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Suche nach dem Gleichgewicht

Interview mit Elsa Johanna Mohr vom Trio LUAH

Köln, 17.04.2025
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Ferry Mohr

Uwe Bräutigam hat mit Elsa Johanna Mohr in der Radiosendung Jazz and beyond über das neue Album LUAH Equilibrio und ihre Rolle als Mutter und Musikerin gesprochen.

Hallo Johanna, ich freue mich, dass du ins Studio gekommen bist, jetzt als Mutter hast du ja immer ein dafür zu sorgen, dass deine reizende  Tochter untergebracht ist und sie ist jetzt nebenan. Wenn ihr also ab und an mal ein  kleines Kindergeräusch hört, dann wisst ihr, das ist Soraya, die unsere Sendung ein bisschen belebt. Euer letztes Album, Movimento von Luah, hat den deutschen Jazzpreis 2023 gewonnen. Hat euch das eigentlich beim neuen Album unter Druck gesetzt?

Johanna: Also mich persönlich jetzt nicht wirklich, weil das Songwriting läuft weiter. Es kommt das heraus, was herauskommt aus mir selbst und wir haben diesmal ja auch zu dritt teilweise zusammengeschrieben, Lena hat auch zwei Songs beigesteuert und Ulla hat einen Song beigesteuert. Insofern gibt es automatisch eine ganz neue Farbe im Album. Und wir sind nach wie vor sehr sehr froh, dass wir diesen Preis bekommen haben, weil er uns eben dieses dritte Album finanziert hat. Ohne den Preis hätten wir das Album wahrscheinlich gar nicht so locker flockig herausbringen können.

Vielleicht stellst du noch mal für die HörerInnen deine MitmusikerInnen vor. Es werden sie nicht alle HörerInnen präsent haben.

Johanna: Genau, also ich bin Elsa Johanna Mohr und habe 2017 in Osnabrück beim Jazzgesangstudio meine Band kennen gelernt oder gegründet mit Lena Larissa Senge, sie spielt Synthesizer in der Band, singt auch viel und macht Perkussion. Ula Martyn-Ellis spielt E-Gitarre, Mandoline und singt ebenfalls. Also bei diesem Trio ist es eben sehr markant, dass wir alle drei viel unsere Stimmen einsetzen und wir haben jetzt das dritte Album herausgebracht.

Und dieses Album trägt den Titel Equilibrio, hat das eine tiefere Bedeutung?

Johanna: Also Equilibrio heißt ja auf deutsch Gleichgewicht und die Welt ist ja im Moment alles andere als im Gleichgewicht. Deswegen ist es eher die Frage oder die Suche nach dem Gleichgewicht.

Ich möchte gerne jetzt auch den Titelsong spielen. Den hast du geschrieben?

Johanna: Genau, den habe ich geschrieben. Es geht um die Welt, über die wir in diesem Song singen, dass zum Beispiel die Flüsse ihre Adern sind und wir Menschen uns einfach ein bisschen mehr um ihren Körper sorgen sollten und sie nicht vergessen werden möchte am Ende des Tages. Und es ist ein Appell an die Menschheit, sich einfach besser um die Welt zu kümmern und ja klar, suche nach dem Gleichgewicht auf jeden Fall, schwingt da mit!

Equilibrio ist von dir geschrieben, du hast das Stück gemacht, aber diesmal, das hast du eben schon erwähnt,  haben auch die beiden anderen Musikerinnen in eurer Band Stücke zum Album beigetragen. Im Gegensatz zu Movimento, das du ja noch ganz alleine getragen hast, bis auf die Cover-Versionen wie von Baden Powell.

Johanna: Ja, wie gesagt, beide sind jetzt mehr involviert beim Songwriting und haben auch eigene Songs mal mitgebracht.

Und das funktioniert gut?

Johanna:  Das funktioniert tatsächlich gut. Also wir haben sogar einen Song auch als Spiel komponiert. Also eine hat angefangen den Text zu schreiben, dann hat die andere darüber die Akkorde gesetzt und die dritte musste dann daraus das Gesamte sozusagen machen. Das waren immerhin 20 Minuten. Und daraus ist auch ein toller Song auf dem Album entstanden.

Und ja, ich finde beide haben eine tolle eigene Sprache und das ist auf jeden Fall ein neuer toller Punkt auf dem Album.

Ja, sehr spannend. In Japan gibt es eine Tradition, Renga genannt, dass man Gedichte aneinander reiht. Das heißt, die Leute treffen sich und dann schreibt jemand die ersten drei Zeilen und dann macht der nächste weiter. Ein Kettengedicht. Und das gibt es schon einige Jahrhunderte.

Ich habe als nächstes den Titel Under the Orange Tree ausgesucht. Der ist nicht von dir?

