Verrückt sein
Weil nicht alles aus der Steckdose kommt
TEXT: Stefan Pieper |
Etwas verrückt muss man schon sein – um nicht den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Um mal nicht die „Sicherheit“ zur obersten Lebensmaxime zu küren - und dadurch vielleicht nicht in einem normalen Angestelltenverhältnis unterzukommen. „Unterkommen“ klingt sowieso nicht gut. Will man nicht kreativ sein, etwas gestalten und bewegen? Mit Leidenschaft in einer Sache drin sein? Aus so einem Geist heraus wurde nrwjazz gegründet. Denn da draußen sind viele andere, die auch eben nicht den sicheren Weg gehen, sondern ihre Leidenschaft, vor allem als Musiker, leben. Erhebungen sagten, dass diese Menschen besonders erfüllt von ihrem Beruf sind, obwohl die materielle Absicherung auch manchmal ungewiss ist. Deswegen hilft nrwjazz, diesem ganzen freiberuflichen Engagement eine große Bühne zu geben - und agiert dabei nicht weniger selbstausbeuterisch.
Je mehr wir in diesen reichen Kosmos eintauchen, desto mehr sehen wir: Das ist erst der Anfang und es brauchte noch viel mehr, um dem Gesamten gerecht zu werden. Dankbare Reaktionen von Musikern und anderen Kulturschaffenden für würdige Publicity aber auch von Musikfans für informative und kritische Berichterstattung geben jedes Mal wieder den positiven Kick, um weiter zu machen!
Hinter all dem steht disziplinierte Arbeit, die viele Stunden dauert und zurzeit noch völlig "nebenbei" neben dem normalen Broterwerbsjob gestemmt wird. Das setzt dem Ganzen nach wie vor natürliche Begrenzungen: Der Tag hat nun einmal nur 24 Stunden - ein Konzertbesuch inklusive Anfahrt nimmt davon schon mehrere Stunden ein. Die produktive Auseinandersetzung am Morgen danach am Rechner fordert Energie und Konzentration ein. Sich Gedanken machen, Ideen entwickeln, Argumentationen ausarbeiten. Auf dem laufenden sein, neue CDs durchhören, die zahllosen Termine zusammentragen, um sie jeden Tag aufs neue unserem NRW-Veranstaltungskalender einzuverleiben, der mit Abstand der lückenloseste dieser Art sein dürfte. Mit Musikern, Künstlern, Telefonieren, Neuigkeiten und Anregungen einholen, Kontakte pflegen, neue Leute kennen lernen. An langen Abenden zusammensitzen, über Konzepte, Themen und Weiterentwicklungen oft kontrovers debattieren.
Das alles ist sehr faszinierend und gibt das Gefühl, an einer großen Sache dran zu sein. Das „Team“, dass die Initiative kontinuierlich vorantreibt, besteht meist nur aus zwei Personen, daneben unermüdlich fleißige Autoren und eben solche Programmierer, die das ganze technisch umsetzen, damit die Seite lebendig und attraktiv bleibt.
Aber all dieser Einsatz zieht oft die letzten Reserven. Rechnungen wollen bezahlt sein, nicht nur für Strom, dass die Computer weiter laufen, für den vollen Tank, um bei vielen Ereignissen vor Ort zu sein. Kurzum – ganz dringend braucht nrwjazz eine andere ökonomische Basis, um wirklich zu einem Zukunftsprojekt zu werden. Beteiligt euch im Verein, schaltet Anzeigen. Etc. Es kommt eben nicht alles – auch nicht im www – einfach so aus der Steckdose.