Bild für Beitrag: Sendung Jazz and beyond | Interview mit Jarry Singla auf Radio 674fm
Bild für Beitrag: Sendung Jazz and beyond | Interview mit Jarry Singla auf Radio 674fm
Bild für Beitrag: Sendung Jazz and beyond | Interview mit Jarry Singla auf Radio 674fm
Bild für Beitrag: Sendung Jazz and beyond | Interview mit Jarry Singla auf Radio 674fm

Sendung Jazz and beyond

Interview mit Jarry Singla auf Radio 674fm

Köln, 24.11.2020
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam

Das Gespräch wurde am Sonntag den 22.11. in der Sendung Jazz and beyond mit Uwe Bräutigam auf Internetradio 674fm ausgestrahlt.

Wir haben gerade ein Stück von Anoushka Shankar, der Tochter von Ravi Shankar, gehört. Sie ist mit klassischer nordindischer Ragamusik groß geworden. Ihr Vater mochte die populäre westliche Musik überhaupt nicht. Auch wenn er selbst auf großen Pop Festivals auftrat, waren ihm die Musik und vor allem der Lifestyle der jungen Leute zutiefst fremd.

In einem Interview gestand er später, dass er die Sitarstücke von George Harrison, der sein Schüler war, furchtbar fand. So musste seine Tochter Anoushka aus dem Schatten des Vaters heraustreten um sich der westlichen Musik nähern zu können, wie es ihre Halbschwester Norah Jones bereits machte.

Ich möchte jetzt den Pianisten und Komponisten Jarry Singla begrüßen, der auch indische Wurzeln hat, aber dessen musikalische Sozialisation völlig anders verlief als bei Anoushka Shankar.

Jarry, kannst Du uns etwas über Deinen musikalischen Hintergrund erzählen?

Jarry Singla : Ja, mache ich gerne. Ich bin in der Nähe von Köln geboren und aufgewachsen. Mein Vater kommt aus Nordindien, aus dem Panjab und lebt jetzt schon über 60 Jahre in Deutschland.

Meine Mutter ist hier aus dem Rheinland. Bei uns in der Familie ist meine Mutter die an Musik interessierte Person. Also bin erst einmal mit europäischer Klassik aufgewachsen.

Später kam ich zum Jazz, erst zum amerikanischen Jazz und dann durch mein Studium bei John Taylor an der Musikhochschule in Köln zum europäischen Jazz. Ein ernsthaftes Interesse an indischer Musik hat sich bei mir relativ spät entwickelt.

Du hast gerade mit Deiner Band Eastern Flowers eine neue CD mit dem Titel Tendu herausgebracht. Kannst Du Deine beiden Musikerkollegen kurz vorstellen?

Jarry Singla : Das Trio Eastern Flowers gibt es schon seit 2009. Und dazu gehören der südindische Perkussionist Ramesh Shotham , der sicher vielen Menschen in Deutschland bekannt sein dürfte. Er lebt seit über 30 Jahren in Deutschland und hat mit vielen Leuten zusammen gearbeitet, von Charly Mariano bis zu Steve Coleman. Der dritte im Bunde ist Christian Ramond , Kontrabassist, ursprünglich aus Bonn, lebt aber seit vielen Jahren in Köln und hat wie ich deutsch-indische Wurzeln.

Die neue CD von Eastern Flowers hat den Titel Tendu. Ich möchte auch das Titelstück der CD spielen, kannst Du etwas dazu sagen?

Jarry Singla : Tendu ist ein Fantasiewort und hat keine übersetzbare Bedeutung. Das Stück selbst ist eine Vermischung aus westlichen und indischen Einflüssen. Den Rhythmus der Melodie hört man zu Anfang in der südindischen Trommelsprache Konnakol, ein sogenannter Tihai Rhythmus. Ramesh Shotham spricht diesen Rhythmus und die Melodie, die ich dazu komponiert habe, basiert darauf. Später kommen aber ganz andere Einflüsse dazu, wie europäische Mehrstimmigkeit und Harmonien über die improvisiert wird, alles Dinge, die es in der indischen Musik traditionell nicht passieren

Übrigens mein Kollege Stefan Pieper von NRW Jazz der die CD besprochen hat, schreibt, von einer “Klavierintervention, die auch von Bach kommen könnte. Dass passt ja ganz gut zu dem was Du gerade gesagt hast.

