Swing-Forschung bei Max Planck
„It Don’t Mean a Thing, If It Ain’t Got That Swing"
TEXT: Heinz Schlinkert |
Jeder kennt „It Don’t Mean a Thing, If It Ain’t Got That Swing". Aber was macht diesen Swing eigentlich aus? Wissenschaftler des Max Planck-Instituts wollten es herausfinden.
Beim Max Planck-Institut denkt man an HighTech-Forschung in Naturwissenschaften und Informatik. Die Palette dieser Institution ist aber viel größer, sie beschäftigt sich auch mit Jazz. Schon 2015 haben Forscher sich mit Aspekten der Musikpräferenzen beschäftigt und dabei herausgefunden, dass sich die bisherige Schicht- und Bildungsstand-Abhängigkeit langsam auflöst. Drei Jahre später ging es um die Gehirne von Jazz- und Klassik-Pianisten. Man fand heraus, dass es Unterschiede bei der Umsetzung von Harmonien und Fingersätzen gibt, wenn beim Spiel unerwartete Vorgaben auftreten.
In diesem Jahr ging es um den Swing. Musikalisch beschrieben wurde dieser schon lange als Triole mit ternärem Rhythmus, die die notierten beiden Achtel ersetzt. Doch in der Realität ist das „Swing-Verhältnis“ nicht immer genau 2:1, es hängt u.a. auch von den Tempi ab. Diese winzigen Abweichungen nennt man Microtiming Deviations und die Frage war, ob es nicht diese Abweichungen sind, die der Musik den ‚Schwung‘ geben.
Theo Geisel, Emeritus-Direktor am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, hat die Untersuchung mit folgender Intention geleitet.
„Wenn es Jazzmusiker fühlen, aber nicht eindeutig erklären können, sollten wir doch in der Lage sein, die Rolle der Mikroabweichungen operational zu charakterisieren, indem wir Aufnahmen mit originalem und systematisch manipuliertem Timing von ausgewiesenen Jazzmusikern bewerten lassen“, (T. Geisel)
Dazu nahm sein Team digital Jazzpiano-Stücke auf, u. a. Doxy, Blue Monk, Blue Monk, Paper Moon, und schuf durch unterschiedliche Veränderungen des Microtiming jeweils drei neue Versionen. 160 Profi- und Amateurmusiker haben dann in einer Online-Umfrage angegeben, welche der jeweils vier Fassungen am meisten swingt. Überraschendes Ergebnis:
„.. im Durchschnitt bewerteten die Teilnehmer an der Online-Umfrage die quantisierten Versionen, d. h. diejenigen ohne Mikrotiming-Abweichungen, als etwas schwungvoller als die Originale.“ (T. Geisel)
Professionelle Jazzmusiker vergaben dabei etwas niedrigere swing ratings, unabhängig von Stück und Version, waren also strenger als die Amateure. Kein Ergebnis ist auch ein Ergebnis! Gut, dass das nicht schöngeredet wird.
Am Ende der Studie wurden die Teilnehmer gefragt, was ihrer Meinung nach ein Stück zum Swingen bringt. Die Ergebnisse wurden in einer Grafik veröffentlicht, in der häufig genannte Begriffe größer dargestellt sind (s. oben links). Man sieht, dass der Rhythmus eine große Rolle spielt, andere Faktoren aber auch wichtig sein können. Dies soll nun auch erforscht werden.
George Datseris, A. Ziereis, T. Albrecht, Y. Hagmayer, Viola Priesemann, and Theo Geisel, "Microtiming deviations and swing feel in jazz," Scientific Reports 9, 19824 (2019)
Grafiken aus https://www.ds.mpg.de/swing