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Zappa-ism

Gespräch mit Tom Fowler und Robert (Bobby) Martin

Herne, 28.04.2014
TEXT: Ingo Marmulla | FOTO: Ingo Marmulla

Ende März 2014 waren die Zappamusiker „Banned from Utopia“ in der Kulturbrauerei Hülsmann zu Gast. Vor dem denkwürdigen Konzert in Wanne-Eickel hatte ich Gelegenheit mit den beiden Musikern Tom Fowler und Robert (Bobby) Martin zu sprechen. Vom Tourmanager wurde ich zunächst Tom Fowler vorgestellt, dem Bassisten der „Banned“, mir bekannt alsdemBassisten der klassischen Zappa-Platten:Over-NiteSensation(erstes Goldalbum der Mothers of Invention),Apostroph (’), Roxy & Elsewhere, One Size fits All, Bongo Fury(Zappa & Captain Beefheart). So stehe ich nun unvermittelt einem Musiker gegenüber, der mit 62 Jahren nicht sehr viel älter als ich ist, aber als junger Musiker mit Anfang zwanzig schon bei den legendären „Mothers of Invention“ gespielt hat. Sein ältester Bruder Bruce (Posaune), der bei 23 Platten von Zappa mitgewirkt hat, dürfte dabei wohl Pate gestanden haben. Mit sechs Jahren hat Tom Geige gelernt, mit 13 Kontrabass und mit 16 ist er, der jüngere Spross einer Jazzmusikerfamilie aus Salt Lake City, zum E- Bass gewechselt. Die „Fowler Brothers“ werden zum Markenzeichen. Als junger Mann spielt er mitIt’s a Beautiful Day, bevor ihn sein Bruder zu den „Mothers of Invention“ vermittelt. In der Formation war damals niemand anderes als George Duke und der legendäre John Luc Ponty, mit denen Tom auch später noch Platten aufnahm, sowie Ian und Ruth Underwood. Letztere drückte mit ihrem Marimbaphon der Band ihren Stempel auf. Ab 1993 war Tom Fowler übrigens der reguläre Bassist von Ray Charles. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl einem derart quirligen Menschen gegenüber zu stehen, der mich direkt anspricht: Was willst Du denn wissen? Welche Fragen soll ich beantworten? Ich weiß auch nicht alles! Soll ich Dir was über geheime Sexpraktiken erzählen? Ich antworte: Ne, das eigentlich nicht. Ich wollte Dich eigentlich nur fragen, ob ich unser Interview mit meinem iPhone aufnehmen kann? Tom muss lachen und ich versuche mein Gerät in Bereitschaft zu setzten. Hinterher stellt sich allerdings heraus, dass ich es nicht geschafft hatte... Er holt sein eigenes Smartphone heraus und meint: Nimm doch dieses ...!
Unser Gespräch beginnt:

Tom, erzähl doch mal, wie gestaltete sich denn Deine musikalische Zusammenarbeit mit Frank Zappa?

Tja, damals wohnte ich in Hollywood. Und morgens begann für uns Musiker ein typischer Arbeitstag. Wenn wir nicht auf Tour waren, begann vormittags unsere Probentätigkeit, die allerdings gut bezahlt wurde. Häufig probten wir Franks neue Stücke schon ohne ihn ein. Für den Bass gab es meist aufgeschriebene Akkorde, die ich frei ausspielen konnte, Unisonoläufe natürlich ausgenommen. Frank kam dann später dazu und hörte sich alles an, was wir in seinem neuen Studio so an „Zappamusik“ erarbeitet hatten und teilte uns dann seine Änderungswünsche mit. Schließlich gingen die Proben weiter, so bis in den Abend hinein. Alles wurde aufgenommen.

Da hat sich die Musik sicher ständig verändert.

Ja, das könnte man so sagen. Ich erinnere mich noch genau an eine ganz langsame, spannende Version von „Inka Roads“, die mit der späten Plattenversion wenig gemein hatte. Er hat sich die Bänder nach den Proben angehört und kam dann am nächsten Tag mit den aktuellen Variationen.

War Zappa denn der uneingeschränkte Boss, oder konnte man sich entsprechend einbringen?

