Auf der malerischen Kolvenburg
Michel Reis Quartett beim Münsterland-Festival
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Bernd Zimmermann, Stefan Pieper
Capturing the Moment – den Moment einfangen nennt der luxemburgische Pianist Michel Reis sein aktuelles Album und definiert damit auch sein künstlerisches Programm. Impressionen des Augenblicks, ähnlich wie ein Fotograf sie einfangen kann, sind oft der Ausgangspunkt für seine kompositorischen Ideen.
Aber wenn, wie im Falle des Quartett-Konzertes des Luxemburgers im Rahmen des Münsterland-Festivals improvisiert wird (oder improvisiert werden muss), dann entstehen auch in Folge wieder neue Momente und überraschende Energien.
Michel Reis musste kurz vor seinem Konzert die halbe Bandbesetzung austauschen. Bassist Robert Landfermann und Jonas Burgwinkel hatten terminlich bzw. gesundheitlich bedingt abgesagt. Dafür sind beim Auftritt auf der malerischen Kolvenburg die beiden Kölner Matthias Novak am Bass und Silvio Morger am Schlagzeug mit von der Partie. Und alles lief wie von selbst an dieser malerischen Spielstätte, die von draußen – stimmungsvoll angestrahlt – wie eine verwunschene Filmkulisse anmutet...
Michael Reis ist ein erfindungsreicher Melodiker auf den Tasten. Regelrecht meditativ schwört er sein Publikum mit einem langen Solopart auf die eigene, bestens kultivierte Ideenwelt ein. In seinem Spiel leben starke Spurenelemente aus der Klassik – vor allem subtile Stimmungswechsel zwischen strahlendem Dur und berührendem Moll. Und er agiert damit temporeich und unerschöpflich kreativ. Etwas vorsichtig tasten sich die beiden Rhythmiker in dieses Spiel hinein – doch es ist nur eine Sache von Minuten, dass sich die beiden „Neulinge“ in diesem Quartett fallen lassen und sich frei spielen. Dann greift alles ineinander – ein hellhöriges Aufeinanderreagieren und eingehen. Die musikalischen Momentaufnahmen des Michel Reis müssen zahlreich – und werden über zwei lange Sets mit viel leuchtender Brillanz beantwortet. Charaktervoll ist das betörend farbenreiche Saxofonspiel von Stefan Karl Schmid t – vor allem auf Sopransax und manchmal auch Klarinette, wenn sich der musikalische Gestus ins Balladeske zurücknimmt.
Feinnervig hört sich Matthias Nowak in diese Interaktion hinein, bis er später in einem tiefempfundenen Solo seinen eigenen Bravourpart hat. Schlagzeuger Silvio Morger reichert all dies mit federndem, intensiven Temperament an. So könnte es endlos weitergehen in dieser so gleichberechtigten, von so viel lebendiger Spontaneität getragenen Konstellation. Nach vielen langen, extrovertierten, aber immer betont melodischen Nummern entlässt diese „Spontanband“ ihr Publikum mit einer intimen Ballade in den Abend. „Wir hatten vor dem Konzert gerade mal zwei Stunden ´lang geprobt.“ Jazz ist eine Sprache, in der man so schnell und unkompliziert zusammen findet – um dann große Momente einzufangen.
Aktuelle CD
Michel Reis Quartet: Capturing the Moment
Double Moon Records 2014
Infos zum weiteren Programm des Münsterland-Festivals unter