„Vorsichtig optimistisch...“
Stimmungscheck bei Rolf Sackers vom Jazzklub Krefeld
TEXT: Stefan Pieper |
Der Jazzklub Krefeld will sich für den Neustart der Konzertkultur verschiedene Optionen offen halten und freut sich über eine Stärkung durch die Initiative Musik. Ein Gespräch mit dem stellvertretenden Vorsitzenden und Booker des Jazzklub Krefeld Rolf Sackers.
Wie schaut es bei euch aus?
„Wir sind vorsichtig optimistisch. Wir hatten zwar gehofft, jetzt schon etwas mit Publikum machen zu können, aber das ist momentan noch nicht möglich. Deswegen fiel jetzt die Entscheidung, die geplanten Konzerte auch als Live-Stream zu bringen. Auch, wenn es später wieder Konzerte mit Publikum gibt, wollen wir die Konzerte live übertragen, um möglichst vielen Jazzfans eine Alternative zu bieten.
Ich denke hier vor allem an das Doppelkonzert zum International Jazzday mit Phil Groppers Philm und der Band Spinifex aus Amsterdam. Das sind Bands, die so viel Energie überbringen, dass sie ihr Publikum auch zuhause ansprechen. Das gilt insbesondere für die Band Kuhn Fu, die wir heute in der Kulturfabrik zu Gast haben. Ich freue mich, dass wir diese Band als Auftakt für unsere Reihe Klangräume gewinnen konnten.“
Was bekommst Du so von der Stimmung bei den Musikern mit?
„Nach dem langen Stillstand im Kulturbetrieb sind alle so froh, wenn sie überhaupt mal spielen können. Wichtig ist natürlich auch ein materieller Aspekt: Wir zahlen auch bei Live-Streams die normale Gagen.“
Wie stemmt ihr das finanziell, wenn zurzeit keine Tickets verkauft werden?
„Das Ganze ist nur möglich, da wir eine finanzielle Förderung über das Programm Neustart Kultur bekommen haben. Das hilft uns wirklich sehr und dafür sind wir sehr dankbar.“
Kannst Du sagen, welche Aspekte ausschlaggebend waren, warum eure Bewerbung um diese Förderung erfolgreich war?
„Wir haben uns frühzeitig Gedanken gemacht, wie wir unser Programm weiter führen können. Ein Glücksfall war unsere Entscheidung für dieSommer-Opern-Air-Reihe im letzten Jahr – wir haben von Mai bis Oktober Konzerte vor dem Jazzkeller gespielt. Dann kam die Situation im Herbst. Eines unserer wichtigsten Konzerte fiel dem kurzfristig verhängten Lockdown zum Opfer. Wir haben uns sofort Gedanken darüber gemacht, wie wir die Liveatmosphäre nach Hause bringen können. Beim ersten Streaming-Konzert konnten wir schon im Vorgriff auf die zugesagte Förderung durch Neustart Kultur Fördermitte für dieses Konzert nutzen – ohne den das alles gar nicht möglich gewesen wäre. Die Rückmeldungen waren sehr positiv. Den Stream des Konzerts von Sebastian Gramss haben insgesamt weit über 500 Zuschauerinnen und Zuschauer gesehen.“
Es sind aber auch viele Termine geplatzt, oder?
„Klar. Da wir für den Spätherbst 2020 und das Frühjahr 2021 Bands mit internationaler Besetzung gebucht hatten, haben sich die Auftrittsmöglichkeiten schon aufgrund von Reisebeschränkungen zerschlagen.“
Wie hat sich die Band Kuhn Fu auf den Auftritt heute vorbereitet?
„Kuhn Fu haben sich bereits einige Tage vor unserem Konzert in einem kleinen Studio in den Niederlanden getroffen – wo drei der Musiker wohnen – und sich ausgiebig Zeit für Proben genommen. Der Stamm-Schlagzeuger der Gruppe, George Hadow, konnte nicht aus England anreisen und wurde kurzfristig durch Luca Marini ersetzt. Zudem wurde die Band durch den US-amerikanischen Tenorsaxophonisten John Dikeman für das Krefelder Konzert zum Quintett erweitert. Für die Band und uns war zudem klar: Es soll ja auch ein kraftvolles Lebenszeichen sein, dass wir die unsere Konzert-Saison eröffnen und wieder einsteigen.“
Krefeld soll ja auch zu einer Testregion bei einem Modellprojekt werden, um Kulturveranstaltungen in kontrolliertem Maße zu ermöglichen.