Er war der Chef, wir wurden von ihm bezahlt. Die Leute meinten, er wäre ein Superfreak gewesen. Dieses Bild ist total falsch. Er rauchte zwar ständig, aber nur Zigaretten. Heute wissen wir, dass das auch sehr ungesund war... Nein, er warviel mehrGeschäftsmann, als man hätte annehmen können. Was die Musik betraf, hörte er sich an, was man gerade spielte. War das ok, dann beließ er es dabei, ansonsten musste es eben so gespielt werden, wie er wollte.

Viele seiner typischen Unisonoläufe sind sehr eigen und recht kompliziert zu spielen!

Ja, das stimmt. Er hat sich in seinen frühen Jahren neben klassischer Musik viel mit der Musik Indiens beschäftigt. Wenn man das weiß, sieht und hört man diese Melodien in einem anderen Licht. Sie erinnern auch an Ragas und Talas der Östlichen Musik. Ich meine die Achtel- und Sechzehntelketten mit den Taktverschiebungen...

Wo du gerade von „Inka Roads“ sprichst, das ist ja ein markantes Stück auf „One Size fits All“, eine Platte, die wir damals sehr häufig gehört haben - kannst Du mir da was zu dem deutschen Text von „Sofa Nr.1“ sagen? Du weißt doch: „Du bist der Dreck unter meinen Walzen, mein geheimer Schuh...“

Es folgt ein kleines Gesangsduett mit Tom und Ingo: „ mein verlorenes Metallgeld, Metallgeld ...“

Tja, so genau weiß ich das auch nicht. Es scheint dabei vielleicht um sein zwiespältiges Verhältnis zu Frauen im Allgemeinen zu gehen. Ich glaube, er hatte da keine besondere Wertschätzung gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Das ist vielleicht so eine dunkle Seite von Frank. Die Folge war im Übrigen, dass der überwiegende Teil des Publikums aus Männern bestand. Das fand ich immer sehr schade... (schmunzelt)

Das war vermutlich später bei Ray Charles ganz anders!

Ja, es war genau umgekehrt. Er konnte die Frauen betören, er war ein Womanizer wie er im Buche steht! ... Wenn er den Damen so über die Hand strich ... Er war den Musikern gegenüber sehr rau, aber mich hat er immer wieder angerufen. Vermutlich, weil ich alle seine Stücke so gut kannte.

Ihr habt in den 90ern mal in Gelsenkirchen im Revierpark Nienhausen gespielt, nicht weit von hier. Leider war ich unterwegs und konnte das Konzert nicht sehen...

Ja, tatsächlich, ich erinnere mich. Da lief mit der Verstärkung alles schief. Ich glaube, das war ein ganz schrecklicher Job. Die Leute konnten nichts richtig hören, die Anlage fiel aus und das Publikum wurde richtig sauer ... Aber was Verstärker und PA-Systeme anbelangt, war Ray sowieso ein schwieriger Mensch. Er mochte z.B. keine Monitorboxen auf der Bühne. Ich stand immer neben ihm. Für mich war das schon in Ordnung. Aber die anderen Musiker in der Band konnten nichts hören. Für die war das nicht so toll...

Ray White meldet sich von der Seite:Er ist in den kleinen und mittleren Clubs groß geworden. Da brauchte man das ja auch noch nicht. Es klingt ja auch viel besser! Er mochte vermutlich diese großen Bühnen mit den riesigen Anlagen gar nicht.

...

Fortsetzung des Interviews:
Nach dem Soundcheck geht die Band zum Essen und um sich frisch zu machen ins nahe gelegenen Hotel. Bobby Martin ist als Erster wieder im Saal. Man merkt deutlich, dass er die Band leitet. Er checkt schon mal die Lage vor dem Auftritt. Robert (Bobby) Martin agiert schon seit Jahrzehnten professionell. Zunächst als Hornspieler beim Philadelphia Orchestra, dann zunehmend mehr im Popbereich mit Saxophon, Keyboard und Gesang. Er nahm neben Zappa mit sehr vielen internationalen Musikstars auf. Die Liste der Namen, mit denen er arbeitete, ist lang: Bette Midler, Paul McCartney, Michael McDonald, Stevie Nicks, Etta James, Wilson Pickett, Sheila E, Blues Brothers, Moody Blues, David Sanborn, Patti LaBelle, Bonnie Raitt, Glenn Frey ... Da noch genügend Zeit bis zum Auftritt ist, nutze ich die Situation und frage ihn, ob er jetzt einen Moment Zeit zum Gespräch hat:

Ja, jetzt scheint der Zeitpunkt ideal!

