre 1851, lebt von diesen spontanen Einfällen. Da singt sie Jazzstandards, Musik von Gregory Porter oder Gretchen Parlato und am Ende den großen Hit der chilenischen Folklore, „Gracias a la vida“. Und wie sie all diese Songs ganz individuell mit ihrer Wahnsinnstimme einfärbt!
Die Musiker müssen liefern - und tun dies auch!
Und dann sind da noch die kostenlosen Open Air-Konzerte am Santa Ana-Platz im Herzen der zauberhaften Altstadt von Las Palmas, die immer ein großes Publikum anziehen. Da müssen die Musiker liefern. Der nigerianische Sänger und Gitarrist Adédèji tat das mit seinem mitreißenden Afro-Funk, die feurige serbische Sängerin und Blues-Gitarristin Ana Popovic am Abend darauf ebenfalls. Auch US-Jazztrompeter Theo Croker spielte mit seiner Band auf dieser großen Bühne. Und er spielte ein packendes, intensives Set, das man dann aber doch vielleicht lieber in einem ruhigeren Umfeld in einem Theater oder Club gehört hätte.