Radio Gespräch mit Stefan Karl Schmid

Über die Musik des neues Album “Absent“

Köln, 15.11.2025
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Patrick Essex

Stefan Karl Schmid ist einer der wichtigsten jazz Saxophonisten seiner Generation. Er leitet das Subway Jazz Orchestra, spielt in der Band Schmid´s Huhn, ist in der Band von Reza Askari mit dabei und spielt in unterschiedlichen Projekten. Er ist ein hervorragender Komponist und Arrangeur und ist Professor für Saxofon in Mannheim. Uwe Bräutigam hat sich mit Stefan Karl Schmid über sein neues Album Absent, seine musikalischen Einflüsse und seine Liebe zu Island unterhalten.

 Am 6. November war der Tag des Saxophons. An diesem Tag ist im Jahr 1814 der Erfinder des Saxophons, der Belgier Adolf Sachs, geboren. 1857 wurde Sachs der erste Lehrer für Saxophon am Pariser Konservatorium. Bei mir im Studio ist auch ein Hochschullehrer für Saxophon, Stefan Karl Schmid . Guten Morgen, Stefan.

 Guten Morgen, Uwe. Vielen Dank für die Einladung.

 Du bist aber hier nicht in deiner Eigenschaft als Professor, sondern als Gast hier, weil du Saxophonist, Komponist und Bandleader bist und gerade ein neues Album herausgebracht hast mit deinem Quartett. Der Titel ist Absent. Was bedeutet die Abwesenheit als Albumtitel?  

 Die kommt ganz einfach daher, dass es ein Wort ist aus einem Stück Titel, der sich auch auf dem Album befindet, In the Presence of the Absent. Der Titel war ein bisschen zu lang für das Cover, deswegen habe ich mich entschieden, es einfach nur Absent zu nennen.

 Erzähl doch mal etwas über das Making of von dem Album. Wie bist du da herangegangen?

 Also die Entstehungsgeschichte ist eigentlich mehr ein Zufallsprodukt. Und zwar war es so, dass wir mit dem Subway Jazz Orchestra, dessen künstlerischer Leiter, ich ja seit einigen Jahren bin, Ende 24 ein Konzert gespielt haben mit Chris Lightcap aus New York. Bassist, E-Bassist, Kontrabassist. Ich bin schon lange Fan seiner Musik. Er hat eine fantastische Band, die heißt Chris Lightcaps Big Mouth. Lohnt sich absolut da mal reinzuhören. Und auf meiner Bucketlist stand schon lange,  dass ich diese Musik mal für Big Band arrangieren wollte und ihn nach Köln einladen, um die Musik mit dem Subway Jazz Orchestra zu spielen. Das haben wir getan 2024 und haben tatsächlich organisiert, dass er aus Amerika hierher geflogen ist.

Und damit sich das auch lohnt und er nicht nur für dieses eine Konzert hierher kommt, habe ich ihm noch zwei Workshops organisiert. Da kam meine Tätigkeit an der Hochschule gelegen. Er hat in Mannheim einen Workshop gegeben und auch in Köln an der Musikhochschule. Und um die Woche zu kompletieren, neben den Proben und dem Konzert mit dem Subway Jazz Orchestra, habe ich noch ein Quartett-Konzert im Loft organisiert.

Und dafür habe ich dann ein paar Stücke geschrieben, die nicht viel Probenaufwand bedeuten, damit wir ganz simpel ein Konzert spielen können im Loft. Und das haben wir dann live mitgeschnitten und die Aufnahme ist so gut geworden, dass ich mich im Nachgang dazu entschieden habe, es zu veröffentlichen. War aber gar nicht geplant ursprünglich.

 Du hattest neben Chris Lightcap noch zwei andere Musiker im Boot, die beide hier aus Köln sind und ganz renommierte Musiker sind. Kannst du sie kurz vorstellen? Dann haben wir die Band ja komplett.

Ja, also neben Chris Lightcap am Kontrabass, er spielt nur Kontrabass auf der Platte, ist mein langjähriger Freund und Kollege Fabian Ahrens am Schlagzeug,  mit dem ich ganz viele Bands habe und ganz viel zusammen spiele. Und Felix Hauptmann spielt Klavier und Rhodes. Felix kenne ich auch schon länger, nicht ganz so gut wie Fabian. Und ich wollte aber schon immer mit Felix auch noch mehr machen und spielen, weil ich ihn sehr bewundere, als Musiker, genauso wie Fabian auch. Und dann dachte ich, es passt gut zusammen, wenn wir zu viert das machen.

Ja, ich habe sie beide sehr früh kennen gelernt und über die Jahre begleitet,  auch in den ersten Sendungen schon Sachen von Fabian gespielt. Das sind auch wirklich tolle Musiker. Habe mich sehr gefreut, als ich die Besetzung deiner Band sah.