Bobby, Du bist der Bandleader dieses Zappa-Projektes. Kann man das so sagen?

Ja, ich habe die Band wieder zusammengebracht. Wir kamen das erste Mal 1994 für zwei Konzerte in Deutschland zusammen, sechs Monate nach Franks Tod. Wir nannten die Gruppe damals „Band from Utopia“, in Erinnerung an die LP „Man from Utopia“. In den nächsten Jahren haben wir einige Konzerte gegeben, zum Beispiel in LA. Da war auch ein Konzert in 1997, mit dem Israel Sinfonieorchester. Die Musiker wechselten häufiger, je nach Termin und Verfügbarkeit. Dann lief die Sache aus bis vor einem Jahr, wo ich auf der „Zappanale“ in Bad Doberan spielte. Norwegische Fans sagten mir nach dem Konzert, es solle dort ein neues Festival geben, das „Zappa-Union-Festival“, und sie fragten mich, ob ich nicht den Headliner machen wollte. Das lief gut an und sie sagten mir auch, ich solle mit einer ganzen Zappa-Band wiederkommen. Und ich sagte mir, hm, bring doch die „Band from Utopia“ wieder zusammen. Wir änderten dann noch den Namen in „Banned from Utopia“, weil wir Konflikte mit dem Zappa-Family-Thrust vermeiden wollten. Das war der Anfang der Idee und ich telefonierte mit verschiedenen Bandmitgliedern. So waren wir die Headliner im August 2013, tourten im November des Jahres durch Norwegen und sind jetzt für weitere zwei Wochen in Europa, und nochmals im kommenden November. Dann soll die Tour aber ausgiebiger sein. Wir haben eine tolle Rückmeldung bekommen, die Zuschauer sind begeistert. Das ist doch wunderbar... Ich kann mit einigen der besten Musiker der Welt jeden Abend auf der Bühne stehen.

Aber diese Band ist nicht die originale letzte Zappa-Formation...?

Nein, die Musiker wechseln schon. Wir hatten zum Beispiel Ralph Humphrey am Schlagzeug und Mike Miller an der Gitarre. In der Herbsttour hatten wir Morgan Ågren, einen brillianten schwedischen Schlagzeuger, der ebenfalls mit Zappa produziert hat und mit uns auf der 88er Tour in Stockholm war, zusammen mit seinem Musikpartner Mats Oeberg, einem fantastischen Keyboardplayer (Mats & Morgan Band). Frank hatte ihn für einige Projekte eingeflogen und war von ihm begeistert. (1994 Grammy AwardZappa's Universemit Steve Vai). Er ist also auch ein wirklicher Zappamusiker. Mike Miller war kein Zappamusiker, aber der spielte schon mit Chick Corea, ein wirklich umwerfender Gitarrist.

Also wechselt es schon mal in der Band, aber Du bist der Motor.

Ja, das könnte man sagen. So, und nun haben wir Chad Wackerman und Arthur Barrow. Die meisten kennen Arthur als Bassmann. Er ist aber eigentlich Gitarrist, bevor er Bass für Zappa spielte. Er spielte z.B. einige Gitarrensoli fürJoe’s Garage. Nun kommt er zu seinen sechs-saitigen Wurzeln zurück. Diese Besetzung ist wirklich wunderbar, wir haben riesigen Spaß. Aber alle Musiker, die bislang dabei waren, passten gut zusammen.

Hast Du von all euren Stücken die originalen Noten?

Ich habe mein Zappa-Book aus der Zeit, als ich mit ihm in den 80ern unterwegs war. Und Arthur war Klone-Meister, als ich in die Band kam. Er war sozusagen Franks Klon, musste die Proben am Tage zu leiten, bis Frank am Abend dazu kam, um sich alles anzuhören und verschiedene Veränderungen vorzunehmen. Und als Klone-Meister hat Arthur natürlich viel mit den Partituren zu tun gehabt. Ich persönlich habe noch eine originale mit Bleistift geschriebene Zappa-Partitur: „Cruisin’ for Burgers“ in meinem Besitz. Frank hat sie mir geschenkt. Das ist für mich natürlich eine kostbare Erinnerung und im ideellen Sinne wertvoller Besitz.

