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Zwischen Soundcheck und Auftritt

Bugge Wesseltoft im Gespräch im stadt.bau.raum

Gelsenkirchen, 17.04.2014
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Ingo Marmulla

Zweigeteilt hatte Bugge Wesseltoft seinen Auftritt im Gelsenkirchener stadt.bau.raum und damit eine Momentaufnahme seines momentanen künstlerischen Standpunktes wiedergespielt. So hat der Norweger eine längere „akustische“ Schaffensphase hinter sich. Die Zukunft soll aber wieder den elektronischeren Spielarten seiner Kunst gehören – entsprechend verwies der zweite Konzertteil auf einen solchen Klangkosmos. Im nächsten Jahr soll ein neues Album folgen, das ebenfalls diese Richtung einschlägt. Und zwischen Soundcheck und Konzertauftritt hatte der sympathische Norweger alle Zeit für ein Interview.

SP: Bist du direkt aus Norwegen gekommen?
BW: „Ja, tatsächlich, bin ich. Ich hatte dasselbe Konzert an einem Ort in Norwegen gespielt und bin heute schon um drei Uhr morgens aufgestanden, habe dann einen Bus nach Oslo genommen und bin dann nach Gelsenkirchen gekommen.“

SP: Was hast du heute für deinen Auftritt im Gelsenkirchener Stadtbauraum geplant?
BW: „Was ist der Plan für heute? Ich war in den letzten zwei Jahren vor allem mit solistischen Akustik-Projekten beschäftigt. Aktuell arbeite ich wieder an einem neuen Laptop-Elektronik-Set. Sowas mache ich ja sowieso immer. Deswegen mache ich heute beides. Die erste Hälfte wird akustisch sein, die zweite Hälfte dann elektronisch."

SP: Also bist Du jetzt gerade in einem Übergangsstadium und daran lässt du das Publikum teilhaben?
BW: „Ja. Ich habe dieses akustische Projekt mehrere Jahre entwickelt. Jetzt bin ich an einem Punkt, wo das wieder vollendet ist und etwas Neues anfängt.“

SP: Als du vor einigen Jahren zum ersten Mal Jazzstandards für ein Album interpretiert hast, war dies ein radikaler Wendepunkt nach einer elektronischen Phase?
BW: „Für den Zuhörer war dies ein auffälliger Break, aber für mich überhaupt nicht. Ich bin mit der alten Musik aufgewachsen. Ich habe die Standards immer gespielt, aber meistens nur zu Hause, ich spielte sie nie in Clubs oder Konzerten. Aber ich spiele diese Jazzmusik, seit ich Klavier spiele.“

SP: Bist du von familiär geprägt?
BW: „Mein Vater ist ein Jazzgitarrist. Ich bin aufgewachsen und hab das immer gehört. Aber dann beschloss ich, meine eigene Musik zu machen. Und da passte es einfach nicht, Standards von früher zu spielen, es fühlte sich nicht gut für mich an. Das ist Musik, die in ihre Zeit und ihre Geschichte hinein passt. Ich wollte meine eigene Musik finden - und vor allem keine amerikanische Musik kopieren! Ich war sehr stark durch elektronische Musik beeinflusst. Aber vor circa 4 bis 5 Jahren wurde mir bewusst dass ich viele alte Standards immer noch sehr liebe und daher auch regelmäßig übe.“

SP: War das so eine Art Übungsmaterial, um im musikalischen Vokabular fit zu sein?
BW: „Ja, so kann man es nennen, aber es hat auch eine starke persönliche Note für mich, Stücke beispielsweise von Bill Evans zu spielen. Weil ich diese Musik liebe. Das sind wunderbare Songs.“

SP: Spielst Du auch klassische Klaviermusik?
BW: „Nein“

SP: Als du mit der New Conception of Jazz bekannt wurdest, markierte dies deine Identitätsfindung als Musiker?
BW: „Ja, so kann man es sagen. Ich suchte nach meiner Identität und hier kam sie richtig zum Ausdruck.“

SP: Wenn du spielst, muss Du sehr viele elektronische Prozesse koordinieren?
BW: „Ja, das ist schon recht kompliziert manchmal, alles zu koordinieren.