Wir hören nun in das Album hinein und zwar More Than Meets The Eye.

 Stefan, wie ist das Stück entstanden? Gab es da eine besondere Inspiration oder irgendeinen Moment, der dich dazu bewogen hat, das Stück zu schreiben?

 Es ist ein bisschen so, wie ich eingangs schon gesagt habe, dass der Grund für das Konzert Chris Lightcap war und sein Auftreten mit dem Subway Jazz Orchestra. Damit ging einher, dass ich mich in den Monaten zuvor sehr viel mit seiner Musik beschäftigt habe, von ihm seine Noten bekommen habe und an Arrangements geschrieben habe für das Jazz Orchestra,  für Big Band, für 17 MusikerInnen und ihn am Kontrabass. Für dieses Konzert im Loft hatten wir natürlich nicht viel Zeit zu proben. Deshalb war meine Idee, dass ich versuche, neue Stücke zu schreiben, auch für dieses Konzert. Die sind logischerweise ein bisschen auch inspiriert durch die Klänge, mit denen ich mich in den Monaten zuvor beschäftigt habe, sprich auch von seiner Musik und seinem Spiel und den MusikerInnen um ihn herum,  die ich auch alle sehr bewundere. Dazu zählen zum Beispiel auch Chris Cheek und Craig Taborn am Rhodes. Das Felix [Hauptmann] Rhodes spielt, kommt auch ein bisschen daher. Felix war auch bei dem Big Band Konzert dabei  und hat die Musik von Chris [Lightcap] eben auch gespielt. Wie schon gesagt, es gab nicht viel Zeit zu proben für dieses Quartettkonzert. Wir haben uns hauptsächlich um die Big Band Musik gekümmert.

So war mein Anspruch, Werke zu schreiben, kleine Stücke zu schreiben, die zwar einen komponierten Rahmen vorgeben, aber ganz viel Freiheit lassen zu improvisieren und die rein vom Notenmaterial her nicht schwierig zu spielen sind, wo ich weiß, okay, das können die Kollegen im Prinzip vom Blatt spielen, dafür brauchen wir eigentlich nicht zu proben und wir können sofort das Material abstrahieren und unser eigenes Ding damit machen und uns in diesem Bandgefüge sozusagen zusammenfinden, weil wir so in der Konstellation ja noch nie zusammen gespielt haben. Wir haben uns dann am Nachmittag getroffen im Loft, haben die Stücke durchgesprochen, ich habe meine Idee vermittelt und dann haben die Jungs gesagt, alles klar, gehen wir was essen und dann spielen wir das Konzert und dann hat sich alles, was passiert ist, live auf der Bühne abgespielt. Ich hatte versucht, die Stücke so zu schreiben, dass die Stücke das provozieren oder die Möglichkeit lassen, dass man sich seine Freiheit nehmen kann und seinen Sound und so wie man selber seine Stärken ausspielen kann. sozusagen. Das war die Grundidee und das gilt eigentlich für alle Stücke und dazu passt dann ein bisschen dieser Titel: More Than Meets The Eye, dieses Sprichwort, das da sozusagen mehr dahinter steckt als das, was nur auf dem Papier steht und sprichwörtlich gilt es für diese Bandkonstellation und die Musik, die wir versucht haben, die ich versucht habe, mit den Kollegen zu machen.

 Du leitest das Subway Jazz Orchester. Du bist mit dem Leonhart Huhn im Schmid´s Huhn. Du hast mit dem Lars Duppler zusammen ein Duo gemacht. Lars war ja auch mal hier. Das war auch ganz wunderbar. Wir haben ja auch Musik aus eurem Duo-Album gespielt du hast Muse gemacht mit einem Oktett, also wirklich sehr, sehr viele verschiedene Sachen und trotzdem, als ich die Platte von dir gehört habe, dachte ich, ja, das ist Stefan Karl Schmid . Man hört ein bisschen deine Handschrift, würde ich mal vorsichtig sagen. Das bedeutet nicht, dass du Klischees hast, aber du hast einen gewissen eigenen Stil entwickelt. Wie würdest du das selbst beschreiben? Das ist sicher eine schwierige Sache, wenn man als Musiker sich selbst beschreiben soll.

Absolut. Sehr schwierige Frage. Klar macht man sich da viele Gedanken drum, aber eigentlich, denke ich, die Beschreibung oder die Zuschreibung zu einem bestimmten Stil oder einer Handschrift, die nehmen eigentlich immer eher andere vor und man selbst als Künstlerin, als Künstler versucht, ganz platt gesagt, einfach sein Ding zu machen und irgendwie versuche ich immer, neue Sachen kennen zulernen, mich weiterzuentwickeln und mich inspirieren zu lassen von meinem Umfeld und nehme einen Tag nach dem anderen und schaue, wohin mich die Reise trägt und versuche, verschiedene Dinge zu tun, ich habe verschiedene Interessen.

