Bild für Beitrag: Werke von Zimmermann | Jazzband und Rasierschaum Eskapaden
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Werke von Zimmermann

Jazzband und Rasierschaum Eskapaden

Köln, 20.02.2022
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Julia Sellmann und Holger Talinski

Canto Di Speranza – Human Sculptures of Absurdity, Melancholy and Violence

So war der Konzertabend mit Werken des Kölner Komponisten Bernd Alois Zimmermann (1918-1970) in der Kölner Philharmonie überschrieben. Eigentlich sollte die monumentale Oper Die Soldaten, mit der Zimmermann 1965 Musikgeschichte schrieb, in einer halbszenischen Fassung für den Konzertsaal zur Aufführung kommen. Eine Kooperation des Gürzenich Orchesters und der Oper Köln. Leider war dies unter Pandemiebedingungen nicht möglich und es fand stattdessen ein Programm statt, das einen Überblick über das Schaffen des Komponisten gab.

Der spanische Regisseur Calixto Bieito entwickelte innerhalb von wenigen Tagen eine Performance, die das Konzert des Gürzenich Orchesters unter Leitung von Francois-Xavier Roth begleitete. Er setzte mit seinen poetischen Bildern der Performance einen Kontrapunkt zu der Musik von Bernd Alois Zimmermann. „Wir gestalten ein visuelles Gedicht, das einen Kontrapunkt setzt zur Größe der Musik und des Orchesters“, so Calixto Bieito. Alexandra Ionis und Leigh Melrose spielen am Bühnenrand ihre kleinen Szenen. Die reichen von einem gläsernen Sarg, in dem Leigh Melrose liegt und von Alexandra Ionis über die Bühne geschoben wird, über Rasierschaum Eskapaden bis zum Fahrradfahren auf der Bühne. „Am Ende steht ein Licht, das jeder interpretieren kann, wie er möchte. Eine Pflanze in einem Aquarium mit einem Licht, ein Licht und eine Pflanze als ein Gesang der Hoffnung“ (Bieito).

Das Konzert gibt einen Überblick über das Schaffen von Zimmermann

Das Konzert begann mit der Sinfonie in einem Satz für großes Orchester (2.Fassung) in der überarbeiteten Fassung von 1953. Ein frühes Werk, noch vom Neoklassizismus geprägt, das vom Grauen des 2. Weltkrieges zeugt. Zimmermann beschreibt die Sinfonie als Ausdruck der Zerrissenheit der Zeit. Mit wuchtigen, dichten und dunklen Klangwolken und heftigen Dynamikwechseln wird das Publikum regelrecht überfallen. Ein furioser und grandioser Einstieg, den Francois-Xavier Roth mit seinem Orchester kongenial umsetzt.

Nach dem Frühwerk folgt unmittelbar sein Spätwerk Stille und Umkehr (1970), das letzte Werk, das er kurz bevor er sich das Leben nahm schrieb. Es wurde erst posthum aufgeführt. Er integrierte hier bewusst inkongruente Elemente, Störungen, die das Werk stilistisch öffneten.

Mit einem kurzen Ausschnitt aus Tratto II (1970), einer vierkanaligen elektronischen Komposition, wird auch eine weithin unbekannte Facette von Zimmermanns Werk vorgestellt.

Den Schluss des Konzertes bildet das Werk Photopsis Prélude für großes Orchester (1968). Hier entfaltet Zimmermann eine breite Palette an Klangfarben. Von Debussy inspiriert setzt er unterschiedliche Schichten von Klangfarben ein. Allerdings unterscheidet er sich mit seinen harten Kontrasten sehr von der neoromantischen Musik. Wie in anderen Werken sind die starke Intensität des Ausdrucks und seine wuchtigen Klangbilder prägend für Photopsis. Auch der collagenartige Mittelteil mit vielen musikalischen Zitaten aus den Werken Wagners, Bachs, Tschaikowskys und Skriabins sind typische Stilmittel Zimmermannns.

Musik zum Abendessen von König Ubu

Den Mittelpunkt des Konzertes bildete die Musique pour le soupers du Roi Ubu – Ballet Noir in sieben Teilen und einem Entrée (1962-66).

Pere Ubu (später Roi Ubu) von Alfred Jarry war ein absurdes Theaterstück, das 1896 in Paris uraufgeführt wurde. Wegen seiner Derbheit und seiner absurden Handlung wurde es von den Surrealisten und Dadaisten hoch geschätzt. Der Stoff hat sich bis in die moderne Popkultur tradiert, so bezieht sich der Name der amerikanische Indie Band Pere Ubu, auf die Hauptfigur des Theaterstücks.Auf dieses Stück bezieht sich die Komposition von Zimmermann.

