"1914-18 Welt in Brand"
Musikalisch-historisches Theaterpanorama
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Thomas Hufschmidt hat schon lange nicht mehr Theatermusik gemacht, wohl aber Filmmusik zwischendurch. Ein großes theatralisches Gesamtpanorama über den Ersten Weltkrieg war für den Essener Komponisten, Pianisten und Pädagogen allemal eine neue Herausforderung. Aber er hat seine Tugenden dabei nicht über Bord geworfen – gute funktionale Musik für die Theaterbühne soll nach seinem Credo densenselben Idealen folgen wie ein gute Filmmusik. Schauplatz des Theaterstücke "14/18- Welt in Brand" war die Essener Kokerei Zollverein.
Wo einst die Hochöfen loderten, da setzen die Ausführenden die historische Welt des Jahres 1914 noch einmal imaginär in Flammen. Es ist der Vorabend des Ersten Weltkrieges. Die Länder schlitterten ins verhängnisvolle Geschehen hinein und alle machten vorauseilend mit. Vor allem im wilhelminischen Deutschland kochte eine gemütsstumpfe Kriegsbegeisterung hoch. Der Beginn der Aufführung draußen vor der dramatischen Industriekulisse ist spektakulär: Hoch oben auf der Kokerei-Anlage stehen die Akteure und rezitieren expressionistische Textfragmente. Dann werden die Zuschauer von einem Soldaten in herrischem Ton zur Prozession in die Salzlager-Halle hinein "abkommandiert". Eine Frau schwenkt aufgeregt Extrablätter in der Luft. Es hat Schüsse in Sarajewo gegeben. Der erste Weltkrieg hat begonnen.
Auf der Bühne in der Salzlager-Halle wird nun ein schillerndes Panoptikum an zeitgenössischen Befindlichkeiten collagenhaft abgehandelt – mit allem grotesken "Hurra-Patriotismus" und der ganzen naiven Helden-Verehrung, wie sie die Frauen in der Heimatfront ihren Liebsten zollten - bevor diese verstümmelt oder tot aus dem mörderischen Geschehen an den Fronten hervorgingen. Auch die sich verschärfenden Spannungsverhältnisse zwischen arm und reich, vor allem die russische Revolution ist Thema. So viel komplexe Geschichte in einem theatralischen Gesamtpanorama, das lässt an diesem Abend auf Zollverein aber auch Längen aufkommen.
Einfühlung in historische Figuren gelingt
Doch die Darstellerinnen und Darsteller von der Folkwang-Hochschule geben ihr Allerbestes, um sich in die historischen Figuren, einzufühlen. Zudem werden die Akteure ständig in Echtzeit gefilmt und deren Gesichter und Mimik hautnah auf Großbildleinwände über der Bühne projiziert. Das schafft zusätzliche Nähe, verwöhnt die Augen, wie es dem HD-Zeitalter bestens entspricht.
Der unprätentiöse Klaviertrio-Jazz von
Thomas Hufschmidt
bleibt zur musikalischen Verdichtung des Bühnengeschehens auf sehr unangestrengte Weise sich selber treu, wenn die Arrangements, Intermezzi und Songs das Geschehen voran treiben und die Emotionalität verdichten. Wenn die Snaredrum des Schlagzeugers symbolträchtig scheppert, fühlt man sich auf imaginäre Kasernenhöfe versetzt. Elegische Moll-Harmonien nehmen die ganze Schwere vorweg, wie sie die kriegsbegeisterten jungen Menschen noch nicht ahnen konnten. Und Hufschmidt hat auch sehr plakative Songs geschaffen, die das Empfinden der Menschen von einst aus zeitgemäßer Perspektive auf den Punkt bringen.
"14/18 – Die Welt in Brand" ist ein Theaterprojekt mit Studierenden der Folkwang Universität der Künste und des Instituts für Bewegtbildstudien der FH Dortmund in der Dramaturgie von Gerold Theobalt und der Regie von Johannes Klaus und Adolf Winkelmann. Weitere Aufführungen Dienstag, 15.7. 2014, Mittwoch 16.7.2014 und Donnerstag, 17.7. 2014, Beginn jeweils 20:30h
Weitere Infos unterwww.zollverein.de