Multiphonics Festival Köln
Interview mit Annette Maye
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Jörg Schirner, Dominique Houcmant, Multiphonics e.V.
Vom 24.9.-2.10. 2015 findet in Köln das Multiphonics Festival statt. Ein Festival für Jazz, Weltmusik und improvisierte Musik mit besonderem Schwerpunkt auf kreativer Klarinettenmusik. Im Stadtgarten, im Alten Pfandhaus und im WDRfinden fünf Doppelkonzerte und ein Abschlusskonzert mit dem Clarinet Summet statt. Ein abwechslungsreiches Programm mit renommierten Musikern aus Ost und West.
Die Leiterin des Festivals, Annette Maye , Klarenettistin aus Köln, hat sich Zeit
genommen einige Fragen zum Festival zu beantworten.
Das Multiphonics Festival gibt es seit 2013. Was waren Deine Beweggründe solch ein Festival ins Leben zu rufen?
Als hauptberufliche Klarinettistin im Jazz und in der Weltmusik fühlte ich mich mit meinem Instrument oft allein. Es gibt einige MusikerInnen, die Klarinette als Nebeninstrument spielen, aber nur für wenige ist es ein Hauptinstrument. Die Klarinette ist im heutigen Jazz sehr unterrepräsentiert. In meinem Werdegang habe ich immer Fortbildungen für Klarinettisten vermisst. Vor allem vor meinem Studium in der Jazzabteilung bei Claudio Puntin in Köln. Ich war die erste Musikerin, die ein grundständisches Klarinettenstudium bei ihm gemacht hat. Das war damals ein Sonderfall. Und ich wollte sehen, welche Klarinettisten gibt es noch in Deutschland? Gibt es einen Bedarf an Kursen für Klarinette, wo es um freies Improvisieren und spezielle Spieltechniken für die ganze Klarinettenfamilie geht? Die Klarinette sollte mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Viele Leute finden die Klarinette bieder und rümpfen die Nase, sie gilt als unsexy. Das Image als Mauerblümchen, im Dixieland verhaftet, sollte verändert werden. Ich habe nichts gegen gut gespielten Dixieland, aber die Klarinette kann einfach sehr viel mehr. Das war der Ausgangspunkt für das Multiphonics Festival, die Klarinette soll sowohl in den Konzerten als auch in den Workshops wieder in den Fokus genommen werden.
Die Klarinette ist im Jazz sehr vom Saxophon verdrängt worden und viele Saxophonisten spielen sie so nebenbei.
Dann wird sie manchmal nur halbherzig gespielt. Auch das gilt nicht für alle, es gibt auch Leute die gut Saxophon und Klarinette spielen. Aber häufig werden die Möglichkeiten des Instrumentes, was Klang und Sound betrifft, gar nicht ausgeschöpft. Sie ist oft ein Stiefkind.
Dabei hat die Klarinette mehr als drei Oktaven Tonumfang, hat einen großen dynamischen Umfang, alle Stufen der Lautstärke und ist sehr ausdrucksstark.
Außerhalb der klassischen Musik, kennen die Leute meist Benny Goodman, dann kommt gleich Giora Feidman mit seiner Klezmermusik und das war es dann aber auch schon.
Dieses Jahr gibt es zum ersten Mal auch eine Instrumentenmesse im Alten Pfandhaus in Köln.
Mit dieser Messe wollen wir auch die Neuheiten, sowohl bei Instrumenten als auch beim Zubehör zeigen. Die Messe findet im Alten Pfandhaus im Galeriebereich statt. Sie ist sehr wichtig für uns. Zum einen finden die MusikerInnen alles speziell für Klarinette und Saxophon. Zum anderen ist es für uns wichtig, den Kontakt zur Wirtschaft und zu potentiellen Sponsoren herzustellen. Wir haben es schwer, Firmen wie Marshall, kann man für ein Festival mit elektrischen Gitarren gewinnen, aber nicht für uns. Wir sind auf die Instrumenten-und Zubehörhersteller angewiesen.
Für die Besucher ist die Messe kostenlos. Wir haben fast zwanzig internationale Aussteller, spezialisierte Zubehörhersteller aus Holland, Firmen aus Paris oder der Schweiz, Yamaha, Arnold Stölzel und viele andere. Wir sind ganz beglückt, das so viele Aussteller interessiert sind und hoffen nun auch, dass viele Besucher auf die Messe kommen.
Dieses Jahr hat das Festival also drei Bereiche: Konzerte, Workshops und Instrumentenmesse.
Was hat euch bewogen das Festival Muliphonics zu nennen?
