Bild für Beitrag: ​Mit Landkarte | Pablo Held Trio sucht verborgene Schätze
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​Mit Landkarte

Pablo Held Trio sucht verborgene Schätze

Köln, 06.09.2015
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Pablo Held , Robert Landfermann und Jonas Burgwinkel sind eines der beständigsten Trios in NRWs Jazzszene. Die Alben, die beim Pirouet-Label erscheinen, markieren kontinuierliche Entwicklungsarbeit auf vorbildlichem Reife-Niveau. Hineinhören, sich vertiefen, Neuland entdecken - dazu ist eingeladen, wer sich auf dem neuesten Werk dieser Musiker auf die Reise begibt.

Sie führt auf manchmal verschlungenen Wegen, aber niemals ausgetretenen Pfaden zu Kompositionen der Musikgeschichte. Hier wird nicht Klassik abgekupfert um Wiedererkennungseffekte zu generieren - eher das Gegenteil. Wer ins Triospiel hineinhört und dabei mitverfolgt, wie sich die Original-Kompositionen mit der Ideenwelt von Pablo Held , Robert Landferman und Jonas Burgwinkel vernetzen, der wird zum Mit-Suchenden, zum Entdecker von bislang verborgenen Schätzen, zudem das liebevoll gezeichnete Cover von Recondita Armonia als Schatz-Karte fungiert. Im Gespräch mit Pablo Held wurde die Karte studiert.

Beschreib mal den Entwicklungsprozess zur neuen Platte "Recondita Armonia"!

Es ist für uns nichts neues, klassische Stücke ins Programm zu nehmen. Das ist schon vor unserer ersten Platte so gewesen, da gab es ein Stück von Frederico Mompou, der ein ganz wichtiger Name für mich ist. Ich bin mit Mompous Musik aufgewachsen, mein Vater hat sie mir nahe gebracht. Ich habe sie sehr gerne gespielt und gehört, deswegen taucht Mompou so häufig auf.

Auf der CD „Music“ spielen wir ein Stück von Olivier Messiaen. Noch mehr Stücke sind im Liveprogramm drin, das weiß aber oft keiner, weil wir die Stücke oft auch auseinander nehmen. Sowas erscheint auch immer in einem unterschiedlichen Gewand und mit neuen Schattierungen. Es ist nichts, was sich für uns seltsam anfühlt oder als wenn wir eine Maske auf hätten, es ist nach wie vor ein Teil von uns selbst. Mit diesem Album sind wir sozusagen einen Schritt weiter gegangen. Wir hatten hier schon immer einen Fuß in der Tür – jetzt sind wir mit beiden Beinen reingegangen. Von daher haben wir uns auf diese Welt konzentriert, aber wir wussten ja schon, wie mir damit umgehen und was unsere Art ist, damit umzugehen.

Wir mussten nicht großartig was neues machen. Natürlich haben wir uns Gedanken gemacht, welches Stück man jetzt noch dazu nimmt und dann waren es letztlich die Stücke, die von ihrer Klangsprache, ihrer Harmonik ihrer Stimmung so sind wir - ich will es jetzt nicht direkt mit meiner Musik vergleichen – aber es sind schon Stücke, die uns eher beeinflusst haben, vor allem, die sich an unseren Sound annähern. Da war der Sprung nicht so weit. Wir wollten vermeiden, dass das jeder sofort kennt, dass hier jeder die Referenzversion auf Anhieb im Kopf hat und wo jeder sofort sagt Moment mal das geht doch anders weiter. Dann hört man einfach auf eine ganz andere Weise zu, als wenn man die Musik noch nicht kennt. Und vor allem – wenn es eh zu dem passt, was wir sonst machen.

Dann wäret ihr ja auch nicht das Pablo Held Trio, wenn es so liefe. So eine Art der Vereinnahmung wäre ja nicht euer Ding und entspräche nicht eurem künstlerischem Selbstverständnis. Aber es klingt ja alles wirklich nach Pablo Held Trio und nach einer Pirouet-Aufnahme.

