Text und Musik laufen zusammen
Interview mit Veronika Morscher
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Die Sängerin Veronika Morscher, aus Vorarlberg stammend, hat nach ihrem Musikstudium in Berklee und Wien, Köln zu ihrem Wohnort gewählt. Am 3.11.15 gab sie mit einem Quintett ein Konzert im Artheater Köln (siehe Review: A new voice in town). Nach dem Gig konnte ich ihr ein paar Fragen stellen:
Wie bist Du zum Gesang gekommen, kannst Du Dich noch an Deinen ersten Auftritt erinnern?
Ja, ich habe schon von Kind an gesungen. Meine Mutter ist Lehrerin und die hat mich zu allen Aktivitäten mitgenommen, Weihnachtsfeiern usw. und ich habe dort immer am lautesten gesungen. Ich hatte immer ganz natürlichen Zugang zum Singen. Mein erster Auftritt war mit 14 Jahren und ich habe “I Will Always Love You“ von Whitney Houston gesungen. Davon existiert ein Video, das immer wieder auf Familienfeiern gezeigt wird, mit viel Gelächter. So hat alles begonnen.
Wieso kommt ein junges Mädchen zum Jazzgesang und nicht zum Pop, Hiphop oder Folk?
Das war ein Moment an den kann ich mich noch genau erinnern. Ich habe in den Platten von meinem Vater gestöbert und dort Louis Armstrong gefunden. Vorher habe ich sehr viel Michael Jackson und Tina Turner gehört, die Lieblingssänger meiner Mutter. Dann habe ich Louis Armstrong angehört und noch einmal angehört und konnte es immer noch nicht nachsingen. Ich entdeckte immer etwas Neues in diesen Aufnahmen. Das war ich gar nicht gewohnt, das es so viele Ebenen gibt auf denen etwas passiert. Das hat mich sehr interessiert und hat dazu geführt, dass ich mich in den Jahren danach immer mehr in Richtung Jazz bewegt habe. Ich hatte noch nicht den Plan, Jazzsängerin zu werden, aber das Interesse und die Faszination hat mich nicht mehr losgelassen.
Wie alt warst Du zu diesem Zeitpunkt?
Da war ich 16 Jahre alt. Mit 17 Jahren habe ich dann angefangen Unterricht in Jazzgesang zu nehmen.
Welche Sängerinnen haben Dich besonders inspiriert oder waren Dir ein Vorbild?
Ella Fitzgerald! Ich bin eine langsame Hörerin, die ganz lange ein Album hört, bis ich es in- und auswendig kenne. Dann verbinde ich ganz viele Emotionen damit und die Musik bedeutet mir dann auch sehr viel. Es gibt Sängerinnen, Sänger und auch Musiker, die mich ganz lange begleitet haben. Ella war eine davon. Für mich war in ihrem Gesang immer eine Fröhlichkeit, wahrscheinlich war das gar nicht so, aber auf mich hat es so gewirkt.
Welche Songs waren für Dich wichtig`?
Ich kann mich erinnern, dass “Ain`t Misbehavin“ von Louis Armstrong ein Lied war, das ich auf und ab gehört habe. Bis zum höchsten Ton am Ende, gegen Ende geht man immer höher.
Ich habe es immer wieder gehört, bis ich es mitsingen konnte. Michael Jackson “Rock With You“ ist auch ein Lied, das mich ganz ganz lange begleitet hat. Als Kind habe viel Michael Jackson gehört. Als ich vom Kindergarten Heim kam, hat meine Mutter immer mit mir getanzt bis das Essen fertig war. “Little Green“ von Joni Mitchell, dieses Lied liebe ich. Von Anais Mitchell gibt es ganz viele Lieder, die sehr liebe, z.B. “Young Man In America“.
Was spricht Dich an aktueller Musik besonders an?
Ich mag ganz gerne aktuelle Popmusik. Aber ich setze mich nicht hin und höre mir ganz bewusst so etwas an. Ich bekomme von jeder Art von Musik Anregungen. Ich schließe da nichts aus. Aber aktiv höre ich eher Singer/Songwriter Musik bzw. Folk.
Nach meinem Studium des Jazzgesangs in Berklee, musste ich einfach mal eine Pause mit Jazz machen und andere Musik hören. Deshalb schreibe ich zurzeit auch etwas popiger, weil mich das gerade mehr berührt. Ich höre Emily King, Joni Mitchell oder Anais Mitchell. Aktuelle Sachen höre ich eher so beiläufig.
Wie findest Du das Material für Deine Songs?
Es gibt Wochen in denen ich nur sammle, wo ich in Cafes gehe und die Unterhaltungen der Menschen anhöre. Oder ich stelle mir die Frage, was ist das Thema dieser Woche bei mir?
Meine Gefühle sind immer in Bewegung und ich versuche sie zu verstehen. Das gelingt mir durch mein Aufschreiben besser.
Du hast also immer ein Notizbuch dabei?
