Motown goes Steel Town
Marc Brenkens neue Funkband beim Duisburger Kultursommer
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Auch der Jazz kommt beim Duisburger Kultursommer nicht zu kurz. Denn diese Veranstaltungsreihe wird unter anderem auch vom "Verein Säule-Jazz" unter Eckart Presslers künstlerischer Leitung mit getragen. Viel frischen Wind verströmte ein samstagabendlicher Auftritt von Marc Brenken s neugegründeter Formation "Steel Town Funk."
Es war eher ein Zufall, dass Marc Brenken bislang noch nicht die Hammond-Orgel entdeckt hatte. Aber vor einem Jahr wurde alles anders - ihm kam eine handliche, bühnentaugliche Version dieses Kultinstruments unter - und seitdem kann der Essener Pianist, Bandleader und künstlerische Leiter der beliebten "Jazz for the people" -Reihe von dem Teil überhaupt nicht mehr genug bekommen. Mit den Registern und dem berühmte "Leslie"-Effekt lässt sich der Sound fetter machen, auffrisieren, modulieren - das muss man auch, damit es zu leben beginnt, wie Brenken die Formel für dieses Tasteninstrument auf den Punkt bringt.
Die neue Klangwelt, die so kraftvoll die Ästhetik der 1960er Jahre ins Heute katapultiert, ließ bei Brenken eine Bandgründung als logische Konsequenz folgen: "Steel Town Funk" ist eine unverbindliche Antwort aus der Stadt Essen (=Steeltown) auf den Motown-Funk. Dafür brauchte es beim Debut-Gig im Zelt in Duisburg kaum weiterer Worte - dass vorher nur wenig geprobt wurde verstärkte noch mehr die Magie der Spontaneität: Hier legte eine Band ohne Umschweife los - und funkige Metren und bluesschemata waren solide Leitplanken, um auf einem sonnigen Highway Vollgas zu geben.
Schlagzeuger Hermann Heidenreich und Perkussionist Yansser Cardoso sorgen für soliden Vortrieb. Marc Brenken s linke Hand ist im Dauereinsatz, um fette Basslinien abzurufen, derweil die Linke für eingängige, soulgetränke melodische Linien sorgt. Gitarrist Alex de Macodo ist mit seinen schillernden, blues-durchtränkten Harmonien stets mittendrin im Geschehen und steuert auch so manch sphärisches Solo bei. Hammondorgel plus Gitarre plus Schlagzeug war in den 1960ern eine bevorzugte Triobesetzung. "Steel Town Funk" knüpft daran an, motzt aber die Rhyhtmusgruppe auf, damit mehr Abgehfaktor in die Sache kommt und erweitert das Ganze um eine Bläsersection, die es in sich hat. Saxofonist Florian Boos hält sich zwar solistisch meist etwas zurück, hat aber, wenn er dann doch mal richtig aufdreht, mächtig viel auf seinem Horn zu sagen. Und das gilt umso mehr für den Trompeter Lars Kuklinski, dessen Spiel über die ganzen zwei Sets eine intensiv strahlende Präsenz entfaltet, dass es noch lange nach dem Konzert in den Ohren nachklingt. Wenn Lars Kuklinski und Florian Boos sich zu satten funkigen Licks vereinen, könnte man fast eine Bigband und nicht nur zwei Bläser vermuten. Das verdichtet sich vor allem in einem langsamen, lasziven Blues im zweiten Set, der in seinem ausdrucksschweren Sound fasst einem Charles Mingus - Arrangement das Wasser reichen könnte. Brenkens neue Stücke sind bei aller Bodenständigkeit vielschichtig - und geben den Potenzialen dieser spielfreudigen und erfahrenen Musiker allen Entfaltungsraum, um den Moment zu feiern, warten sogar manchmal mit Gesangs und sogar schrägen Rap-Einlagen auf.
Natürlich kommt auch eine Hommage an den großen Pionier der Jazz-Hammondorgel, Jimmy Smith ins Spiel. Ansonsten lässt sich Brenken von seiner unmittelbaren Lebenswelt inspirieren: Das sind zurzeit vor allem seine beiden Kinder, eins und vier Jahre junge, das ist immer wieder die Freude an der Bewegung - gerne beim ausgiebigen Laufen. In Bewegung bleiben, darum geht es ja auch in der Musik - und diese Band hat gerade einen hervorragenden Start hingelegt.
Überhaupt all dies wieder live zu erleben, bzw. für die Musiker, so etwas wieder live spielen zu können, hat in diesem Moment etwas extrem befreiendes!
Das Ambiente im Duisburger Kant-Park hat seinen Charme. Das großes Zelt vereint luftigen Open-Air-Hörgenuss mit absoluter Regensicherheit. Ja, fast man fühlt sich an das Flair früher beim Moers-Festival erinnert. Die Bühne ziert ein dunkelroter Samtvorhang. Da ist genug Bewegungsfreiheit für Publikum und Zuhörer gleichermaßen. Auch Eckhard Pressler freut sich über diese tolle Infrastruktur und man kann nur seinem Wunsch zustimmen, dass aus diesem (aus der Not geborenen) Sommer-Projekt vielleicht eine Dauer-Einrichtung wird. Das vom Bund ausgeschriebene Programm „Neustart Kultur“ fördert den anstehenden Duisburger Kultursommer mit knapp 200.000 Euro - ein positives Signal für die Veranstaltungsbranche ist dies allemal. Bis zum 22. August wird es noch ein vielfältiges Programm geben. Ebenso nutzt das Platzhirsch-Festival vom 13.-15. August das große Zelt.
Nächster Jazztermin beim Duisburger Kultursommer:
31.7. Georg Ozzy Göbel-Jakobis Trio