Johanna: Genau, der ist nicht von mir. Den hat die Lena Larissa Senge komponiert und auch zum größten Teil den Text geschrieben. Es geht darum, den Moment zu genießen, aber auch darum, also um einen Orangenbaum, der gepflanzt wird und der auf ganz vielen Geschichten von Frauen sozusagen gepflanzt wird, die teilweise auch in Vergessenheit geraten sind. Und ja, deswegen ist es auch ein feministischer Song. Und Ula Martyn-Ellis hat die zwei Textzeilen vom letzten Teil geschrieben. Was ich auch total schön finde, ist, dass eben zwei Handschriften da zusammenfinden. Und ich finde den Song total cool und der bereichert auf jeden Fall die Songauswahl auf dem Album.

Johanna, erzähl doch mal ein bisschen aus dem Nähkästchen. Wie sammelst du Ideen? Ist zuerst die Musik da oder erst der Text? Feilt ihr dann zu dritt an der Endfassung herum? Wie läuft das bei euch?

Johanna: Also es ist ganz unterschiedlich von Stück zu Stück tatsächlich. Es gibt Stücke, die entstehen bei mir auf Reisen. Also generell ist bei mir so ein Ding, wenn ich mal ein bisschen Luft zum Atmen habe auf Reisen oder auch wenn ich mal in der Natur bin und nicht abgelenkt bin vom ganzen Drumherum, dann wird der Kopf wieder so ein bisschen freier und es entstehen Ideen. Manchmal ist es dann so eine Textphrase oder zum Beispiel bei Lar Doce Lar, da hatte ich die Ukulele mitgenommen nach Brasilien und da ist bei mir ein Riff entstanden, was ich dann immer wieder gespielt habe. Und dann kam ich wieder nach Deutschland, habe die beiden anderen bei einer Probe getroffen und wir haben so überlegt, worüber könnte man schreiben. Und dann ging es irgendwie so in den Gedanken, wo fühlt man sich eigentlich zu Hause, also wie fühlt sich das zu Hause an? Wo ist zu Hause?  Oder bei Da Minha Janela, ein Stück von Lena. Das hatte sie erst mal ohne Text mitgebracht und dann saßen wir im Vorgarten zusammen und haben überlegt, wie könnte man drüber schreiben.  Ach, wäre doch cool, wenn wir das Corona-Thema so ein bisschen in den Song aufnehmen. Wie wäre es denn, wenn wir über eine Frau schreiben, die aus einem Fenster schaut und die einfach verschiedene Dinge beobachtet. Und dann habe ich mir eben einen portugiesischen Text überlegt. Dann der Song In Vain von Ulla, den hat sie als Teenagerin geschrieben und hat ihn lange eben in der Schublade liegen gehabt und hat ihn dann irgendwann mitgebracht, weil sie dachte, das könnte funktionieren für Luah.

Und es ist auch ein super schöner Song geworden. Und gerade was das Arrangement angeht, Eine von uns bringt was mit und wir schauen dann oft zusammen, was funktioniert. Ich habe z.B. natürlich nicht so viel Ahnung von der E-Gitarre wie Ulla. Dann schauen wir manchmal nach Farben oder wir schauen gemeinsam was könnte ein cooles Voicing sein? Wie könnte man die Stimmen an bestimmten Stellen arrangieren? Und Lena schaut, was passt vom Synthesizer her. Also es entsteht da auch viel gemeinsam in den Proben.

Was mir jetzt noch am Herzen liegt, wir haben ja am Anfang schon das Töchterchen Soraya vorgestellt. Du bist als Mutter ja nun in einer anderen Situation als eine  junge Frau, die einfach ihre ganze Zeit für sich zur Verfügung hat. Wie wirkt sich das auf deine Arbeit aus?

Johanna: Ich muss einfach super organisiert und strukturiert sein und ich habe natürlich viel, viel, viel, viel weniger Zeit, um Dinge zu machen. Aber in der Zeit, die ich dann habe, bin ich sehr, sehr konzentriert und vieles sammle ich einfach im Kopf, während ich irgendwo unterwegs oder auf dem Spielplatz bin, denke ich dann darüber nach. Wann könnte ich dies oder das machen? Wie könnte der Song sein? Genau, also das hat sich verändert. Generell, seitdem meine Tochter bei der Tagesmutter ist, habe ich natürlich auch viel mehr Zeit, da habe ich jetzt tatsächlich die Vormittage und kann sie viel besser nutzen, auch um Musik zu schreiben. Aber wie gesagt, Organisation, Struktur ist eigentlich das A und O.

Du bist ja noch in anderen Bandzusammenhängen aktiv. Vielleicht kannst du sie noch mal kurz erwähnen.

Johanna: Ich habe einmal ein Duo mit dem brasilianischen Gitarristen Flavio Nunes. Das ist eigentlich nur brasilianische Musik, Coverstücke, aber auch eigene brasilianische Stücke, die ich mit ihm singe und spiele. Und dann bin ich im Antigua Quartett. Das ist von der Besetzung her Geige, Kontrabass, Gitarre, Stimme und ich spiele auch zwischendurch Waschbrett. Da mischt sich Gypsy Jazz mit Latin und ich spiele zwischendurch auch mit meinem Bruder zusammen, der auch Musiker ist. Wir nennen uns Molaya, das ist eher Pop-basiert.