Du hast schon etwas zu dem Stück Tendu gesagt. Wie sind die Stücke insgesamt entstanden? Hast Du einen Vorschlag mitgebracht und ihr habt darüber improvisiert oder sind die Stücke von Dir sehr auskomponiert? Wie war euer Weg zu den Stücken?

Jarry Singla : Generell sind die Stücke schon auskomponiert und ich bin mit relativ konkreten Ideen in die Proben gekommen. Bei manchen Stücken ist es aber so, dass sie sich über Jahre weiterentwickeln. Es kommen neue komponierte Teile hinzu und nicht alles ist von Anfang an vorhanden.

Ich möchte das Stück Aroha spielen. Kannst über die Entstehung dieses Stückes etwas erzählen?

Jarry Singla : 2013 war ich ein halbes Jahr in Mumbai als Stipendiat der Kunststiftung NRW. Ich durfte dort ein halbes Jahr mit indischen Musikern zusammenarbeiten. Daraus ist eine Erweiterung von Eastern Flowers entstanden. Die Band heißt The Mumbai Project, mit drei in Indien lebenden fantastischen Musikern. Für dieses Ensemble habe ich damals in Mumbai komponiert. Und ich habe die Musiker auch immer wieder gefragt, was ich mir anhören soll, wenn ich mehr über indische Musik erfahren möchte. Und der Sänger Sanjiv Chimmalgi (er singt auch auf den beiden Grammy nomminierten Alben Rise und Traveller von Anoushka Shankar) hat mir verschiedeneindischer Sänger*innen empfohlen. Eine davon war die große Sängerin Kishori Amonkar (2017 mit 84 Jahren verstorben). Dann habe ich mir in Indien CDs gekauft, auch von Kishori Amonkar. Im CD Booklet standen viele Informationen über indische Musik, u.a. wurden zwei Begriffe der Musiktheorie erläutert: Aroha und Avaroha. Aroha ist eine aufsteigende Tonfolge und Avaroha eine absteigende. Und ein Raga auf der CD des Mumbai Projects beruht auf Aroha, das ich für meine Komposition verwendet habe.

Zu diesem Stück ist von Irma Stolz, einer Künstlerin, die in Nürnberg lebt, ein animiertes Video entstanden, das auf Aquarellzeichnungen basiert. Wer das sehen möchte, findet es bei Youtube.

Nun haben wir zwei Kompositionen von Dir gehört und ich möchte das Abschlussstück der CD Bangalore von Charly Mariono spielen. Wie seid ihr zur Auswahl dieses Stückes gekommen?

Jarry Singla : Der südindische Perkussionist Ramesh Shotham , der Mitglied im Trio Eastern Flowers ist, hat hier in Köln, aber auch in ganz Europa und Indien, viele Jahre mit Charly Mariano zusammengearbeitet.

Es gibt noch ein anderes Projekt, das ich zusammen mit Ramesh und der Klarinettistin und Saxophonistin Christina Fuchs habe, das heißt Soniq. Und mit Soniq laden wir regelmäßig Künstler aus anderen Kulturen ein. Für eines dieser Projekte brachte Ramesh das Stück Bangalore von Charly Mariano mit in die Probenarbeit. Ich habe dann das Stück arrangiert, in erster Linie harmonisiert, weil das Stück in der ursprünglichen Fassung modal ist, ohne Akkorde. Dann haben wir Bangalore mit Soniq gespielt und uns irgendwann entschieden, dass wir es auch mit Eastern Flowers spielen könnten.

So kam es zu der Auswahl und schließlich gehörte Bangalore auch zu den Tracks, die wir für die CD ausgewählt haben. Denn nicht alles was wir im Studio aufgenommen haben ist auf der CD zu hören.

Ich möchte mich bei Dir Jarry bedanken, dass Du zu Jazz and beyond ins Studio zu gekommen bist und sehr interessante und aufschlussreiche Informationen über Eastern Flowers und die Entstehung der CD Tendu gegeben hast.

Rezension der CD Tendu : https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2020/Jarry_Singla_Eastern_Flowers___Tendu/

Rezension der CD des Mumbai Projects:

https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2017/Jarry_Singla_The_Mumbai_Project_CD_Besprechung/

Review der beiden letzten Konzerte von Soniq:

https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2020/Soniq_Dance_in_der_Brotfabrik_Bonn/

https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2019/Soniq_Voices_Stadtgarten/

Weside von Jarry Singla :https://jarrysingla.com/

Suche