Ystad Sweden Jazz Festival
Alba Armengou “Star from Barcelona“
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Rising Star Alba Armengou aus Katalonien, Sängerin und Trompeterin, spielte in der Klosterkirche Ystad ein beeindruckendes Konzert und gab Uwe Bräutigam ein Interview.
MUSIKERIN MIT ENERGIE
Alles war etwas turbulent. Alba Armengou sollte mit ihrem Trio den ersten Festivaltag mit einem Spätkonzert in der mittelalterlichen Klosterkirche beenden. Aber der Percussionist Tramel Levalle war erkrankt und konnte nicht auftreten. Alba und der Gitarrist Vincente López entschieden als Duo aufzutreten.
Alba und Vincente sind ein eingespieltes Team. Im Interview erzählte Alba, das sie und Vincente alle Stücke ihres Debütalbums “Susurros del viento“ (2023), das Flüstern des Windes“ gemeinsam geschrieben haben. Jede*r brachte seine Ideen mit und dann haben die beiden miteinander improvisiert und alles auf Ipad aufgenommen. Meist waren die Texte zuerst da und dazu wurde die Musik entwickelt. Die Anregungen kamen aus dem Alltag, die Erinnerung an eine Person, die Abhängigkeit von Handies und anderen elektronischen Medien und natürlich auch die Liebe waren ihre Themen.
Mit dieser großen Vertrautheit war es kein Problem, dass die beiden als Duo an Stelle des Trios auftraten. Das Duo-Format, das noch intimer ist als ein Trio, passte wunderbar in das alte Klostergebäude. Man konnte sich keinen stimmungsvolleren Ort für die Musik von Alba Armengou vorstellen. Alba und Vincente nahmen sich sehr viel Zeit für den Soundcheck, das Konzert wurde vom Schwedischen Radio mitgeschnitten. Während des Soundchecks sammelte sich schon eine lange Schlange an Menschen, die auf Einlass zum Konzert warteten. Auch ich wartete gespannt, da das Interview auf Albas Wunsch zwischen Soundcheck und Konzert stattfinden sollte. Nach dem langen Soundcheck wollte ich Alba etwas Pause gönnen, aber sie war sofort bereit für das Interview. Da es in der Kirche zu unruhig war, gingen wir in den Klostergarten. Mittlerweile war es bereits nach 22 Uhr und Alba hatte einen langen Tag hinter sich, sie kam aus Deutschland und war schon seit drei Uhr in der Frühe auf den Beinen. Aber die zierliche 22 Jährige war voller Energie und kein wenig erschöpft.
WUNDERKIND AUS BARCELONA
Sie erzählte das sie mit drei Jahren mit musikalischer Früherziehung begonnen hätte und mit sechs Jahren begann Trompete zu spielen. Mit sieben traf sie auf Joan Chamorro, dem Leiter der Big Band von Sant Andreu. Ein Projekt zur Nachwuchsförderung. Mit sieben Jahren trat sie in die Big Band ein und spielte dort bis sie 18 war. Sie habe dort nicht nur musikalisch Sicherheit bekommen, sonder Bühnenerfahrung gesammelt und vor allem Selbstvertrauen. Dieses Selbstvertrauen ist beim nachfolgenden Konzert deutlich zu spüren. Sie spielt und singt wie selbstverständlich in der ausverkauften Kirche, ohne Pathos ohne Show, einfach so normal, als sei sie in ihrem eigenen Zimmer.
In der Sant Andreu Jazz Band sorgte Joan Chamorro dafür, dass sie nicht nur Trompete spielte, sondern förderte auch ihren Gesang und motivierte sie noch Saxofon zu lernen. Bei ihren ersten Auftritten war sie noch so klein, dass man sie auf Getränkekästen stehen lies, damit sie nicht völlig verdeckt wurde. Aber schon ihre ersten Solo Auftritte waren bemerkenswert, man spürte ihr Talent. Ihr ganzes Leben war von Musik geprägt, aber es gab auch noch Zeit für das kindliche Spiel mit Freund*innen. Sie habe nicht den ganzen Tag üben müssen.
MUSIK MIT MEDITERRANEM- UND LATINO FLAIR
Auf dem Konzert in der Klosterkirche war Musik aus Brasilien, Cuba, Spanien und Katolonien auf dem Programm, zusätzlich singt sie auch auf Englisch. In der Sant Andreu Jazz Band gab es extra eine Lehrerin, die den Sängerinnen die richtige portugiesische Aussprache beibrachte. Katalan und Spanisch sind die Muttersprachen der bilingual aufgewachsenen Alba. Das ist in Katalonien die Regel. Bei ihr kommt hinzu, dass ihre Mutter aus Gran Canaria stammt und deren Muttersprache Spanisch ist.
