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​„Die Krise könnte eine Chance sein, aber...“

Stimmungs-Check bei Eckart Pressler

Duisburg, 12.05.2020
TEXT: Stefan Pieper | 

Eckart Pressler ist Konzertveranstalter aus Leidenschaft. Seine hauptsächliche Mission besteht darin, die Vielfalt des Jazz im Ruhrgebiet/NRW auf die Bühne zu bringen und dadurch Anstöße für die Musikkultur der Region und in Duisburg & Niederrhein zu geben. Auf circa € 32000 beziffert Eckart Pressler seine momentane Ausfallbilanz im Zuge der Corona-Krise: Vier Konzerte in der Säule mussten bislang gecancelt werden. Noch mehr ins Kontor schlagen die beiden abgesagten Großevents im Rahmen des MercatorJazz. Wenig optimistisch ist Pressler zurzeit, dass sich die vollmundigen Versprechungen aus der Politik in barer Münze auszahlen. Auch die neuen Lockerungen sind für ihn zunächst nur schöne Theorie. Denn einen behelfsmäßigen Konzertbetrieb unter den vielen kleinteiligen Corona-Regularien wieder einzufahren, hält er - nicht zuletzt unter dem zur Verfügung stehenden Budget - für kaum machbar.

Wie geht ihr mit der aktuellen Situation um?

Bis Ende August ist alles gecancelt. Der Herbst soll so bleiben wie schon geplant. Wir haben erste vorsichtige Überlegungen für 2021.

Hat sich die Gefühlslage zwischen den ersten Tagen des corona-bedingten Tätigkeitsverbots und jetzt bereits verändert?

Das anfängliche Staunen über die drastischen Verbote hat sich gewandelt in Verunsicherung und doch ziemliche Verärgerung über die undifferenzierten flächendeckenden und teilweise irrealen Einschränkungen des öffentlichen und kulturellen Lebens.

Was belastet am meisten?

Die oft skurrilen, eigentlich aber erschreckenden Maßnahmen, die demokratische Rechte und die Eigenverantwortung einschränken sowie die Aussicht auf die verheerenden wirtschaftlichen, finanzpolitischen und sozialen Folgeschäden. Wir werden den politischen Schlamassel Euro für Euro bezahlen müssen.

Ist ein finanzieller Schaden entstanden und wie hoch ist er ungefähr?

Für 4 ausfallende SÄULE-Konzerte sehe ich einen Schaden von 4 x 1.600 €. Für zwei ausfallende MercatorJazzkonzerte vermute ich ca. 2 x 13.000 € Ausfall. Stand heute ( ohne das, was noch kommen wird ) gut 32.000 €.

Wie bewertest Du das Verhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Politik?

Hier hat sich nichts geändert: Wie bisher auch schon schmückt sich ‚die Politik’ gerne mit Kultur, aber am Ende gehört sie zu den Letzten, die von den Hunden gebissen werden.

Wie haltet ihr Kontakt zu eurem Publikum und wie ist die Resonanz?

Über eMails, facebook und website. Positiv ist die Resonanz in Form von Spenden der Eintritts- und Abo-Gelder bzw. die große Geduld beim Warten auf eine Lösung: Rückzahlung oder Nachhol-Termin.

„Die Lokalpolitik verhält sich ignorant“

Wie gestaltet sich die Kommunikation mit Medien, Sponsoren und Lokalpolitik?

Mit der neuen Plattform ruhrtube.de versucht sich die freie Szene in Duisburg ein eigenes Medium aufzubauen. Die Sponsoren haben bisher noch keine Änderung ihrer Haltung gezeigt. Die Lokalpolitik verhält sich auch wie bisher: völlig ignorant.

Habt ihr Erfahrungen mit Solidaritäts-Aktionen gemacht? Was habt ihr unternommen und was ist dabei rausgekommen?

Null

In welchem Umfang hat es Ticketrückgaben gegeben?

Ganz minimal.

Welche öffentlichen Unterstützung seitens Stadt, Bund, Land wirken bereits?

Keine. Die einzig positive Entscheidung der städtischen Kulturbetriebe: die Förderung für ausgefallene AKZENTE-Festival-Events werden ausgezahlt. ( Die Gelder sind im Haushalt fest eingestellt. Wenn sie nicht ausgezahlt würden, verfallen sie! )

Was muss hier dringend verbessert werden?

Ohahhh – das ist’n ganz eigenes Thema und sprengt diesen Fragebogen. Gute Frage, nächste Frage

„Nur noch 17 Leute in der Säule, wenn die Abstandsregeln eingehalten werden“

Wie bewertet ihr die neuesten Lockerungen und wie stellt ihr euch darauf ein?

Für Konzertveranstaltungen kann ich keine Lockerung erkennen, sie bleiben bis auf weiteres, sprich nicht absehbare Zeit verboten. Die gewährten Ausnahmeregeln sind völlig unrealistisch umsetzbar für eh schon am Limit operierende Musiker und Veranstalter. Siehe oben: für die höchstens zugelassenen 100 Konzertbesucher wäre ein Saal von ca. 500 qm notwendig plus ein Vorraum für die Pause von gleicher Größe. Wie groß müssen die Toiletten und Garderoben sein? Wer kontrolliert den geregelten Zugang bei der Toilettenbenutzung? etc…

Was für besondere Vorkehrungen könntet ihr in eurer Venue treffen?