Multiphonics, das sind die sogenannten Spaltklänge. Die ganzen Obertöne, die bei den Tönen mitschwingen, werden mit bestimmten Griffweisen hörbar gemacht. Das sind nicht die herkömmlichen Griffe, sondern spezielle Techniken, die diese Töne aus dem Instrument herauskitzeln. Mit besonderem Ansatz gelingt es verschiedene Töne gleichzeitig hörbar zu machen. Das ist der eigentliche Fachbegriff.
Aber für uns steht der Begriff Multiphonics für den Facettenreichtum der Klarinette, den wir hörbar und sichtbar machen wollen, sowohl die Spielweise, wie auch das Repertoire. Wir wollen zeigen wo die Klarinette überall gespielt wird, wir sind stilistisch nicht eingegrenzt.
Im Programm gibt es dieses Jahr auch Alte Musik und zeitgenössische Musik. Wir verwenden deshalb den Begriff Multiphonics nicht im engen Sinne. Er soll nicht suggerieren, dass es sich nur um Neue Improvisationsmusik handelt. Der Festivalname sollte ein englischer Begriff sein, da wir viele internationale Musiker haben. Das Wort Clarinet wollten wir nicht in den Namen nehmen, da wir auf dem Festival nicht nur Klarinetten haben, sondern auch viele andere Instrumente. Auch wenn die Klarinette im Mittelpunkt steht ist Multiphonics ein ganz normales Festival für Jazz, Weltmusik und Improvisierte Musik.
Ist das Festival auch ein Ausdruck einer Trendwende in der Rolle der Klarinette im Jazz?
Ob es eine Trendwende ist, wird sich in den nächsten Jahren herausstellen. Aber es gibt jetzt durchaus Leute, die Klarinettenprogramme anbieten, obwohl sie eigentlich Saxophon studiert haben. Ich habe das Gefühl, dass die Bassklarinette mittlerweile sehr beliebt ist. Es gibt auch Bassklarinette und Elektronik. Wenn ich in das Loft Programm in Köln schaue, dannsehe ich nun öfter, dass Leute mit Klarinette auftreten. Die Klarinette wird einfach wieder mehr gespielt, dass kann man wohl so sagen. Es gibt heute auch mehr Studenten mit Klarinette im Hauptfach, als 2001 zu meiner Zeit.
Unser Festival soll den Menschen auch zeigen, das es nicht nur Mozarts Klarinetten Konzert mit Sabine Meyer gibt. Klarinettenmusik muss nicht nur bierernst sein. Die Klarinette kann ganz spontan sein. Das kennen die Menschen schon aus der Klezmermusik, aber die Klarinette ist eben nicht nur auf Klezmer festgelegt.
Einer von meinen Lieblingsmusikern ist Eric Dolphy, der 1964 in Berlin gestorben ist. Er hat die Bassklarinette in den Jazz eingeführt. Seine Musik ist etwas, das Wert ist in Erinnerung gerufen zu werden. Eric Dolphy war ein cooler Typ und kann auch heute noch junge Leute ansprechen. Wir spielen mit dem Gedanken, das Konterfei von Dolphy für unser Festival zu nutzen. Wir müssen noch die Rechte abklären. Der Mann hatte Ausstrahlung und wenn wir ein Gesicht für unser Festival wählen, dann das von Eric Dolphy.
Die Klarinette hat im Klezmer und in der Balkanfolklore eine wichtige Rolle behalten.
In diesem Bereich hat die Klarinette besser überlebt. In der Folklore hat die Klarinette bis heute einen wichtigen Platz. Das zeigen wir ja auch in unserem Festivalprogramm. Dort findet sich auch Musik, die stark von der Folklore bestimmt ist, wie Ivo Papasov aus Bulgarien und seine Weddingband oder das sehr angesagte Taksim Trio aus Istanbul. Es findet auch am 27.9. ein Workshop mit Hüsnü Senlendirici vom Taksim Trio statt, wo es um türkische und arabische Phrasierungen geht. Der 27.9. ist unser Weltmusiktag, erst der Workshop und dann das Konzert im großen Sendesaal des WDR.
Wir wollen auch die verschiedenen Arten der Klarinette zeigen. Ernesto Molinari aus der Schweiz z.B. wird ein halbakustisches neuentwickeltes Kontrabassklarinetteninstrument vorstellen.
Du spielst selbst in Gruppen, die orientalische Musik mit einbeziehen. Was ist für Dich dabei die größte Herausforderung?
