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Acht Brücken in Köln

Musikalische Gegenwart als Publikumsmagnet

Köln, 08.05.2016
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Acht Brücken ist ein musikalisches Großereignis, das aus den reichen künstlerischen Ressourcen schöpft, welche die Stadt Köln und die Region NRW bietet. Durch gebündelte Vielfalt strahlt ein Image nach außen und es geht darum, große Publikumsschichten für musikalische Aktualität empfänglich zu machen. Und was taugt zum effektiven Audience Developemt besser, als Gratis-Konzerte anzubieten, die auch in allen Spielstätten für Publikumsrekorde suchte. Die spannende Frage ist: Werden viele neugierig gewordene Gratis-Besucher künftig auch Tickets für Veranstaltungen mit zeitgenössischer Musik buchen und dadurch auch die Konzertveranstalter zu neuer Abenteuerlust ermutigen?

Unter dem Motto „Freihafen“ ging es am ersten Maiwochenende vor allem um jene Kunstform, die dem Menschen am nächsten ist, dem Gesang. Zum Publikumsrenner wurde Martín Palmeris „Misa a Buenos Aires“ im Stil des Tango Nuevo. Ebenso ein raffiniert programmiertes Shakespeare-Themenkonzert durch die Kölner Kantorei unter Georg Hages Dirigat.

Diese und andere Darbietungen nutzten zuhauf Chancen, neue Wege bei der Konzertperformance zu gehen, vor allem die Frontal-Beschallung aufzugeben und die Innenräume der attraktiven Spielorte kreativ zu bespielen. „Über uns ein Himmel“ – unter dem Titel tauchte ein Konzert mit dem Rochuschor unter Leitung von Wilfried Kaets das Zuammenleben der Kulturen und Religionen in weltumspannende musikalische Farben. Kompositionen von Wilfried Kaets, Erdal Aslan, Masahiro Miwa, Saad Thamir und Eberhard Schöner vereinten Stilmittel aus alter Vokalpolyphonie mit orientalischen und japanischen Einflüssen. Noch spannender als die etwas vorhersehbaren Stil-Melangen war das „Wie“ dieser Darbietung: Die Sängerinnen und Sänger bewegten sich im Raum, spalteten sich auf und zusammen mit feinnervigen Instrumentalparts betörte diese hymnische Mischung doch sehr zuverlässig.

Gemeinsam im Gesang vereinen sich Flüchtlinge in Chören der Stadt Köln und der Hürther Musikschule. Sie kamen im funktional-eleganten Klaus-von-Bismarck Saal des WDR-Funkhauses Unterstützung von der Kölner Karthäuser-Kantorei sowie einem versierten Solisten- und Instrumentalensemble. „Mare Nostrum“ heißt eine aktuelle Komposition von Camille van Lunen, in welcher sich aktuelle Schicksale, Geschichten, Bilder sich zu eindringlichen vokalen Botschaften verdichteten. Auch bei dieser Uraufführung mischten sich die Sängerinnen und Sänger sehr wirkungsvoll unter das Publikum. Hochempfindsam und kreativ verfehlten die mitreißenden und berührenden Arrangements ihre Wirkung nicht – Gesang, der Berge versetzte!

Festivals, die sich dem schier unüberschaubar komplexen Territorium der Neuen Musik widmen, tun gut daran, wenn sie Schwerpunkt-Themen setzen – etwa, wenn gleich eine Gesamt-Werkschau eines einzelnen Komponisten gegeben wird, sodass man in verschiedenen Konzerten einen Personalstil regelrecht hörend „erlernen“ kann.

Jener Themenschwerpunkt, welcher sich der russischen Komponisten Galina Ustwolskaja widmet, wurde schon an den ersten Festivaltagen zu einer einschneidenden musikalischen Erfahrung. Diese gipfelte in einem Auftritt des Ensemble Musikfabrik in der romanischen Kirche Sankt Aposteln: Ähnlich dem gleichnamigen, aus der Gregorianik stammenden Motiv „Dies Irae“ , arbeitet sich Ustwolskajas Kompositionen aus dem Jahr 1971 an einer anderen, aber vergleichbar funktionierenden, repetitiv „eingehämmerten“ Tonfolge ab. Perkussive Klavier-Cluster „beantworten“ brutale Schlagimpulse auf einen Holzwürfel. Die eigentliche dunkle Magie erzeugen in der romanischen Kölner Kirche acht Kontrabässe mit einem gespenstisch hallenden Klangfarbenspektakel. Das Ensemble Musikfabrik NRW bestach bei diesem Festival einmal mehr durch seine Flexibilität, um es in schier endlos variabler Konstellation mit solch extremen Aufgabenstellungen furchtlos aufzunehmen - auch in anderen Werken von Galina Ustwolskaja.

Ähnlich kompromisslos, aber in seiner Ästhetik völlig anders als die klaustrophobische Tonsprache der Galina Ustwolskaja ist der sinnliche Kosmos von Olivier Messiaen.

„Acht Brücken“ beschenkte sein Publikum mit einer Gratis-Aufführung in der Philharmonie: Das Vokalensemble des Kölner Doms sowie das Vocalensemble Udin dÁrt und die Junge Deutsche Philharmonie musizierten Olivier Messiaens selten gespieltes Monumentalwerk „ La Transfiguration de Notre-Seigneur Jésus Christ“. Die mehr als 200 Ausführenden stemmten die kolossale Aufgabe respektabel gut - und auch die Hörer wussten, was sie nach zwei Aufführungsstunden geleistet hatten. So vieles gerät unter klanggewaltigen Hochdruck in der Surround-Akustik der Philharmonie: Chinagongs zischen, Gamelan-Motive verbreiten betörende Exotik, rätselhafte harmonische Klangteppiche expandieren, oft in sehr rätselhaften, mitunter in fast jazzigen Harmonien. Dazwischen erheben sich mystische Chorpassagen und in ausgesuchten Momenten virtuose Soli von Cello bzw. Klavier. Ein eigenwillig collagenhafter Wechsel stellt sich ein, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Die Junge Deutsche Philharmonie unter Leitung von Bruno Mantovani wusste, über die zwei Aufführungsstunden einen Spannungslevel und vor allem genug Präzision in dieser labyrinthischen Dichte walten zu lassen. Hier spielt eine gute Vorerfahrung mit: Vor vier Jahren hatte das vielbeachtete Studentenorchester bereits Messiaens nicht minder spektakuläre Turangalila-Sinfonie ins rechte Licht gerückt.

Acht Brücken endet Anfang der kommenden Woche mit weiteren Highlights- unter anderem einer Aufführung von Morton Feldmans „Rothko Chapel“ sowie Uraufführungen der Finalisten des diesjährigen Kompositionswettbewerbs beim Acht-Brücken-Festival. Am Dienstag, 10. Mai ist die Messe von Leonard Bernstein in einer halbszenischen Aufführung in der Kölner Philharmonie zu erleben.

Weitere Infos unter

www.achtbrücken-festival

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