Ja, das freut mich, dass Du das so hörst. Wir wollen nichts plakatives liefern. Wir gehen gewissermaßen in uns selbst hinein. Wir wünschen uns, dass man uns folgt, dass man sich drauf einlässt und es eben nicht schnell abtut. Das ist ja etwas, was in der heutigen Zeit einfach zu kurz kommt. Sich mal Zeit nehmen, sich auf eine Stimmung einlassen... Wir hören die ganze Zeit Musik, beim Laufen, beim Lernen. Jeder hört auf jedem noch so kleinen Abspielgerät Musik. Es ist schön, dass es die Musik gibt, dass man sie hören kann auf so vielen Wegen, aber die richtige Wertschätzung dafür geht verloren. Selbst wenn man sich ne Jeans kaufen geht, muss man dabei Musik hören. Man nimmt es nicht mehr als etwas besonderes wahr. Daher finde ich es gut, wenn man den Zuhörer etwas aktiv kommen lässt. Ich glaube, man belohnt ihn dann einfach mehr.

Würdest Du die Stücke auf dem neuen Album überhaupt noch als Interpretation von Kompositionen bezeichnen?

Interpretation auf jeden Fall. Manchmal ist es mehr Variation als Interpretation. Aber in jedem Fall versuchen wir, dem eigentlichen Stück noch zu dienen. Beim Titel „Mountain Horn Song“ habe ich zum Beispiel eine Coda dran geschrieben, die noch etwas mit dem Material des Stückes spielt, aber auch eine neue Tür öffnet. Ursprünglich ist besteht das Stück aus einer Melodie über einem Orgelpunkt, ich habe hier gewisse Formteile in andere Tonarten transponiert, sodass daraus eine neue Akkordverbindung entstand. Es klingt natürlich immer noch nach dem „Mountain Horns Song“. Die Melodie bleibt fast gleich, sie ändert sich nur bei den Akkordwechseln. Gewissermaßen habe ich die Stücke durch unseren Filter fahren lassen. Es ist auf jeden Fall immer eine Verneigung vor dem Stück. Ja, und ich würde hier immer noch von Interpretation sprechen.

Aber von einer, die viel weiter reicht, als es ein klassischer Interpret tut, der vielleicht mal was bei der Dynamik, der Akzente oder beim Klang variiert. Könnte man dein Verfahren vielleicht in Bezug zu Bearbeitungsmethoden in der Alten Musik setzen? Da ist ja auch viel mehr erlaubt als in der Musik des 19. Jahrhunderts. Ganze Versatzstücke werden neu arrangiert, in neue harmonische Farben getaucht und paraphrasiert, etwa bei gregorianischen Chorälen? Irgendwie belebt ihr hier ja eine solche Herangehensweise für den Jazz ganz neu!

Stimmt. Das kann man so sehen. Bei manchen Nummern entfernen wir uns um einiges vom Original, bei anderen bleiben wir sehr nah dran. Etwa bei Strawinskis „Agnus Dei“. Bei einigen Stücken habe ich mir Akkordsymbole in die Noten reingeschrieben - als Hilfsmittel, um die Harmonik ggf. auch austauschen zu können.

Das hilft ja auch dem Hörer, musikalisches Neuland zu entdecken, wenn man also von Deinen Interpretationen ausgeht, um sich dann das Original zu erschließen. Ich bin auf jeden Fall jetzt angeregt, mal in die Messe von Strawinski hinein zu hören, von der ich überhaupt nicht wusste.

Das würde mich natürlich freuen. Ich mache es halt so, wie ich das schön fände. Wenn ich eine Bearbeitung irgendwo auf CD höre, kann ich diese manchmal erst so richtig wertschätzen, wenn ich mir auch das Original erschließe. Dadurch lerne ich für mich viel neue Musik kennen. Ich habe viel Neugierde. Und wünsche mir, dass meine Platten diese Neugierde auch auslösen. Wie muss die neue Platte sein, dass ich sie gerne hören würde? Ich denke da zugegebenermaßen weniger an den Zuhörer, sondern eher an mich. Obwohl das jetzt egoistisch klingt - aber das ist weit entfernt davon! Denn ich bin überzeugt, wenn es mir in erster Linie gefällt, dann kann es erst anderen gefallen. Andersrum würde ich mich doch total verbiegen. Dann würde es nicht mehr nach Pablo-Held-Trio klingen. Wir wollen weiterhin auf der Suche nach neuem Material bleiben und uns immer treu bleiben dabei.