Von den 99 Plätzen der SÄULE sind meistens eh nur mit 40 – 50 belegt. Stühle auseinanderstellen bringt dann nur einen jeweiligen Abstand einer Stuhlbreite, entspricht ca. 50 cm. Bei Wahrung des sogen. Mindestabstands könnten wir maximal noch evtl. 17 Leute reinlassen, müssten aber dann den Eintritt verdreifachen auf etwa 40 €, um eine Aufwandsentschädigung für’n Trio oder Quartett zahlen zu können. SÄULE-Jazz würde damit zum Luxus-Gut…..

Wäre es denkbar, das Publikum zu reduzieren - wenn ja, auf welche Zahl und würde sich das noch rechnen?

s.o. - dies ist eine völlig abgespeckte Break-even-Berechnung. Sie deckt die reinen VA-Kosten und bringt dem Veranstalter selbst keinen Cent ein.

Beim Mercatorjazz sieht die Sache noch gravierender aus. Wir könnten den kleinen Saal mit 500 Plätzen nicht mehr bespielen, weil die Einnahmen die anfallenden Kosten nicht deckten. Zur Zeit versuchen wir zu errechnen, ob wir auf den großen Saal mit 1.200 Plätzen rechnerisch und abstandsmäßig ausweichen können. Dies könnte nach heutigem Stand nur gelingen, wenn der Hallenbetreiber die Mietkosten corona-bedingt auf die Hälfte kürzt. Vielleicht kriegt ja wenigstens die arme Halle ;-)) eine staatliche Krisen-Förderung ?? Wenn allerdings die kursierende Zahl von 4 qm/ pro Besucher geforderte Abstandsfläche tatsächlich angesetzt würde, dann müssten wir gar nicht erst auspacken, weil wir gleich wieder einpacken könnten…

Konzertbesuch und Maskenpflicht? Kann das zusammen gehen?

Klar doch, schließlich gibt’s den „Maskenball“ schon seit über einem Jahrhundert, oder nicht?

Wie stehst Du zum Verschieben der Konzerte?

Verschieben immer, wenn die Bands einverstanden sind. Ist aber reichlich kompliziert, weil derzeit alle auf dem Verschiebebahnhof unterwegs sind. Die Bands haben bisher durchweg positiv reagiert, auch wenn noch ziemliche Unsicherheit besteht, wann und wie ein Ende der Einschränkungen sicher zu erwarten ist.

Fürchtest Du einen Overkill an Veranstaltungen in der zweiten Jahreshälfte?

Ja gewiss, der wird kommen. Und hinzu kommt ein möglicher ‚Gagenkrieg’.

Was für positive Erfahrungen sollten auch nach der Corona-Krise weiter genutzt werden?

Ich könnte mir vorstellen/ würde mir wünschen, dass die Erfahrung vom Wegbrechen der Jazzkultur beim Publikum die Wertschätzung des Jazz und Verwandtem deutlich erhöht inkl. der Bereitschaft, dass sich Leute mit gesicherten guten Einkommensverhältnissen für mehr Mäzenatentum entscheiden, um Spielstätten oder auch Bandprojekte zu fördern, statt ihr Geld auf Kreuzfahrtschiffen aus den Bullaugen zu werfen. Diesen Gedanken müsste man aber erst mal freundlich, aber großflächig und werbewirksam verbreiten.

„Lieber gute Imagevideos statt Streaming-Konzerte!“

Führen Streaming-Konzerte zu einer Zerstörung der Livemusik-Szene oder sind sie ein überfälliges Marketing-Instrument, von dem der Livesektor noch profitieren wird?

Zu besonderen, auch kurzfristigen Anlässen sind Streaming-Konzerte sicher sinnvoll, aber generell finde ich sie eher nervig. Das Empfinden eines Live-Kulturerlebnisses ist durch nichts zu ersetzen. Was sinnvoll im Netz ist und dringend kräftig gefördert werden sollte: Band- und Projektvorstellungen mittels kurzer Videos – als Entscheidungshilfe für Veranstalter und Publikum.

Kann die Krise eine Chance für die Solidarisierung zwischen Starken und Schwachen sein?

Kann- ja, aber….

Ändern diese aktuellen Entwicklungen etwas an Deiner Einschätzung der Lage?

Schwerlich – wenn ich mir nichts vormachen will. Es bleibt ein wenig Hoffnung, dass mit der 14-täglichen Veröffentlichung neuer Corona-Verordnungen vielleicht die Anzahl der zugelassenen Besucher größer und der Mindestabstand irgend wann mal kleiner wird.

Vielleicht auch dies: Dass es für die Künstler, Musiker und ihre Veranstalter doch noch ein effektives Förderprogramm durch den Bund über die Länder und Kommunen gibt. Davon jedenfalls stand heute etwas in der Zeitung. Vielleicht ein frommer Wunsch?

www.pressler-events.de

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