Bild für Beitrag: Splunge heißt hineinspringen | Interview mit dem North Sea String Quartet
Bild für Beitrag: Splunge heißt hineinspringen | Interview mit dem North Sea String Quartet
Bild für Beitrag: Splunge heißt hineinspringen | Interview mit dem North Sea String Quartet
Bild für Beitrag: Splunge heißt hineinspringen | Interview mit dem North Sea String Quartet

Splunge heißt hineinspringen

Interview mit dem North Sea String Quartet

Bremen, 02.05.2024
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Frederich Castelli

Nicht nur wegen seiner geografischen Nähe, sondern auch wegen seiner reichen, global diversen Musikszene sind die Niederlande immer einen Kurztrip wert. Das wurde umso mehr offenbar angesichts der vielen interessanten Musikerinnen und Musiker, die das diesjährige Partnerland der jazzahead engagiert vertraten. Unter den vielen spannenden Gesprächen ragte eine lange Konversation mit Pablo Rodriguez und George Dumitriu ganz besonders heraus. Sie bewerben das aktuelle Album ihres North Sea String Quartets mit dem Titel „Splunge“. Splunge im Sinne von „hineinspringen“ ins kalte Wasser, um sich in der Improvisation auszutoben und dabei alles an Ideen und Einflüssen ungebremst herauslassen - das North Sea String quartet outet sich mit diesem Release als eines der spannendsten, relevantesten (nicht nur) Jazz-Streichquartette zurzeit.

Ihr kommt aus Spanien, England und Rumänien, habt euch aber in den Niederlanden zusammen gefunden. Wie erlebt ihr das diesjährige jazzahead-Partnerland in eurem Musiker-Alltag?

Die Niederlande zeigen ihre Offenheit für andere Kulturen vor allem im Bildungssystem, insbesondere in den Jazzabteilungen der Musikhochschulen. Die Szene in Amsterdam ist stark vernetzt und sehr international. Als ich hier ankam, war ich sehr beeindruckt von der offenen Atmosphäre.

Was hebt die niederländische Musikszene und das Ausbildungswesen von anderen Ländern ab?

Zum Beispiel die einzigartige Vielfalt an Stilen und Ausbildungsmöglichkeiten. An den Konservatorien kann man Flamenco, indische und türkische Musik, Tango und lateinamerikanische Musik studieren. Diese Vielfalt lädt geradezu dazu ein, musikalische Interessen über die klassische Musik hinaus zu entwickeln und zu verfolgen.

Die Studentenschaft ist wahrscheinlich genauso global?

Viele meiner Kollegen kommen aus verschiedenen Teilen der Welt und bringen ihre eigenen kulturellen Einflüsse in ein. In Groningen habe ich zum Beispiel bulgarische Kollegen getroffen, die ethno-jazzige Musik spielten und ihre eigene Kultur in ihre Jazzimprovisationen einfließen ließen.

Kommen wir zu eurem persönlichen Anliegen. Warum seid ihr nach Bremen gekommen?

Wir wollen unser neues Album bekannter machen und auch Konzerte außerhalb der Niederlande geben. Wir wollen mehr Menschen für Improvisation auf Streichinstrumenten begeistern. Die Kombination von Jazz und Streichquartett ist immer noch ungewöhnlich, aber auch spannend. Sie eröffnet neue klangliche Möglichkeiten und erweitert das Repertoire dieser traditionellen Instrumente. Ich finde, wir können mit unserer Arbeit im North Sea String Quartet viele Menschen dazu ermutigen, über Grenzen hinauszudenken. Unsere neuen Stücke auf der CD „Splunge” sind sehr kreativ. Viele große Komponisten der Vergangenheit haben sich von verschiedenen Einflüssen inspirieren lassen, um etwas Neues zu schaffen. Wir entdecken und experimentieren immer wieder.

Erzählt mir mehr über das neue Album „Splunge“, das am 10. Mai offiziell rauskommt. Die vorab veröffentlichten Audiotracks machen auf jeden Fall neugierig auf das ganze Werk!

Unser neues Album ist ein Meilenstein für uns. Es war ein langer Prozess, für den wir uns zwei Jahre Zeit genommen haben, um das Beste herauszuholen. Kurz vor den Aufnahmen hatten wir auch dGelegenheit, auf Tour zu gehen und mehrere Konzerte zu spielen, was das Album auf ein neues Niveau gehoben hat. Hinzu kommt: Der Eintritt unseres neuen Geigers George Dumitriu ins North Sea String Quartet hat unserer Musik eine ganz neue Richtung gegeben und sein Einfluss wirkt tief auf uns. Die Musik ist seitdem deutlich jazzorientierter geworden, und es fühlt sich an, als würden wir ganz neue Horizonte ausloten.

Ihr habt für die Produktion eures neuen Albums ein Crowdfunding eingesetzt. Zeigt das, dass Euch der Publikumserfolg, für den ein erfolgreiches Crowdfunding ein Gradmesser ist, wichtig ist?

Sicherlich ist es ein sehr hilfreicher Weg, um Feedback und Unterstützung von anderen zu bekommen. Aber es kann auch beängstigend sein, weil man all seine Hoffnungen auf die Menschen setzt, die die eigene Musik lieben. Als wir mit dem Crowdfunding begannen, hatte ich das Gefühl, dass die Leute vielleicht nicht mehr so engagiert sind wie zu unserer Studentenzeit. Aber ich war angenehm überrascht, wie sehr die Leute uns unterstützt haben.