Wenn du jetzt Stücke schreibst oder Ideen hast, wie sortierst du das ein? Was nimmst du für Luah oder für Antigua?

Johanna: Das ist in der Tat nicht so einfach. Manchmal denke ich mir auch, es wäre besser, wenn ich einfach eine Band hätte und mich komplett auf eine Sache konzentrieren könnte. Dann hätte ich aber auch nicht diese vielen verschiedenen Farben. Bei Flavio liebe ich es, dass ich brasilianische Klassiker auch mal interpretieren kann oder mal Stücke schreibe, wo ich mit Flavio schaue, dass es sich sehr traditionell anhört. Bei Luah ist viel mehr Experiment dabei. Auch schon von der Besetzung und Instrumentierung her. Ich liebe es, für verschiedene Stimmen zu arrangieren.  Bei Antigua kommt eben dieser Gypsy Jazz mit rein. Da schreiben wir auch alle zusammen Musik. Das ist dann eh auch noch einmal ein bisschen anders. Da schreibe ich auch mal auf Deutsch, auf Englisch und auf Portugiesisch. Mit meinem Bruder, da entstehen die Stücke gemeinsam. Er hat meistens ein Stück, was er vorproduziert, ein Instrumental. Ich schreibe darüber den Text. Das macht dann auch total Spaß. Mal so richtig Schlagzeug im Hintergrund. Jede Band hat ihr eigenes Ding. Das ist dann schon schön, wenn man das einfach so ausleben kann.

Wir wollen noch einmal in das Album hinein hören. Ich habe den Titel Magnifying Glass rausgesucht. Kannst du uns ein bisschen dazu erzählen?

Johanna: Das spannt den roten Faden zur Mutter sein. Es geht hier tatsächlich um meine Tochter. Oder auch um diese neue Rolle. Aber auch schöne Dinge, die mit einem Kind kommen. Nämlich, dass man alles auf einmal wie durch eine Lupe sieht. Alles wieder ganz, ganz aufmerksam betrachten lernt. Wie so ein Kind sich die Welt neu erobert.

Da kann man sich echt ein Stück abschneiden. Ich wollte unbedingt ein Stück schreiben für dieses Album,  was eben meiner Tochter gewidmet ist. Und wo ich über sie singe. Man hört sie auf dem Stück auch zwischendurch und am Ende.

Wo können wir euch in der nächsten Zeit live erleben?

Johanna: Am 2. Mai, also es dauert nicht mehr lange, ist unser Release-Konzert in der Jazz-Schmiede in Düsseldorf. Also da können ja auch Leute aus Köln hin. Dann haben wir am 17. ein Konzert in dem Kulturrat Bochum und am 18. in Troisdorf im Kunsthaus.

Am 25. Juni spielen wir im Domforum in Köln. Also das sind vielleicht so die nächsten Daten, die auch in der Nähe sind.

Und wer jetzt die CD Equilibrio haben möchte oder gibt es das Album auch als Vinyl?

Johanna: Ja, gibt es auch als Vinyl.

Wer die CD oder Vinyl LP von euch zu Hause hören will, was empfiehlst du?

Johanna: Also entweder mir privat schreiben oder im Internet tatsächlich auf allen Portalen kann man das Album erwerben, die CD und LP.

Ja, also wenn ihr die CD direkt haben wollt, das ist natürlich immer toll, weil die Künstler dann den direkten Betrag haben und keine Zwischenhändler mehr dabei sind. Dann schickt mir einfach eine Mail. Ich gebe das dann an die Johanna weiter und ihr kriegt dann umgehend die wunderbare Musik auch für zu Hause zum Nachhören.

Johanna: Wir freuen uns natürlich, wenn ihr uns auf diesem Wege unterstützt. Ich weiß, haben nicht mehr alle einen CD Player, wobei Plattenspieler jetzt schon wieder total im Kommen sind. Aber ja, da fließt immer sehr viel Arbeit und Liebe rein. Und diese Streaming Portale werfen nicht besonders viel ab. Es ist natürlich toll, weil die Musik weltweit verfügbar machen. Aber richtig unterstützen könnt ihr uns, indem ihr eine CD oder eine Platte kauft.   

Ja, liebe Johanna, dann möchte ich dich nicht länger von deinem Töchterchen trennen. Die hat das ja sehr gut mitgemacht. Vielen Dank für dein Kommen. Alles Gute für eure Konzerte und auch natürlich für das neue Album Equilibrio.

Johanna:  Ja, danke auch an dieser Stelle noch mal an unser Label GLM Music. Das wird ja witzigerweise von Quadro Nuevo geführt, die du eben noch gespielt hast.

(Das Interview wurde am 13.4.25 bei Radio 674fm in der Sendung Jazz and beyond gesendet)

LUAH – Equilibrio

GLM Fine Music/FM 423/ LC 11188 / 4014063442321 / Vertrieb Edel / Digital Kontor New Media

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