SP: In Norwegen sprechen fast alle Norweger wie Native Speakers.
„Klar, geht nicht anders, weil sonst niemand Norwegisch spricht. Und ich hab etwas Deutsch in der Schule gelernt.“

SP: Bist Du schon im Ruhrgebiet gewesen?
BW: „Ich war schon in Düsseldorf und in Bochum in der Christuskirche.“

SP: Bist du schon mit Gitarristen aufgetreten?
BW: In Norwegen habe ich eine Hammond Orgel, und damit habe ich mit verschiedenen Gitarristen zusammengespielt.

SP: Erzählt mir noch mal mehr über diese Phase, wo du mit Elektronischer Musik in Berührung gekommen bist, wie du dich für diese ganzen Beats und Sounds geöffnet hast.
BW: „Es war eigentlich ein völlig natürlicher Prozess. Ich hatte für lange Zeit gar kein Piano - aber ein Fender Rhodes und einen Synthesizer und auch einen Computer bevor ich wieder ein Klavier gespielt habe. Ich war also viel mehr in elektronischer Musik als in akustischer Musik Ich war erst 22 als ich ein Piano kaufte. Erst danach bin ich in die Welt des akustischen Klavierspiels so richtig eingetaucht.

SP: Wenn ich mir deine unterschiedlichen Platten anhöre, denke ich, dass Du ein großer Idealist bist, wenn es um den Sound, dessen physische Wirkung und dessen Atmosphäre geht.
BW: „Klar, der Sound ist mindestens so wichtig wie die Musik selbst. Wenn du ein Album anhörst, ist dir das nicht immer bewusst. Aber der Sound ist ein viel wichtiger Part, als du in diesem Moment denkst. Auch um nochmal über Gitarristen zu sprechen, man identifiziert sie zuerst über den Sound . Das ist der wichtigste Teil der Musik.“

SP:Würdest du sagen, dass die Techno Bewegung ein neues Soundbewusstsein geschaffen hat?
BW: „Ich würde sagen, es entstand ein gewandeltes Bewusstsein. Klar, alles was im Umfeld der Drum Maschine entstand repräsentierte einen neuen Sound , den ich unglaublich mochte.“

SP: Wenn ich viele Stücke von dir höre, achtest du ja auch drauf, nicht zu viele Noten zu spielen. Also den Hörer nicht in labyrinthische Strukturen zu verirren, sondern dafür umso besser auf den Punkt zu kommen, um die atmosphärische Wirkungen zu verdichten. Würdest du hier auch eine stärkere Betonung auf die klangliche Wirkung sehen bei gleichzeitiger Ökonomie der musikalischen Strukturen?
BW: „Ich wollte schon immer jenen Jazzmusikern etwas entgegensetzen, die ganz viele Noten spielen. Es kann für mich nicht darum gehen, nur möglichst schnelle Soli zu spielen. Für mich geht es im Jazz nicht darum. Ich betrachte Musikmachen eher als eine kollektive Improvisation. Man kann in der Hinsicht viel von früheren Bands lernen. Wenn du dir den alten Jazz anhörst, ist das Ganze viel mehr eine kollektive Improvisation. Viele Formationen im modernen Jazz laufen auf einen Solisten hinaus - und die übrigen Musiker bleiben im Hintergrund. Ich möchte in meinen Bands, dass jeder gleich ist. Improvisation im Jazz ist für mich ein großes Ganzes.“

SP: Und wie erlebst du dann die Situation, wenn Du wie hier im stadt.bau.raum solistisch spielst? Bist Du dann unter Mitwirkung der Elektronik deine eigene Band?
(lacht)
BW: „Nein, nicht wirklich. Solistisch spielen ist nochmal ne ganz andere Herausforderung. Ich bin auch immer ganz nervös vorher. Vor allem solistisch und akustisch zu spielen bedeutet eine sehr starke Konzentration. Mit einem ganzen Maschinenpark um mich herum ist es etwas einfacher. Die Schönheit von Sound drückt sich aber vor allem in einem unglaublich guten Pianosound aus, indem man sich entspannt fallen lassen kann. Der entfaltet sich erst so richtig, wenn ich alleine spiele. Wenn du noch Bass, Drums oder Blasinstrumente hast, ist es schwierig, so einen guten Pianosound hinzubekommen. Meine Soloklavierprojekte beschäftigten sich daher mit dem Sound des Pianos.“