Du hast viel Jahre mit Zappa zusammen musiziert und gearbeitet. Wie würdest Du ihn als Person beschreiben? Weißt Du, wir hatten als Teenager eine völlig falsche Vorstellung von ihm. Er war für uns der „Freak-Out“ in Person. Das stimmte ja absolut nicht!

Nein, Nein. Mit Drogen hatte er absolut nichts zu tun. Bevor ich die erste Tour 1981 antrat, hatte jeder von uns vertraglich zu versichern, dass keinerlei Drogen oder Alkohol vor oder während des Konzertes genommen würden. Sonst wären wir gefeuert! Er war der Meinung: Bleib fern von Drogen, sie machen dich dumm, sie machen dich manipulierbar für das Establishment! Vielleicht hast Du schon von Musikern gehört, die Drogen vor den Studioaufnahmen genommen haben und sich hinterher wunderten, wie schlecht das Ergebnis war. Ja, er war total gegen Drogen. Und das ist schon interessant, viele Leute meinen, er war der totale Freak, aber das war absolut nicht der Fall. Er war immer auf der Suche und schrieb ständig neue Musik.

War er ein Workaholic?

Ja, absolut. Wo auch immer eine Pause zur Verfügung stand, nahm er sein Notenpapier raus und schrieb.

Schrieb er gewöhnlich mit seiner Gitarre?

Nein, meistens aus dem Kopf heraus. Wenn man weiß, wie die Intervalle klingen, benötigt man kein Instrument mehr, kein Keyboard und keine Gitarre.

Da kommen wir zu den Musikern, die er sich aussuchte. Ich habe gehört, dass es diese langen Vorspiele gab, bevor jemand in die Band kam. Besonders die Notenkenntnisse waren da von Bedeutung. Konnte er eigentlich selbst auch so perfekt Noten lesen...?

Tja, das war niemals seine Aufgabe in der Band. Er komponierte und spielte die Soli. Er war ein guter Musiker, aber er musste nicht die Dinge spielen, die er für uns schrieb...

Du kommst unter anderem von der klassischen Musik (Waldhorn). Was denkst Du über Zappa und klassische Musik?

Ja, es gab eine Reihe unterschiedlicher Einflüsse. Als junger Mann war er sehr beeinflusst von Edgar Varèse, einem wichtigen Komponisten der Moderne.

Ja, und Zappa schrieb ein Stück für Fahrräder ...

Er hörte sehr unterschiedliche Musik und brachte Dinge zusammen. Er hörte Pop, R&B, Jazz etc. und wir als Musiker sollten es auch tun, offen sein und die interessanten Dinge aufgreifen und einbauen... Das passierte auch während der Konzerte. Er gab uns manchmal Handzeichen und leitete damit mitten in einem Heavy Metal-Sound über zu einem neuen Stil: Reggae oder was auch immer.

Wie würdest Du heute die Musik von Frank Zappa musikalisch einordnen. Wo siehst du Zappas Musik im Jahr 2014?

Du kannst die Musik nicht in eine Kategorie packen. Sie ist ausgesprochen vielfältig. Er hat sich musikalisch immer sehr weiträumig bewegt.

Und die Musik, die ihr heute spielt? Ist es das Repertoire einer bestimmten Periode?

Nein, wir spielen Musik sowohl aus dem ersten AlbumFreak Outbis zu den letzten Aufnahmen. Und wir haben auch die entsprechenden Musiker. Tom (Fowler) geht zurück bis zum Jahr 1973 und Ed (Mann) fing in den Mid70th an... Chad und ich kamen 81 dazu, so dass wir Musiker für das gesamte Spektrum haben.

OK! Danke, für dieses nette und informative Gespräch. Ich glaube, ich sollte Dir noch eine kleine Pause vor dem Konzert lassen und wünsche euch viel Spaß heute Abend.

Als ich mich von den Musikern verabschiede, ruft mir Tom noch zu: „Stopp, du musst noch warten!“ Ich denke: „Nanu, was ist los?“ Mit einem Lächeln überreicht er mir seine neue CD „Tom Fowler Interface“ und wünscht mir viel Spaß beim Hören. Zufälligerweise kann ich kontern, greife in meine Fototasche, schenke ihm meine neueste Einspielung und wünsche ihm das Gleiche...

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