Ich komponiere sehr gern, ich improvisiere aber auch sehr gern und in diesem Spannungsfeld zwischen ganz ausnotierter Musik für große Besetzung und intimem Solospiel,  komplett frei improvisiert, da versuche ich, verschiedene Ausdrucksformen zu finden, ich nehme es einfach mal als Kompliment, dass jemand dann in all diesen verschiedenen Sachen, die für mich selber sich wahnsinnig unterschiedlich anfühlen, dass darin eine Handschrift erkennbar scheint, finde ich erstmal positiv, würde ich sagen.

So ist es auch gemeint.

Ich lege es selber gar nicht darauf an bzw. ich glaube auch nicht, dass andere Musiker oder Musikerinnen der Vergangenheit es darauf angelegt haben, irgendwie einen Stil zu haben und auch dann, wenn man denkt, man hat etwas gefunden und bleibt dann dabei und versucht es zu reproduzieren und zu wiederholen, geht es meistens schief, habe ich das Gefühl, sondern es ist eigentlich so ein Prozess, der immer weiter voranschreitet und man entwickelt sich immer weiter und macht Sachen und wenn sich da ein roter Faden durchsieht, ist es gut, wenn nicht, ist auch gut. Definitiv.

Ich erinnere mich, dass ich ein Konzert mit dir gehört habe, ich weiß gar nicht mehr, wer die Mitspieler waren, auf jeden Fall war es ein sehr experimentelles Avantgarde-Konzert, (im Loft und du warst dabei und sofort bekam das mehr Wärme, mehr Ruhe, das war ganz auffällig, dass ich dachte, wenn Stefan jetzt nicht dabei gewesen wäre, wäre das bestimmt viel nervöser, sicher auch spannend,  aber viel nervöser und ein ganz anderes Konzert geworden.  Also nicht nur, dass das Saxophon dazu kam, sondern dass du als Spielerpersönlichkeit dazugekommen bist, das war ganz auffällig.

Ja, das ist schön.

Du bist ja halb Isländer, das heißt deine Mutter ist Isländerin. Im Februar letzten Jahres wollte ich dich einladen um dein Duo-Album mit Lars Duppler vorzustellen und da konntest du nicht kommen, weil du in Island warst. Spielt das Land für dich eine wichtige Rolle?  Ist das ein  Einfluss, der im Hintergrund dabei ist, ohne dass du das als eine Art Stil wahrnimmst?

Auf jeden Fall hat das einen großen Einfluss und ich glaube, ich habe diesen Einfluss auch provoziert in den letzten Jahren. Ich bin natürlich in Deutschland groß geworden und habe in Island nie länger gelebt, aber ich habe versucht in den letzten Jahren mehr meine Kontakte nicht nur zur Familie in Island, sondern vor allem auch in die Musikszene zu erweitern und ich bin ungefähr zwei- bis dreimal im Jahr  in Island und es ist immer mehr gewachsen und ich habe immer mehr dort gemacht, auch mit Lars [Duppler] zusammen, das von dir angesprochene Duo-Album haben wir in Island produziert und auch mit einem isländischen Musiker, mit Hilmar Jensson [Jazz Gitarrist], dann im Trio aufgenommen, in dem Studio dort von Sigur Rós, der isländischen Band und solche Sachen versuche ich mehr zu machen und so viel Zeit dort zu verbringen wie möglich. Es gibt mir sehr viel, ich finde es sehr, sehr schön dort, meine Frau und ich, wir sind gerne zusammen dort und verbringen unsere Zeit dort, fühlen uns sehr, sehr wohl. Und sobald man mehr Zeit an einem Ort verbringt und mit den Menschen dort verbringt, dann hat das zwangsläufig Einfluss und die Beschäftigung mit isländischer Musik und den MusikerInnen vor Ort hat natürlich dann auch Einfluss auf meine Musik und ich merke dann wie sich das so einschleicht, der ein oder andere Titel auch auf dem neuen Album ist isländisch oder auch in der Musik von Lars [der auch halb Isländer ist], wenn ich mit Lars spiele, dass man dann merkt, wie es dazu kommt und man denkt, okay, das hatte wieder so einen isländischen Einfluss. Ja, ich finde es sehr schön und ich versuche das ein bisschen zu bewahren und auch für mich zu kultivieren,  diesen Einfluss.

Ja, da hast du es eben schon angesprochen, auf dem Album ist ein Titel, der heißt Iceland Blues, den wollen wir jetzt mal spielen.

Was hat dich bewogen einen Island Blues zu schreiben, die Dunkelheit im Winter, die karge Landschaft oder die Einsamkeit?