SP: Wenn das Klavier mit Elektronik zusammenkommt, wo liegt da die Herausforderung?
BW: „Ich finde es gar nicht so herausfordernd, sondern einfach nur interessant. Ich bin ja kein ausschließlicher Klavierjazzer und kein ausschließlicher Elektronikmusiker. Es war immer die Kombination aus beidem, mit der ich gearbeitet habe. Ich habe noch nie ein rein elektronisches Album gemacht und habe dies auch künftig nicht vor. Mich reizt viel mehr die Mischung, die Verbindung. Und nicht nur, was das Resultat betrifft, sondern auch die Spielweise, die sich hieraus ergibt. Die Drummachine produziert eine durchgehende Struktur. Und mit dem Piano habe ich grenzenlose Freiheit, ganz viel Drumherum zu spielen und zu gestalten.“

SP:Ist dass nicht eine sehr harte Angelegenheit vom Timing her, das eigene physische Spiel mit einer Maschine zu synchronisieren?
BW: „Nicht so…das mache ich ja von klein auf. Und ich will diesbezüglich immer so offen wie möglich sein, und mich nicht mit den verschiedensten Ausprägungen elektronischer Musik befassen, alles von Breakbeats über House bis Techno Musik.“

SP: Willst du den Aufbruchsgeist, den die experimentelle elektronische Musik in den 90ern hatte, weiterleben lassen und in die Zukunft transformieren?
BW: „Daraus sind ja heute die populärsten Musikrichtungen entstanden. Vieles ist Mainstream geworden, aber es gibt trotzdem eine Menge interessanter Richtungen. Ich habe schon in den späten 70ern Hiphop und Rapmusik angehört, lange bevor sowas populär wurde.“

SP: Wie kommen die Drumbeats und Elektroniksounds bei diesem Konzert zusammen?
BW: „Das interessante an meinem neuen Projekt ist, dass ich alles live und von Hand erzeuge. Ich kann alles improvisatorisch in Echtzeit aufbauen, ich freue mich über die unglaublichen Möglichkeiten dieser Arbeitsweise. Ich beginne auf dem Klavier mit einer Spielfigur, dann erzeuge ich ein rhythmisches Muster daraus und kann alles mögliche damit machen. Nichts ist geplant oder vorher festgelegt - ich kann mich völlig frei im Fluss meiner Ideen bewegen.“

SP: Wo kommen die Sounds und Samples her?
BW: „Ich mache alles selbst , die Sounds und die Drums, alles von Beginn. Ich habe zwei Drummachines, eine virtuellen Drumcomputer als Laptop Software und eine festes Gerät.“

SP: Und Sequencer, die aus allem selbsttätige Texturen bauen, damit du wieder die Hände für anderes, neues frei hast?
BW: „Klar.“

SP: Du hast aber einiges zu kontrollieren und zu organisieren?
BW: „Ja, ist schon kompliziert.“

SP: Ist dir schon mal was abgestürzt auf nem Auftritt?
BW: „Oh ja, (lacht!) aber ich hab ja immer noch das Klavier, und das funktioniert immer!“

SP: Ich denke die Zeit ist reif für eine sehr umfassende Frage! Was bedeutet Jazz für dich?
BW: Es bedeutet vor allem Improvisation für mich. Es gibt kaum eine andere Kunstform, wo das Publikum direkt dabei ist, dran partizipiert, wenn etwas neues passiert, im Hier und Jetzt passiert. Das sollten wir nie vergessen. Das ist der große Unterschied zu einem Rockkonzert, wo man Songs hört, die schon vorher gespielt worden sind. In Jazzkonzerten kann man Dinge erfahren, die so noch nicht vorher gespielt worden sind. Und das Publikum ist Teil dieses Prozesses.

SP: In was für einen Bewusstseinszustand willst du das Publikum heute hineinbringen
BW: Das hängt davon ab, wie gut ich bin. Ich gebe einfach nur mein Bestes. Ich freue mich einfach nur, wenn die Zuhörer in meine Musik hineinfinden. Und ich freue mich, dass ich an so einem interessanten Ort wie dem stadt.bau.raum spielen kann.

 

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