George Dumitriu, ich freue mich, dass Du jetzt auch hier bist. Wie bist Du zum Quartett gekommen? Was für neue Erfahrungen machst Du hier?

Das Quartett gibt es schon seit fünf oder sechs Jahren. Die vorherige Geigerin ist nach Berlin gezogen, also gab es ein Probespiel für ihren Nachfolger. Ich wurde ausgewählt, sie zu ersetzen. Ich habe viel Neues gelernt. Es war schon immer mein Traum, in einem Quartett zu spielen, in dem die Musiker gut improvisieren können. Genau das ist hier passiert. Ich freue mich jetzt, Teil eines Ensembles zu sein, das sich auf Improvisation und verschiedene Musikstile spezialisiert hat. Hier kann ich als Musiker weiter lernen und mein musikalisches Wissen erweitern.

Was reizt Dich an der Rollenverteilung in diesem internationalen – und ja- auch interdisziplinären Streichquartett?

Vor allem die Leichtigkeit, mit der hier die unterschiedlichsten musikalischen Perspektiven zusammenkommen. Jeder von uns bringt seine eigenen Fähigkeiten und Vorlieben mit. Diese Vielfalt inspirierte auch unser neues Album. Es umfasst klassische Stücke, moderne Schlagzeug-Bass-Suiten und freie Improvisationen.

Ist kollektive Improvisation auf Streichinstrumenten nicht auch eine große Herausforderung?

Auf jeden Fall, gerade weil die Interaktion und das Zusammenspiel von vier Streichinstrumenten immer eine sehr anspruchsvolle Sache ist. Deshalb wollen wir junge Menschen von klein auf für diese Möglichkeiten sensibilisieren, die sich hier bieten.

"Erst in den Niederlanden konnte ich als Musiker ich selbst sein" 

Pablo, ab wann hast Du begonnen, über den Tellerrand Deiner klassischen Ausbildung hinaus zu blicken?

Als ich auf den Kanarischen Inseln lebte, besuchte ich jedes Jahr ein Jazz-Festival. Das beeindruckte mich sehr. Ich begann, andere Musikrichtungen zu erforschen, wie Rock, lateinamerikanische Musik, Frank Zappa, Gianluca Monti, Stefan Grappelli und kubanische Klänge. Zur gleichen Zeit lernte ich klassische Stücke. Erst in den Niederlanden konnte ich als Musiker wirklich ich selbst sein. Dort entdeckte ich Ausbildungsprogramme, die mich interessierten. Ich wollte mich an jazzbezogenen Projekten beteiligen und jungen Menschen zeigen, wie man improvisiert.

Du spielst wahrscheinlich auf dein Education-Programm an. Erzähl mehr darüber.

In der Academy of Improvising Strings arbeiten wir mit Jugendlichen und Erwachsenen. Wir hielten es für wichtig, jungen Streichern eine Bühne zu bieten, auf der sie ihre Leidenschaft für Musik jenseits der üblichen klassischen Stücke entdecken können. Wir haben beschlossen, die Akademie inmitten der Natur zu veranstalten, damit die Kinder sich in einem offenen und kreativen Umfeld ausdrücken können. Es ist klar, dass unsere Mission über das bloße Musizieren hinausgeht; wir tragen dazu bei, die Werte und Möglichkeiten von Improvisation an die nächste Generation weiterzugeben.

George, ich würde gerne mehr über die Kultur in eurem Heimatland Rumänien erfahren, das ebenfalls mit einem Stand auf der jazzahead vertreten ist.

Rumänien ist ein sehr lebendiges Land. Vor allem Musik und Kultur sind dort sehr beliebt. Das Publikum ist sehr aufgeschlossen und neugierig. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das Publikum in Rumänien nicht so satt. Es will Neues entdecken und erleben. Seit Rumänien zur EU und zum Schengen-Raum gehört, ist die Kultur internationaler geworden. Es gibt mehr Festivals und Veranstaltungen, bei denen es um Musik und Kunst geht. Dadurch können Musiker dort auftreten. Außerdem gibt es immer mehr Jazzmusiker in Rumänien. Viele Studenten, die im Ausland studiert haben, kommen zurück und machen dort Musik.

Welche besonderen Veranstaltungen oder Festivals in Rumänien können Sie empfehlen?

Es gibt viele tolle Veranstaltungen und Festivals in Rumänien zu entdecken. Eines, das mir besonders am Herzen liegt, ist das Gărâna Jazz Festival. Es findet im Juli in den Bergen statt und bietet eine einzigartige Atmosphäre für Jazzliebhaber. Die rumänische Szene ist intensiv und lebendig, und die Menschen sind sehr gastfreundlich. Außerdem gibt es viele schöne Orte wie Berge, Seen und das Donaudelta zu entdecken. Der Sommer scheint eine gute Zeit für Festivals wie Jazz in the Cave, Jazz at Bran Castle, Jazz x, Jazz in the Park zu sein.

Was wünscht ihr euch für die Zukunft?

Wir wollen unsere Musik auch über die Grenzen der Niederlande hinaus tragen, indem wir bei internationalen Veranstaltungen auftreten und Tourneen in anderen Ländern organisieren. Ich bin gespannt, welche neuen Möglichkeiten sich in Zukunft ergeben werden.

MEHR INFOS, TOURDATES ETC.

Bild für Beitrag: Splunge heißt hineinspringen | Interview mit dem North Sea String Quartet
Bild für Beitrag: Splunge heißt hineinspringen | Interview mit dem North Sea String Quartet
Bild für Beitrag: Splunge heißt hineinspringen | Interview mit dem North Sea String Quartet
Suche