Genau, ich schreibe darin alles auf. Am Anfang denke ich vielleicht es ginge um das Thema: Abschied zu nehmen, aber mit der Zeit stelle ich fest, dass es darum geht, dass ich nicht Abschied nehmen kann. So verwandeln sich die Themen immer weiter. Bis es vielleicht etwas ganz anderes ist. Dann kommt mir eine Textzeile in Kopf, die genau das beschreibt, was ich gerade fühle. Und manchmal inspiriert mich das so stark, dass ich ein Lied dazu schreibe.
Schreibst Du erst den Text und dann die Musik dazu?
Das läuft bei mir eher gleichzeitig. Ich habe selten nur den Text. Meist habe ich eine Textzeile, dann habe ich schon eine rhythmische Idee im Kopf. Dann phrasiere ich den Satz.
Text und Musik laufen bei mir zusammen.
Magst Du etwas über die letzte CD erzählen?
Das war ein ganz spontanes Projekt. Matthew (Halpin) und ich haben uns überlegt unsere Ideen zusammenzufügen und ein Projekt zu starten.
Matthew hat schon einige Male mit Pablo (Held) zusammen gespielt und so haben wir uns gedacht, dass er als Counterpart zu uns funktionieren könnte. Matthew und ich singen und spielen ja viel zusammen und sind aufeinander eingestellt. Wir ergänzen uns in unseren Ideen. Wir wohnen zusammen und wenn einer eine Idee hat, dann sagt der Andere : nein, es muss eher so sein. Das wollten wir mit anderen Leuten teilen. Matthew ist ein Mensch, der ganz spontan am effektivsten funktioniert, ich eher nicht so. Aber das ist eine Herausforderung.
Matthew hat dann vorgeschlagen, wir proben gar nicht, sondern überlegen uns Stücke die uns gut gefallen, oder wo wir eine coole Idee haben, gehen in ein Studio und nehmen das auf.
Wir geben den Pianisten (Kit Downes und Pablo Held ) auch vorher keine Noten. Ich habe mit etwas Bauchschmerzen, Ok gesagt, obwohl ich mich dann nicht vorbereiten konnte.
Matthew hat mir auch seine Stücke nicht gezeigt, erst am Vortag. Dann haben alle versucht sich auf etwas ganz Spontanes einzulassen. Wie ein Klick von einer Kamera, eine Momentaufnahme, die festhält was wir gerade musikalisch sind.
Pablo und Kit kannten vorher unsere Songs nicht. Wir haben dann bei den Aufnahmen entschieden, was ändern wir oder lassen es genauso wie es ist. Das waren ganz intensive Momente, weil wir gezwungen waren im Moment eine Entscheidung zu treffen. Man kann nicht darüber schlafen. Mir hat das sehr gut getan. Ich schreibe viel in die poppige Richtung und bin sehr strukturiert, überlege genau, welche Phrase ich schreibe. Alles ist sehr überlegt,ob ich am Inhalt noch etwas drehe oder etwas verändere. Es war total gut, das alles Beiseite zu schieben und einfach zu schauen, was im Moment da ist. Nur der Moment zählte. Das war wirklich ein schönes Projekt.
Wenn ich die CD höre, dann finde ich, dass sie, obwohl schon im April aufgenommen, von der Stimmung ganz besonders gut in die jetzige herbstliche Jahreszeit passt.
Ja, stimmt. Das konnten wir nicht lenken. Wir wussten nicht wie die Lieder zu einander passen. Aber anscheinend war unsere Stimmung in diesen beiden Tagen etwas nachdenklich.
Wir sind zu dieser Zeit gerade nach Köln gezogen und diese Veränderungen und Bewegungen tiefer in uns haben sich wohl in der CD widergespiegelt.
Was sind Deine nächsten Pläne?
Ich möchte gern mehr schreiben. Auch in meinem Tagebuch. Der Austausch mit mir selbst tut mir gut. Ein Lied ist immer etwas Objektives, obwohl es aus mir herauskommt muss ich es verobjektivieren. Andere müssen es auch verstehen, es können nicht nur wirre Gedanken sein.
Ich studiere Psychologie und finde es sehr spannend, was es für Erkenntnisse über den Menschen gibt.
Ich möchte gern anderen Menschen eine Stütze sein, das kann musikalisch, persönlich oder auf Lehrerebene beim Gesangsunterricht sein.
Das alles möchte ich miteinander verbinden und mich vielleicht auch auf Musiker spezialisieren. Für sie da sein, ihnen helfen, dass sie nicht untergehen in ihrer Sensibilität. Das einfach jemand da ist und sich für den Menschen interessiert.
Ich möchte Musik, Psychologie und Yoga zusammenbringen und mir überlegen, wie man damit überleben kann, so sensibel zu sein, soviel zu geben und dadurch sehr angreifbar und auch verletzlich zu sein. Hier eine Balance zu finden ist nötig, manche Musiker können das, viele aber auch nicht.
Vielen Dank und alles Gute für Deinen weiteren Weg.