„Genau. Mönchengladbach und Krefeld haben sich gemeinsam als Modellregion beworben, unter anderem auch deshalb weil beide Städte ein gemeinsames Theater haben. Wir hoffen, auch als freie Jazzszene davon profitieren zu können. Bedingung ist, dass die Inzidenz stabil unter 100 bleibt – davon ist Krefeld aber noch ein ganzes Stück entfernt.“
Wie sieht die weitere Perspektive aus?
„Für das Konzert anlässlich des International Jazz Day am 30. April mit Phillipp Groppers Band PHILM sind wir noch nicht sehr optimistisch, können aber flexibel reagieren. Im Laufe des Monats Mai – spätestens Juni – könnte es dann mit kleinem Publikum Open Air vorm Jazzkeller wieder losgehen. Für das Konzert am 9. Mai mit Daniel Erdmannns Velvet Revolution planen wir parallel: Open Air mit Publikum oder Halle ohne Publikum, jeweils mit Live-Stream. Für unser nächstes größeres internationales Konzert am 19. Juni mit dem Trio Darrifourcq/Hermia/Ceccaldi habe ich die große Hoffnung, dass wir da schon wieder auf der sicheren Seite sind und draußen vor Publikum spielen können. Und ich freue mich natürlich sehr auf unser Festival „Jazz an einem Sommerabend“ vor der Burg Linn, das wir eine Woche nach den Sommerferien veranstalten.“
Wie hat sich dein Erfahrungshorizont in Deinem Veranstalter-Alltag geändert?
„Ohne einen extrem intensiven Austausch mit den Bands beziehungsweise den Agenturen geht bei der Programmplanung gar nichts. In der Regel können wir erst wenige Tage vorher entscheiden, ob wir ein Konzert machen können oder nicht. Bei internationalen Musikern wird es noch viel komplizierter wegen der unterschiedlichen Reiseregelungen. Der organisatorische Klärungsbedarf ist jedes Mal gewaltig. Früher haben ein paar Anrufe und Mails gereicht, jetzt bis du tagelang über Corona-Verordnungen im Gespräch. Nicht nur international sondern schon in verschiedenen Bundesländern gibt es unterschiedliche Regelungen.
Politiker berufen sich immer auf „die Wissenschaft“. Werden alle wissenschaftliche Erkenntnisse tatsächlich ernst genommen?
„Nicht in hinreichendem Maße. Es gibt mittlerweile Studien über die Verbreitung von Aerosolen. Fazit: In Venues wie der Krefelder Kulturfabrik oder im Theater sind bei entsprechenden Vorkehrungen Übertragungsrisiken deutlich geringer als beispielsweise in Supermärkten oder Schulen. Bei niedrigen Inzidenzen und Testung wäre im Kulturbereich sicherlich mehr möglich. Wie ausgehungert das Publikum ist, hat man in Berlin gesehen, wo nach entsprechenden Tests und weiteren Vorkehrungen ein Konzert in der Philharmonie stattfinden konnte. Die Menschen waren so ergriffen, dass jeder spüren konnte, was gefehlt hat.
Zugleich taucht in der Politik im Rahmen von Diskussionen über Öffnungsstrategien der Begriff Kultur recht selten auf. Es besteht im Grunde genommen seit März letzten Jahres faktisch ein Berufsverbot. Die Künstler*innen der freien Szene trifft das mit besonderer Härte. Es ist durchaus wünschenswert, wenn man ein paar Dinge im Rahmen eines Experimentes – wissenschaftlich begleitet – testet, so wie das bei unseren Nachbarn in den Niederlanden gemacht wird.
Jetzt stehen aktuell mit der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes zunächst neue politische Entscheidungen an, mit deren Ergebnis wir dann umgehen müssen. So gut einige Ansätze auch klingen, bleibt festzuhalten, dass der Neustart Kultur doch unter schwierigen Bedingungen stattfindet.“