Die Vierteltönigkeit ist eine Herausforderung. Ich versuche die Töne zu hören und mit alternativen Griffkombinationen oder mit dem Ansatz nachzuspielen, dass es orientalisch klingt. Aber ich habe seit ich zwanzig bin Kontakt mit türkischer Musik, deshalb ist es mir nicht mehr fremd. Ich bemerke aber, dass mein Ton doch eher klassisch geprägt ist. Ich dürfte vielleicht mehr Vibrato spielen. Ich muss lernen locker zu lassen, denn es geht in dieser Musik darum die Seele sprechen zu lassen. Es wird viel Ornamentales benutzt und nicht immer nur auf die perfekte Intonation geachtet. Obwohl diess natürlich auch in gewisser Weise perfektioniert worden ist. Die Rhythmik in der türkischen und der Balkanmusik finde ich sehr ansprechend. Dazu habe ich von Anfang an einen guten Zugang gefunden. Natürlich muss man das alles über die Jahre üben, aber damit hatte ich nie ein wirkliches Problem. Mein Freund sagt immer, dass ich rumänische Gene habe, durch meinen Urgroßvater.
Vielleicht hat die Hingezogenheit zu dieser Musik wirklich etwas mit meinen Vorfahren zu tun. Aber wer ein musikalisches Ohr hat, kann diese Musik auch lernen ohne Vorfahren aus der Türkei oder dem Balkan zu haben.
Ich habe mich sehr früh damit beschäftigt. Schon in der Kölner Schäl Sick Brassband, in der ich mitspielte, wurde orientalische Musik mit einbezogen. Aus dieser Band ist auch das Tabadoul Orchester entstanden. Raimund Kroboth, der Begründer der Schäl Sick Brassband, leitet die Gruppe. Wir haben gerade ein Programm mit Musik aus Ägypten, mit dem wir auch im Libanon und im Emirat Fujairah aufgetreten sind. Wir spielen in westlicher Instrumentierung Musik des berühmten ägyptischen Sängers und Komponisten Mohammed Abdel Wahab (1902-1991), den die arabische Welt sehr verehrt.
Vor dem eigentlichen Festival, am 19.9. spiele ich mit dem Tabadoul Orchester in der Kölner Philharmonie.
Kannst Du etwas zum Programm des Festivals sagen?
Als Veranstalter freue ich mich natürlich auf alle Konzerte, jedes in seiner Art ist besonders. Ganz persönlich freue ich mich auf Ivo Papasov, der für mich als junge Klarinettistin ein großes Vorbild war. Dass er nun auf das Festival kommt freut mich sehr, da er auch schon länger nicht mehr in Deutschland gespielt hat. Ich finde ihn einfach toll und bin begeistert von seinem Spiel. Dann freue ich mich natürlich auf meine eigenen Auftritte mit verschiedenen großartigen Musikern, wie Günter “Baby“ Sommer, Michel Godard und Patrick Bebelaar. Oder mit Gianluigi Trovesi, meinem langjährigen musikalischen Freund, der mit meiner Band Vinograd Express zusammen spielen wird.
Spannend wird auch das Soloprogramm von Frank Gratkowski. Ich habe schon vor über zehn Jahren sein Soloprogramm mit Klarinetten und Saxophonen erlebt. Das neue Programm heißt „Artikulation K“, wobei K für Klarinette steht. Er wird nur verschiedene Klarinetten benutzen und das wird sicher spektakulär.
Sehr neugierig bin ich auf Ernesto Molinari, den ich noch nie in einem Konzert erlebt habe. Ein Höhepunkt wird der Clarinet Summit sein, den es seit 1979 nicht mehr gab und den es auch so nicht mehr auf der Bühne geben wird. Es ist etwas Einzigartiges.
Es klingt etwas unorthodox, aber wir freuen uns auch besonders auf zwei Pianisten, auf Bojan Z, der mit Michel Portal im Duo spielen wird, und auf Patrick Bebelaar. Beides sind wirklich großartige Musiker, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Am gleichen Abend spielt auch das Meike Goosmann Quartett, unbedingt lohnenswert.
Zu Louis Sclavis, Aldo Romano und Henri Texier braucht es keine Erklärungen, alle drei Namen stehen für große Musik.
Mir ist es auch wichtig Musiker aus NRW mit einzubinden. Beim Clarinet Summit spielen z.B. Sebastian Gramss am Bass und Albrecht Maurer an der Violine mit. Beides sind Kollegen mit denen ich in unterschiedlichen Projekten zusammenarbeite. Das verjüngt die Gruppe auch.
Nicolai Pfeffer aus Köln mit dem Alinde Quartett, die den Bereich der Klassik abdecken, sind ebenfalls noch sehr junge Künstler.
Also ein vielfältiges Programm, auf das ich mich sehr freue.
Ich wünsche Dir viel Erfolg mit dem Festival und möchte nochmals dafür danken, dass Du Dir trotz Deines engen Terminplanes Zeit für das Gespräch genommen hast
www.multiphonics-festival.com/