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Acht Brücken Musik für Köln

Musik – Amnesie – Gedächtnis - Freihafen

Köln, 02.05.2022
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Jorg Hejkal

Endlich wieder ein Acht Brücken Festival vollumfänglich als Live Event. Hier einige Eindrücke vom 1. Mai – dem Acht Brücken Freihafen, ein ganzer Tag Musik bei freiem Eintritt.

Das 12. Acht Brücken Festival spürt unter dem Titel Musik – Amnesie – Gedächtnis der Frage nach: „Was geht in uns vor, wenn wir durch Musik erinnern, vergessen oder unser Bewusstsein verändern?“

Vom 29. April bis zum 8. Mai werden Musiker*innen und Komponist*innen Antworten und Anregungen in über 50 Konzerten geben. Neben den beiden großen Konzertstätten, der Kölner Philharmonie und dem Sendesaal des WDR finden die Veranstaltungen an den unterschiedlichsten Orten in Köln statt, in der Lagerstätte für die mobilen Hochwasserschutzelemente, in der Kunst-Station Sankt Peter, dem Jazzclub King Georg, der Dumont Kunsthalle, der Zentralbibliothek, dem Alten Pfandhaus, dem Stadtgarten, der TanzFaktur, dem Festsaal in der Flora und weiteren Spielstätten.

Am 1. Mai fand der traditionelle “Acht Brücken Freihafen“ statt, ein ganzer Tag, der einen kostenlosen Einblick in das Festival gewähren soll.

Um 11 Uhr morgens ging es mit einem Konzert in der Philharmonie los. Die Band Massaa mit dem libanesisch–stämmigen Sänger und Dichter Rabih Lahouf, dem Trompeter Marcus Rust, dem Gitarristen Reentko Dirks und dem Schlagzeuger Demian Kappenstein eröffnete den Freihafen. Der Bandname Masaa bedeutet im arabischen Abend, die Zeit zwischen der Wirklichkeit des Tages und den Träumen der Nacht. Die Zwischenzeit als Übergang von Hell zu Dunkel, von Aktiv-sein zu Ruhe, von Wachbewußtsein zu Traum und Tiefschlaf, steht auch für die Musik der Band. Musik zwischen Orient und Okzident, arabischen Skalen und Jazz-Phrasierungen, arabischem Kunstlied und Blues und Folk, Jazz und Worldmusic.

Der Gesang von Rabih Laouf bewegt sich von nachdenklichen Waisen bis zu hoffnungsfrohen Liedern. Das Flügelhorn und die Trompete von Marcus Rust klingen oft wie eine zweite menschliche Stimme. Reentko Dirks spielt auf seiner Doppel-Gitarre fein und sensibel, aber bricht an einigen Stellen in ein explosives Gitarrengewitter aus. Auch der Schlagzeuger Demian Kappstein nutzt die ganze Palette der Ausdrucksformen seines Instrumentes von subtiler Besenarbeit bis zum wilden Solo. Er setzt dabei auch Verpackungsfolie oder klingendes Kinderspielzeug ein. Oriental Jazz oder arabische Musik mit Jazz und Folk Elementen? Schubladen versagen bei der Musik von Masaa. Das Konzert war ein interkultureller musikalischer Einstieg in den Tag.

Bei dem Konzert des Ensemble Constantinople, das aus dem kanadischen Montreal stammt, sind die unterschiedlichen kulturellen Einflüsse noch vielfältiger. Schon der Name des Ensemble weist auf das historische Istanbul und die Musik des Nahen Osten hin. Das Ensemble spielte imWDR Funkhaus eine Komposition seines Landsmannes Claude Vivier. In dessen Kompositionen die Erfahrungen aus seinen Reisen nach Asien einfließen. Das achtköpfige Ensemble, das auf das Spiel traditioneller außereuropäische Instrumente spezialisiert ist, nimmt sich für die Komposition von Vivier viel Freiheit in der Interpretation und der Improvisation und arrangiert auch eigene Zwischenspiele. Das Konzert trägt den Titel …cette ville étrange – Eine Reimagination von Claude Viviers “…et je reverrai cette ville étrange…“

