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​„Who wants to play?“

Vier Tage an der Folkwang mit John Patitucci

Essen, 19.02.2020
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Ein Workshop im Visiting-Artists Program der Folkwang mit John Patitucci – das hieß, vier Tage intensiv mit einem Weltklasse-Musiker zu arbeiten. Vor allem das soziale Miteinander wurde zur besonderen Erfahrung der TeilmerInnen und Teilnehmer, zu denen auch ehemalige Studierende des Jazzstudiengangs an der Folkwang gehörten.

„Ich habe wieder eine ganz neue Motivation, das Instrument zu spielen. Der Workshop hat mich in vielerlei Hinsicht überrascht: Es ging eben gar nicht darum, spektakuläre Tricks gezeigt zu bekommen, stattdessen um so vieles, was Musik im tiefsten Inneren ausmacht. Um Emotion und Seele. Ein Weltklasse-Musiker wie John Patitucci kocht auch nur mit Wasser. Wenn man mehrere Tage viele Stunden mit so einem angenehmen Menschen verbringt, hört jede Schüchternheit gegenüber so einem prominenten Künstler auf. Es war ein wunderbares gemeinsames Erlebnis.“

Das sind nur einige Zitate aus den vielen Fazits und Kommentaren, die am Ende der vier Tage beim Visting Artists Workshop an der Folkwang Universität der Künste aus den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nur so heraus sprudeln. Da mussten erst mal viele Eindrücke sacken und geordnet werden. Die Stimmung am Ende zeigte: Der Workshop mit dem US-Bassisten John Patitucci hat etwas mit den Studierenden gemacht. Nicht nur mit ihnen, denn auch einige Ehemalige hatten wieder den Weg ins Jazzinstitut der Folkwang gefunden. Denn zu umfassend waren die Aspekte und zu facettenreich ist John Patitucci als Bassist und welterfahrener Musiker, der an allen Stellen relevanter Jazzhistorie präsent war - und heute seine Erfahrungen als Pädagoge aus Leidenschaft weiter gibt!

Im Tonstudio der Folkwang-Hochschule zeigt er sich als charmanter, extrem zugänglicher Mensch. Gerade das verleiht den vier langen, konzentrierten Tagen so viel ansteckende Lebendigkeit. Am dritten Tag des Workshops gab es ein Highlight obendrauf: Einige Workshop-Teilnehmer haben Karten für den Auftritt von Wynton Marsalis mit dem Lincoln Center Jazz Orchestra im Konzerthaus Dortmund am Abend. Patitucci beschließt spontan, an dem Ausflug nach Dortmund teilzunehmen. Und es war nach Bekunden der jungen Jazzer aus NRW schon eine Erfahrung für sich, mit dieser lebenden Legende im Regionalexpress durchs Ruhrgebiet zu fahren. In angeregter Konversation auf Augenhöhe, versteht sich...

Um Emotion geht es vor allem im Jazz. John Patitucci bricht mit viel Leidenschaft zahllose Lanzen dafür. Weil er das so gerne tut, gibt er viele Workshops, die man eigentlich als Meisterkurse bezeichnen sollte. Aber die meisten üblichen Formate sind eintägig oder gehen maximal über zwei Tage. Im Folkwang-Studio herrscht hingegen purer Luxus: In vier langen Tagen besteht endlich mal Raum, eine verbindende menschliche Chemie unter allen Beteiligten aufkommen zu lassen. Und das ist ja auch eine Tugend, ohne die überhaupt kein Jazz entstehen würde sonst. Er bringt ein inhaltlich vollgepacktes Konzept mit nach Essen, gibt Thesenpapiere aus, hat ein reiches Konvolut aus bereits vorarrangierten spieltechnischen Übungen im Gepäck. Die Kontrabässe der Teilnehmer, aber auch andere Instrumente (ein echtes Jazz-Studium ist ja nie ausschließlich auf das eigene Instrument reduziert...) füllen jede freie Fläche im Raum – wenn sie nicht gerade vorne im Einsatz sind...

Vier Tage bieten Luft, um in Details zu gehen, um sich in entlegene Gefilde der Jazzlandkarte, in endlos viele Erfahrungen, Beispiele und vieles mehr hinein zu begeben. Patitucci redet, wie er Bass spielt. Lebendig artikuliert und hellwach, aber in jedem Moment auf den Kern der Sache fokussiert. Um Theorie und Technik geht es, aber noch viel mehr um den Überbau, den es braucht, dass wirklich Musik dabei herauskommt. Jazz heißt in erster Linie, „zu sagen, wer Du bist!“

Alles andere ist doch nur Werkzeug für die Umsetzung. Geist und Technik und das empfindsame Ohr als gleichschenkliges Dreieck sozusagen. Wesentlich zu werden, darum geht es. Mut zu echten Melodien zu entwickeln, wo das Spiel ohne solche doch schnell in Dekoration abgleiten könnte. Und ja, Jazz ist soziales Miteinander. Interaktionen in der Combo berührt sämtliche sozialen Aspekte. Übrigens ist hier auch das Nicht-Spielen, das Raum-Geben eine ausgesprochen aktive Handlung. Musik machen ist auch immer Musik hören ist – auch dies findet in den vier Tagen durch viele eingespielte Hörbeispiele statt. Es hilft, wenn etwa bestimmte Akkordverbindungen auf Anhieb beispielsweise auf Chick Corea oder Strawinski abgeleitet werden können. Die Studierenden sind tief in der Materie drin - das zeigt sich in vielen extrem dezidierten Detailfragen - in einem flüssigen Englisch, das auch in sprachlicher Hinsicht Augenhöhe mit diesem prominenten und zugänglichen Native Speaker anstrebt. Die häufigste Frage aber stellt Patitucci selbst: „Who wants to play?“

Das Arbeitsmaterial: Übungen für „Walking Bass“, Triolenspiel oder freie rhythmische Gestaltung. In den ersten Tagen demonstriert Patitucci noch vieles selbst, zieht sich dann aber selbst als Spieler immer wieder zurück. Denn die Spontan-Combos, die sich bilden, verleiben sich dass Material fantasievoll ein, lassen – weiterhin durch die kommentierenden, motivierenden Feedbacks dieses prominenten „Dozenten“ befeuert - eigene Arrangements entstehen. Aus den Technik- und Stilübungen erwachsen ohne Zeitdruck umso beseeltere Stücke. Schließlich sind Hörer und Lehrende wie in den besten Momenten im Jazzclub tief versunken. Dieses intensive, produktive Miteinander, für das es sich Zeit zu nehmen lohnt, gehört ja auch zur Philosphie an der Folkwang.

Der nächste Workhop mit Visiting Artists Programme befindet sich gerade in seiner finalen Planung. Detaillierte Infos folgen in Kürze in unserer news-Rubrik!

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