Würdest du Dich freuen, wenn mehr andere Jazzmusiker diesem Beispiel folgen und sich noch mehr aus dem reichen Schatz der Musikhistorie bedienen?

Wenn es passiert, dann freue ich mich. Ich denke jetzt nicht dran, ob ich ein Beispiel bin für andere, das liegt mir fern. Hauptsache ist, dass ich mich freuen kann, etwas neues zu entdecken. Sei es ein Plattenstück oder eine tolle geschriebene Komposition, oder wenn ich auf ein Konzert gehe. Das kann vielleicht bei einem Konzert sogar eine ganz kleine Phrase sein, dann bin ich glücklich. Dann hat es sich schon gelohnt, auf das Konzert zu gehen oder die CD zu kaufen.

Markiert die neue Platte ein neues Reifestadium?

Ich würde sagen, dass jedes Mal, wenn wir zusammenspielen, etwas neues passiert. Einfach, weil es unsere Herangehensweise ist, uns nicht einfach auszuruhen, weiter zu suchen. Und das, was vorher passiert ist, anzuerkennen und darauf aufzubauen. Also auch immer und bei jeder Platte wieder bei Null zu beginnen. Und dass wir uns nicht darüber Gedanken machen müssen. Was wir haben, das sind wir: die drei Jungs, die jetzt seit fast 10 Jahren im Trio spielen und uns immer wieder neu herausfordern. Von dort ausgehend, können wir überall hingehen, wir müssen uns gar nicht immer Gedanken machen, das war jetzt der Meilenstein. „Recondia Armonia“ ist die siebte Platte, aber es geht direkt weiter.

Wer hatte die wunderbare Idee für dieses Cover?

Ich mache mir immer Gedanken, mit was man Improvisatoren oder Musiker vergleichen kann und ich bin dann irgendwie auf einen Kartographen gekommen, der unentdecktes Land erkundet. Wenn ich eine Komposition schreibe, könnte das eine Karte sein, auf der ich schon vorbestimme, wo es lang geht. Manchmal ist das Stück sehr ausformuliert und die Karte also sehr ausgemalt. Man weiß schon, wo alles ist, wenn man beginnt. Oder da führt einfach nur ein roter Faden irgendwo hin und dann ist da ein Fragezeichen. Vielleicht ist da ein Land, das man noch erkunden muss. Ich bin Fan von diesen alten Landkarten, das sind richtig schöne Kunstwerke. Irgendwie sehe ich so eine Karte auch als ein Symbol, da wir ja jetzt auch ältere Musik spielen. Aber ich habe in diesen Gegenden versucht, eigene Wege zu gehen und Wege zu finden, die es vorher noch nicht gab.

Aber ohne diese Landstriche zu kolonisieren, oder?!

Genau, vielmehr ist es eine Reise, auf der kann man neues lernen, aber auch weiter ziehen.

Ihr seid ja auch Bestandteile dieser Landschaft und zieht dort forschend umher. Vom Hindemith-Land durchs Mompeau-Gebirge und weiter durch die Strawinski-Ebene …

Genau, diese Idee habe ich an den Grafiker Konstantin Kern von Pirouet weitergegeben. Unglaublich, was der sich für Arbeit gemacht hat! Das ist alles von Hand gezeichnet und nicht am Computer erstellt. Von mir aus kann sich jemand die Platte bei itunes runterladen oder – noch schlimmer – bei spotifiy hören, aber er hat dann eben nicht diese Landkarte. Wenn ich eine CD kaufe, und das passiert oft, fast zu oft... lese ich das Booklet durch, schaue die Bilder an, da verschmilzt alles miteinander.

Aktuelle CD

Pablo Held Trio

Recondita Armonia

Pirouet 2015

Pirouet Records Vertrieb: NRW Vertrieb/

www.pirouet.com www.pabloheld.com/

Rezension unter

http://nrwjazz.net/rezensionen/2015/Recondita_Armonia_Pablo_Held_Trio_CD/

Nächste Livetermine des Pablo Held Trios in NRW

15.11.2015 Hagen / DE Emil Schumacher Museum Pablo Held Trio

21.01.2016 Gelsenkirchen / DE Consol Theater Pablo Held Trio

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