„Und ich werde diese fremde Stadt wieder sehen“ – spiegelt die Sehnsucht des Migranten nach einer Rückkehr und ist durch die Reisen von Marco Polo inspiriert. Das Ensemble greift diese Musik auf und sieht auf sie mit dem Blick seiner weltmusikalischen Exkursionen. So kommt es zu Resonanzen, Erinnerungen und Imaginationen, die Vergangenheit und Gegenwart umfassen. Alle Ensemblemitglieder sind herausragende Instrumentalisten und fügen ihre Fähigkeiten zu einem unvergleichlichen Ensembleklang. Das Publikum wurde auf eine Reise in den Orient entführt auf der sich alte und neue Musik begegneten. Die gewaltige Stimme von Gabriel Dharmoo war das Sahnehäubchen auf diesem Konzert der Extraklasse.

Von ganz anderer Art war die Kulturbegegnung beim Abendkonzert in der Philharmonie.

Das Ensemble Musikfabrik führte Shades of Echos für Oboe/Englishhorn und Ensemble auf, eine Acht Brücken Auftragskomposition der japanischen Komponistin Malika Kishino. Solist war Peter Veale, der die vielen schwierigen Passagen bravourös spielte. Ein Werk mit großem Dynamikumfang. Mit vielen Knalleffekten, aber auch ruhigen getragenen Passagen. Im Programmheft wird die rhetorische Frage aufgeworfen, ob eine Japanerin, die in Deutschland lebt und hier studiert hat noch japanische Musik mache. Ihre Komposition enthielt jedenfalls keine erkennbaren Verweise auf traditionelle japanische Musik.

Peter Eötvös stammt aus Ungarn und bei der Aufführung seines Werks Fermata (2021) wurde Teile des Ensemble Musikfabrik im Zuschauerraum postiert. Keine leichte Aufgabe für den Dirigenten Yorgos Ziavras, der sich förmlich verbiegen musste um seine Einsätze zu geben.

Als Abschluss in der Philharmonie gab es noch ein Werk des Elektronik-Spezialisten Luis Antunes Pena aus Portugal mit dem Titel: Das Gedächtnis Gebrauchsanweisung. Eingespielt wurde es vom Trio Ruído Vermelho mit dem Ensemble Musikfabrik. Ein ungewöhnliches Instrument kam dabei zum Einsatz, das Christal Baschet, bei dem Glasstäbe mit nassen Fingern in Schwingung versetzt wurden.

Vor dem Abendkonzert gab es eine Klangmeditation von der Komponistin Malika Kishino geleitet, bei der Klänge mit großer Achtsamkeit wahrgenommen wurden und so vielleicht eine neue Hörerfahrung möglich machten.

Ein langer Tag voller Musik ganz unterschiedlicher Art, „als Plädoyer für einen regen allseitigen Kulturaustausch“, wie es im Programmheft heißt.

Eine besondere Hörerfahrung ist auch die audiovisuelle Installation in der Zentralbibliothek, die jeden Tag während des Festivals von 10-18 Uhr besucht werden kann. In einem Film werden die Zuschauer-/hörer durch verschiedene Orte geführt, für die eigens Musik komponiert wurde. Und es gibt noch weiteres Klangerlebnis, einen Interaktiven 3D Soundwalk mit Kopfhörern, die an der Konzertkasse der Philharmonie auszuleihen sind.

Das Acht Brücken Festival hat in den nächsten Tagen noch viel zu bieten, besondere Konzerte mit Musik von Morton Feldmann, viele Uraufführungen, das Sun Ra Arkestra, an vielen Abenden Acht Brücken Lounge als Tagesausklang im Jazzclub King Georg, Acht Brücken Lunch um 12 Uhr mittags, eine kostenlose tägliche Festivalkostprobe zum Appetitanregen, einen Ambient Live Abend und Django Bates überträgt das gesamte St. Peppers Album der Beatles in Jazz und noch viel mehr.

Acht Brücken Programm:https://www.achtbruecken.de/de/programm

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