In dieser musikalischen Farce finden wir die Stilmittel der Schichtung und des Zitates, bzw. der Collagetechnik. Die Komposition hat zwei Schichten, die Basis bildet Giostre Genovese, die aus barocken Tänzen des 16. und 17.Jh bestehen. Darüber liegt dann eine Collage aus Zitaten von Komponisten, von Henze über Wagner bis Bach. So finden sich etwa in der zweiten Szene Zitate aus Beethovens Pastorale, Bachs Brandenburgschen Konzerten und Wagners Meistersingern. Es würde den Bericht sprengen all die verschiedenen Zitate aufzuzählen. Durch die Schichtungen, bzw. der pluralistischen Kompositionsweise, wo unterschiedliche Musikzitate gleichzeitig von verschiedenen Instrumenten gespielt werden, ist sein Werk für ein Orchester eine Herausforderung. Das Gürzenich Orchester unter Francois-Xavier Roth meistert die Zimmermann Werke mit Bravour. Das Publikum ist hellauf begeistert und bedankt sich bei Musikern, Performance Künstlern und seinen Leitern mit Standing Ovations. Es war leider nicht die Oper Die Soldaten, aber es war ein großartiges Konzert. Eine enorme Leistung von Francois-Xavier Roth und dem Gürzenich Orchester.

Bernd Alois Zimmermann und Jazz

Inspiriert von der Collage Technik der Dadaisten, deren Meister John Heartfield war, setzt Zimmermann Musik Zitate als Bausteine für seine Kompositionen ein und bildet aus den einzelnen Zitaten ein Mosaik, das für sich ein stimmiges Bild ergibt. Zimmermann setzt dabei auch “genrefremdes“ Material ein, Jazzmusik.

In der Roi Ubu Musik setzt er eine Jazzband ein. Ein Element, das er aus den Soldaten übernommen hat. Er legte Wert darauf, dass es sich bei den eingesetzten Musikern auch um Jazzmusiker handelt. Ihm war der eigene Ansatz des Jazz wichtig. Auch Roth setzt für sein Konzert Jazzmusiker aus Köln und Duisburg ein. Philipp Brämswig an der Gitarre, David Andres am Kontrabass, Martin Reuthner am Kornett und Andreas Reinhard an der Klarinette. Der letztere ist zwar Mitglied der Duisburger Philharmoniker, also klassischer Musiker, hat aber in einer Swingband und verschiedenen Big Bands gespielt. Er ist in jungen Jahren über Schallplatten von Benny Goodman zur Klarinette gekommen, also über den Jazz zur Klassik, ohne die Verbindung zu seiner ersten Liebe aufzugeben. Das Quartett spielte auf dem Balkon über der Bühne.

Bernd Alois Zimmermann hatte ein ganz besonderes Verhältnis zum Jazz. Er hat nicht nur in verschiedene Werke Jazzelemente integriert, er schrieb auch ein Jazzwerk, ein Trompetenkonzert. Zimmermann war ab 1958 Professor für Komposition an der Kölner Musikhochschule. Dort hatte er sehr früh engen Kontakt zu Jazzmusikern. Manfred Schoof und Alexander von Schlippenbach haben beim studiert, ebenso Heiner Wiberny , der 28 Jahre als Saxophonist in der WDR Big Band spielte. So stand Zimmermann in regen Austausch mit Jazzmusikern. Besonders zu Manfred Schoof hatte er ein enges Verhältnis. Schoof spielte auch Werke von Zimmermann auf Tonträger ein und war der Solist im Trompetenkonzert. So entstand eine Wechselbeziehung von Jazz und Neuer Musik. Zimmermann wurde mit den Spielarten des modernen Jazz vertraut. Er machte keinen Unterschied zwischen der so genannten künstlerischen Musik und dem Jazz. Jazz und Klassik bzw. Neue Musik waren für ihn gleichwertige musikalische Ausdrucksformen. Diese Haltung war in der 50er Jahren nicht selbstverständlich. Seine Auseinandersetzung mit Jazz geht bis zu seinem Tode weiter. Auch bei den Spätwerken integrierte er Jazzpassagen in seine Kompositionen, bis hin zu seinem letzten Werk Stille und Umkehr.

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