Vom Weinkeller in die Weinberge
Jazzfestival Leibnitz
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Peter Purgar
Leibnitz, 30.09.2019│ Wenn man Träume hat, dann träumt man sie. Wieder und immer wieder. Und man hofft es bleibt nicht beim Träumen. Wenn Otmar Klammer an den Festivaltagen morgens aufgewacht ist, kann er sicher sein nicht mehr zu träumen. Denn einige seiner langjährigen Wünsche haben sich nun erfüllt. Musiker, die der Künstlerische Leiter des Jazzfestivals Leibnitz immer schon einladen wollte, sind bei der siebten Ausgabe des viertägigen Festivals in der Südsteiermark nun endlich dabei. Miguel Zenón ist so ein Wunschkandidat gewesen. Der Altsaxofonist aus Puerto Rico stellt in Leibnitz seine neue CD Sonero vor, eine Hommage an die Musik des in der ganzen Karibik berühmten, bereits verstorbenen puertorikanischen Sängers Ismael Rivera. Fein wie Zenón und sein eingespieltes Quartett mit dem Österreicher Hans Glawischnig am Bass diese Musik in komplexen Jazz überführt, mit Freiheiten für virtuose Improvisationen und ohne dabei in irgendwelche Latin-Klischees zu rutschen. Auch Tom Harrell stand auf der Wunschliste des Künstlerischen Leiters. Und auch der Amerikaner kam mit seinem Quintett nach Leibnitz und zeigte trotz seiner Erkrankung was für ein formidabler Musiker und Gestalter auf seinen Instrumenten er noch immer ist.
Zum Festivalauftakt war wieder der über 300 Jahre alte Bischöfliche Weinkeller des Schlosses Seggau, oberhalb von Leibnitz gelegen, Spielort des Geschehens. Schon in diesem Gewölbe zwischen den alten, riesigen Weinfässern zu sitzen, das hat was. Die Akustik ist ebenfalls sehr gut. Da fehlen dann nur noch zwei Bands für einen genussvollen Abend. Die hatte Otmar Klammer mit dem „Catherine Morello Faller Trio“ und einem weiteren Dreier, „Das Kapital“, eingeladen. Wie schön, den wesentlich jünger aussehenden und wirkenden 77-Jährigen belgischen Meistergitarristen Philip Catherine im Verbund mit seinen beiden deutschen Kollegen, Gitarrist Paulo Morello und Kontrabassist Sven Faller, zu erleben. Sie beim lässigen Swingen zu beobachten, beim Aufschwingen zu zarten Improvisationen. Zwischen Gypsy-Grooves, Musette oder einem Choro aus Brasilien verwöhnt dieses Trio. Das Trio „Das Kapital“ mit dem inzwischen in Frankreich lebenden, Wolfsburger Saxofonisten Daniel Erdmann, dem dänischen Gitarristen Hasse Poulsen und dem herrlich bockig und unorthodox trommelnden Franzosen Edward Perraud beleuchten und dekonstruieren unter anderem Musik von Charles Brassens, Klassiker wie Charles Trenets „La Mer“ oder den Disco-Hit „Born To Be Alive“ mit Augenzwinkern, ohne dabei aber jemals den Respekt und die Linien dieser starken Melodien zu verlieren.
Die vorab hoch gelobte „Espoo Big Band“ kommt in Leibnitz vielleicht doch ein wenig zu glatt poliert rüber. Sicher, die Finnen können zauberhaft spielen und zeigen Humor und Spielwitz. Aber ihrem Ruf als eine der kreativsten jazzigen Großformationen Europas werden sie bei ihrem Auftritt im Kulturzentrum der Stadt zumindest nicht durchgehend gerecht. Aber bei einem mehrtägigen Festival kann und muss ja nicht jede Band restlos überzeugen.
Mit dem Alten Kino Leibnitz hat das Festival dieses Jahr erstmals einen neuen Spielort ausprobiert für das Friday Night Special. US-Pianist Kevin Hays und der aus Benin stammende Gitarrist Lionel Loueke gaben sich dort ein intimes, dichtes Stelldichein im Duo. Mit Klavier, Gitarre und Gesang verbinden die beiden ziemlich gut eine jazzige Herangehensweise mit westafrikanischer Einfärbung. Luftige, raffiniert zelebrierte Musik zum Entspannen, nach zuvor ein paar Stunden im Kulturzentrum mit Klängen voller Intensität.
Zum Festivalausklang geht es wieder hinauf zum wundervollen Weingartenhotel Harkamp. Und wieder ist Petrus dem Festival wohlgesonnen, scheint die Sonne doch pünktlich zur Mittagszeit vom blauen Himmel beim Open Air-Auftritt in den Weinbergen. Die „Ivo Papasov Wedding Band“ aus Bulgarien mit ihrem gekonnten Mix aus bulgarischer Folklore und Jazz und ihre durch krumme Metren gejagten Hochgeschwindigkeitsrhythmen sorgt in diesem zauberhaften Ambiente für sehr lebendige Unterhaltung auf Spitzenniveau. Da denkt man sich nur: Schade, dass es nun wieder ein Jahr dauert bis zum nächsten Festival.