Die Stücke in dem abendlichen Konzert stammten meist aus den beiden Alben, Susurros del Viento von 2023 und Blancos y Grafitos von März diesen Jahres. Während siein der Sant Andreu Jazz Band auch viele bekannte Jazz Standarts neben Boleros und Bossa Novas spielte, hat sie sich nun ganz der katalanischen, spanischen und lateinamerikanischen Musik zugewandt. All diese musikalischen Tradionen fließen auch in ihre Musik ein.Wobei sie auch sehr kreativ damit umgeht. Ein Beispiel ist der SongEntant amb tu, den das Duo spielte und der von Alba allein geschrieben wurde. Sie erzählte, dass sie diesen Song nach einem Date voller Verliebtheit geschrieben habe. Aus diesem tiefen Gefühl heraus habe sie ihre Gitarre genommen und das Lied entwickelt. Es ist eine Habanera, eine Mischung aus Bolero und Habanera. Die Habanera ist ein typischer traditioneller katalanischer Stil, der aus Kuba kam und den die Seeleute spielten und sangen. Die Seeleute haben natürlich viel über die Liebe gesungen. Der erste Teil einer Habanera ist in Moll und in der bridge ist sie Dur. Alba hat dies umgekehrt und den A Teil in Dur und B Teil in Moll geschrieben.
EIGENE SONGS UND BOLERO AUS KUBA
Neben ihren eigenen Songs waren auch Latin Klassiker wie “Contigo en la distancia“ im Programm. Ein Bolero, der von dem kubanischen Sänger César Portillo de la Luz 1946 geschrieben wurde. Einer der beliebtesten Boleros aus Kuba, der vielfach gecovert wurde. Bekannt wurde der Song einem breiten Nicht-Latino Publikum durch Christina Aguilera, die ihn 2000 veröffentlichte. Alba schuf mit ihrer Version ein berührendes Lied, ganz ohne den übertriebenen Trennungsschmerz-Pathos von Aguilera.Auf dem Album “Blancos y Grafitos“ ist als Gastmusikerin Eva Fernandez, die ebenfalls in der Sant Andreu Band spielte. Alba lernte sie kennen, als sie sieben Jahre alt war. Eva Fernandez singt und spielt Saxofon. Alba ist zusammen mit den mittlerweile international bekannten Musikerinnen wie Andrea und Carla Motis, Rita Payes oder Èlia Bastida in der Sant Andreu Band aufgewachsen. Die Musikerinnen sind noch befreundet, sie teilen so viele gemeinsame Erfahrungen, aber sie sehen sich nicht sehr oft. Alle sind mittlerweile international aktiv und viel auf Tour, so dass sie sich nicht so oft treffen. Sie bilden keine direkte Szene in Barcelona. Davon abgesehen gibt es in der Stadt viele Jazzmusiker*innen und gibt auch unabhängig von den Sant Andreu Musiker*innen viele Szenen in Barcelona. Das Konzert in der Klosterkirche zeigte sehr deutlich, das Alba ebenso wie ihre früheren Mitmusikerinnen Rita Payes oder Andrea Motis mittlerweile alle ihre eigne musikalische Sprache gefunden haben. Obwohl sie im Interview Clifford Brown, als besten Trompeter benennt und Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan als große Jazz Sängerinnen erwähnt, orientiert sie sich zurzeit viel mehr nach argentinischer, brasilianischer und katalanischer Musik und deren Musiker*innen.
GITARRIST DER EXTRAKLASSE
Wenn über das Konzert gesprochen wird, dann muss unbedingt der wichtige Anteil, den der großartige spanische Gitarrist Vincente López aus Alicante an seiner akustischen Gitarre hatte, betont werden. Unglaublich einfühlsam spielte er seine Gitarre als Begleitung und eigene Stimme. Das Spiel vieler spanischer Gitarristen ist oft von den Figuren des Nuovo Flamenco dominiert. Dies war bei Vincente überhaupt nicht der Fall, obwohl er diese Musik ebenfalls bestens beherrscht.
Das Publikum in der Klosterkirche in Ystad war hingerissen von Alba und Vincente. Albas feiner unprätentiöser Gesang, mit ganz eigenständiger Phrasierung, ihr Trompetenspiel und ihre jugendliche Natürlichkeit nahmen das Publikum sofort für sie ein. Und dazu ein grandioser Gitarrist, der manchmal backing oder mit Alba im Duo sang. Mit Standing Ovations, nicht enden wollendem Beifall verabschiedete sich das Publikum in der Klosterkirche in Ystad von dem Duo Alba Armengou und Vincente López. Ein wirklich großartiger Abschluss des ersten Festivaltages und eines der Highlights des Festivals. Nach dem Konzert ging es für Alba und Vincente wieder zurück nach Barcelona, auch dort wartete ein Konzert auf sie. Danach möchte Alba sich ausruhen. Vielleicht ans Meer gehen oder in die Berge, aber vor allem Freunde treffen und mit ihnen Zeit verbringen und abschalten.
Das vollständige Interview (in englischer Sprache) wurde am 25.8. zusammen mit einigen Songs in der Sendung Jazz and beyond auf Radio 674fm ausgestrahlt. Es wird nach einiger Zeit im Archiv auf Mixcloud nachzuhören sein. Siehe 674FM webside: https://674.fm