Kein Egotrip auf Schloss Horst
Jens Düppes Soloprojekt „ego D“
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Diese Premiere war für beide Seiten eine besondere: Für das Publikum bei der „Fine Art Jazz Konzertreihe“, welche eine bis dahin kaum gekannte Personalunion zwischen mehreren Instrumenten erleben durfte. Ebenso wie für den Musiker Jens Düppe , der bisherige Grenzen und Formate des Jazz hinter sich ließ und dabei ganz nah zu sich selber kam.
Vor allem passiert im Schloss Horst so viel mehr, als nur ein – durchaus häufiger mal auf Konzertbühnen stattfindendes - „Schlagzeugsolo-Konzert. Vergeblich sucht man an diesem Abend den experimentierverliebten Egotrip oder die vordergründig kraftmeierische Selbstdarstellung. Dafür ist Jens Düppe ein viel zu ganzheitlicher, melodisch und kommunikativ denkender Musiker.
Ein Drumset, erweitert um eine zum Standtom umfunktionierte Bassdrum, ein stattlicher Flügel außerdem ein Midicontrol-Keyboard für ausgewählte Synthesizer-Sounds aus dem Laptop – in der Mitte agiert Jens Düppe so, dass eine Band daraus wird.
Am Anfang war der Beat! Dieser Slogan, der auch zu Beginn des neuen Quartett-Albums rezitiert wird, gibt im Schloss Horst dem ersten Konzertteil die programmatische Richtung vor: Schwere Drumbeats, ebenso die abgründigen Basstöne auf dem Flügel laden ein, sich lustvoll ins Bad der tiefen Klangfarben hinein zu stürzen. Jens Düppe denkt Schlagzeugspiel nicht in motorischer Richtung, denn dafür ist er ein viel zu sensibler Klangfarbenästhet. Mächtig treiben die ersten Nummern voran. Was auch jeden, der auf Techno abfährt zufrieden stellt. Aber die wirkungsvoll eingesetzten Tonfolgen überziehen das Ganze mit viel Lyrik, mal wie auf einem coolen House-Music-Track und immer wieder in bestem Sinne den Idealen von Steve Reichs Minimal Musik folgend.
Das ganze wirkt so durchdacht und inspiriert, weil es für diesen fantasiebegabten Musiker eine tief persönliche Angelegenheit darstellt. Deswegen redet er auch so ausgiebig mit dem Puhlikum, legt seine Quellen offen, macht deutlich, wie sehr diese exklusive Performance einem tiefen Nachdenken über sich selbst und über das Leben entspringt. Zu den Quellen gehört auch Literatur. In die Musik eingespielt wird Paul Verlaines Gedicht "Chanson d`Automne", welches Jens Düppe s Lebenspartnerin für diese Aufnahme eingesprochen hat. Ein anderes Thema sind Eindrücke von Fernsehsendungen aus Kindheit und früher Jugend, etwa Hoimar von Ditfurths Reportagen über die Wunder unseres Planeten.
Fast etwas dystopisch wirken die eingespielten Funksprüche von der Apollo 11-Besatzung. Aber Düppe erzeugt mit seinen Instrumenten ein lyrisches, mächtig rockendes und sinfonisch-schwelgendes Klangpanorama, das schon fast den Fernblick auf den blauen Planten sichtbar macht.
Während im ersten Teil die eher mächtigen, wuchtigen Beats im Zentrum standen, war Teil 2 noch lyrischer und melodischer abgestimmt. Überhaupt zeichnet sich das ego-D-Projekt eine zugängliche, emotional einnehmende Botschaft aus. Und wie beglückend sinnlich setzt Düppe immer wieder den Konzertflügel ein! Ein ganz faszinierender Moment des Abends ist ein afrikanisch angehauchtes Stück, bei dem er in den hohen Klavier-Registern das filigrane Spiel der Cora nachempfindet – das ist jene westafrikanischen Harfe, welche Düppe bei seinen ausgiebigen Reisen auf den schwarzen Kontinente gründlich kennen gelernt hat.
Das alles ergab bei diesem Konzert im Rahmen der Reihe Fine Art Jazz die Uraufführung eines neuen, spannenden Projektes eines der vielseitigsten Musiker in NRWs Jazzszene. Es soll bald ein neues Album daraus entstehen - möglicherweise ein neues Meisterwerk, das es in dieser Form so noch nicht gegeben hat.