Sehr guter Hinweis. Es ist tatsächlich so, dass die meisten, die das Stück spielen, sich fragen was ist der Blues da dran, man kennt den Blues im Jazz ja eigentlich als Genre und man kennt ihn als Form, über die viele Themen geschrieben werden und improvisiert wird im Jazz. Und es ist aber tatsächlich näher bei dem, was du gesagt hast, nur nicht auf der isländischen Seite, sondern auf der deutschen Seite. Als wir aus Island zurückgekommen sind in 2024 und hier in Köln wieder ankamen war Regen und der Zug war zu spät und es hat ewig gedauert, bis wir zu Hause waren. Und dann haben wir sozusagen den Iceland Blues gehabt, also der Blues als Gefühlszustand. Ja, genau.

Also eher ein Post-Iceland Blues.

 Absolut, genau, mit dem Wunsch, ach, eigentlich müssten wir wieder zurück und einfach dort bleiben.

 Dann kommt die Frage, die ich gerne am Ende stelle, wo können unsere HörerInnen, die jetzt vielleicht angefixt sind von der schönen Musik, deine Musik erwerben oder live hören, was gibt es da an Möglichkeiten?Ja, also für dieses Album habe ich mich entschieden, keine physischen CDs mehr zu machen und wollte das einfach so herausbringen, eben nur im Digitalen. Es ist überall zu hören, auf allen Streaming-Plattformen und über die Online-Anbieter kann man es theoretisch auch kaufen, wenn man möchte, was natürlich toll wäre.

Aber so einfach, wie die Platte entstanden ist, dachte ich, vermarkte ich sie auch, auch das Cover-Artwork und alles kommt von mir selbst. Es ist ein completely self-made product. Ich wollte es einfach rausgeben in die Welt und zur Verfügung stellen, genießt es und hört es auf Streaming-Plattformen, dann erfüllt es seinen Zweck.

Sehr gut, dass ihr das in die Welt gestellt habt, denn es ist wirklich schöne Musik. Wir haben jetzt nur zwei Beispiele gehört, aber es sind noch eine Menge andere schöne Stücke,  die ihr dort hören könnt. Also wann spielst du live in der nächsten Zeit? Nicht mit dieser Musik, aber vielleicht mit anderen Bands.

Genau, mit der Band des Albums wird es schwierig, weil mit Chris Lightcap, müsste man sich überlegen, ob man es schafft, da eine Tour zu organisieren. Das wage ich jetzt mal ganz vorsichtig zu bezweifeln. War auch gar nicht so gedacht, war eher so dieses Zufallsprodukt. Und im Moment bin ich eigentlich drauf und dran, mit meiner Band Schmids`Huhn wieder mehr zu machen. Wir haben jetzt ein paar Konzerte gespielt schon dieses Jahr, auch ein ganz neues Programm geschrieben. Vor drei Tagen haben wir in Düsseldorf gespielt und werden Ende November am 26.11. in Mannheim, in Köln sind wir am 3. Dezember im Loft spielen.  

 Also Knoten ins Taschentuch. Wenn ihr Stefan Karl Schmid und Leonhard Huhn, der auch ein wunderbarer Musiker ist, hören wollt, dann kommt am 3. Dezember ins Loft, 20 Uhr.

 Fabian Ahrens ist auch dabei und Stefan Schöneck spielt Kontrabass, ganz neue Musik. Und kurz nach dem Konzert nehmen wir dann auch das als Album tatsächlich nicht live, sondern als Studioproduktion im Loft auf.

Vielleicht ergibt sich daraus mal wieder ein Termin für eine Sendung mit dir.

 Dann möchte ich gerne noch, bevor ich dich verabschiede, einen Tipp geben für unsere HörerInnen. Du kuratierst ja eine Jazz-Reihe in der Gaststätte Heimathirsch. Jeweils montags holst du dort fantastische MusikerInnen und Bands zusammen und organisierst dort  Konzerte. Das ist in Köln-Nippes.

 Ja, vielen Dank für den Hinweis.Das ist super. Immer montags Jazzzeit im Heimathirsch. Mauenheimer Straße 4, Köln-Nippes, Haltestelle Florastraße, wenn ihr es genau wissen wollt.

Stefan, vielen, vielen Dank, dass du ins Studio gekommen bist. Hat mir sehr viel Freude gemacht und die Hintergrundinformation finde ich immer sehr spannend, du hast das neue Album ein bisschen transparenter gemacht.

Super, herzlichen Dank für die Einladung und die tollen Fragen. Dankeschön.

Das Gespräch ist leicht gekürzt. Es wurde am 9.11.25 in der Sendung Jazz and Beyond auf Radio 674fm live ausgestrahlt.

 

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