MULTIPHONICS FESTIVAL
INTERVIEW MIT ANNETTE MAYE
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Annette Maye , die künstlerische Leiterin des Multiphonics Festivals, rund um die Klarinette und selbst auch eine hervorragende Klarinettistin und Komponistin, hat in der Sendung Jazz and beyond mit Uwe Bräutigam über das Festival gesprochen.
DAS MULTIPHONICS FESIVAL FINDET AUCH DIESES JAHR WIEDER STATT
Es gibt wieder ein Multiphonics Festival, auch 2025. Das ist ja nicht selbstverständlich. Viele kleine Festivals geben auf, weil sie die Last finanziell nicht mehr stemmen können. Selbst das renommierte Achtbrückenfestival ist eingestellt worden. Wie schafft ihr das?
Annette Maye : Ja, das mit dem Achtbrückenfestival ist, glaube ich, so ein Bauernopfer. Zugunsten anderer großer Festivals in Köln ist jetzt meine Meinung dazu, dass man sozusagen beispielhaft eines dieser großen Festivals streicht. Aber tatsächlich, es trifft eher die kleinen und mittleren Festivals. Und das ist natürlich traurig, weil viel ehrenamtliche Arbeit und Engagement da auch drinsteckt. In unserem Fall auch über viele, viele Jahre. Seit 2013 machen wir dieses Festival. Und es ist so, wir sind im Grunde finanziell jetzt schon wieder so zurückgeworfen auf den Stand von 2014, 2015. Und das ist natürlich anstrengend und auch bitter. Also wir haben so viel Arbeit da hineingesteckt. Und die Stadt fördert uns ja auch weiterhin. Wir haben dann eine mehrjährige Förderung bekommen als Festival. Da sind wir auch sehr, sehr dankbar. Und aus diesem Grund machen wir auch weiter. Aber wir haben Probleme zum Beispiel mit der Landesförderung. Da gibt es wirklich eine Streichliste.
Und wenn man auch noch so ein spezielles Thema hat, wie die Klarinette, dann sehen das manche Leute nicht ein, wozu es dieses Festival braucht. Es gibt ja auch andere Festivals mit Gitarrenschwerpunkt oder ein Klavierfestival. Und gerade für die Klarinette gibt es so ein Festival wie unseres in Deutschland kein zweites Mal. Es gibt viele klassisch ausgerichtete Festivals für Klarinette. Aber so etwas, was wir machen, gibt es in Deutschland kein zweites Mal. Aber noch gibt es uns ja.
Ich war gerade auf dem New Colours Festival in Gelsenkirchen. Und dort wurde ganz kurzfristig die Landesförderung gestriche. Und dann ist die Stiftung Ruhrkohle AG eingesprungen, das war ein Glücksfall. Sonst hätte das Festival nicht stattfinden können.
Annette Maye : Ja, es bräuchte halt einfach auch mal eine perspektivische Förderung. Es ist ja auch ein großer Aufwand, nicht nur für uns, für alle Festivals, jedes Jahr aufs Neue bei Null anzufangen mit den Projektanträgen und so weiter. Es wäre schön, wenn es etwas so ähnlich wie es die Ensemble-Förderung gäbe. In Köln zum Beispiel werden ja Ensembles über mehrere Jahre gefördert.
BEYOND THE ROOTS LARGE ENSEMBLE ERÖFFNET DAS FESTIVAL
Das Multiphonics Festivals wird wieder von einem großen Ensemble eröffnet, vom Beyond the Roots Large Ensemble. Wie ist das Ensemble entstanden?
Annette Maye : Wir haben angefangen mit fünf MusikerInnen aus Köln als Kollektiv in der Corona-Pandemie. Und dann hatte Albrecht Maurer die Idee im vorletzten Jahr, ein Large Ensemble daraus zu machen und Leute einzuladen aus der transkulturellen Szene, die auch im Jazz verwurzelt sind oder auch in der zeitgenössischen Musik und so mal ein bisschen dieses Thema Beyond the Roots, jenseits der Wurzel, noch etwas auszuarbeiten mit einem großen Ensemble. Dann haben wir eben angefangen, Leute aus Berlin und aus Wien oder auch aus Straßburg anzufragen, aus Frankreich. Und wir haben eine Förderung bekommen vom Deutschen Musikfonds. Das ist super und so haben wir drei Projektphasen finanzieren können.
Eine Arbeitsphase mit anschließendem Konzert. Immer so, dass wir zwei Tage proben und dann das Konzert spielen. Die erste Arbeitsphase wurde von Albrecht Maurer , unserem Geiger, geleitet. Er hat auch die Stücke geschrieben. Im letzten Jahr habe ich eine Suite geschrieben und auch musikalisch geleitet. Also immer die Person, die die Musik für diesen Klangkörper schreibt, die leitet musikalisch an und dirigiert auch.
Jetzt haben wir Mahan Mirarab und Golnar Shahyar aus Wien mit dem Thema Iranian Poetry. Er hat Stücke geschrieben über die Texte diverser persischer Dichter. Und auch Golnar Shahyar hat ein Gedicht beigesteuert. Hierzu haben wir den Klangkörper auch ein bisschen verändert. Einmalig für dieses Projekt neue Gäste eingeladen. Da geht es auch viel um die Stimme. Deswegen neben Golna, die singen wird in dem Ensemble, haben wir auch Filippa Goyo eingeladen. Dann haben wir an der Querflöte Daniel Manrique-Smith, Shannon Barnett an der Posaune und zwei iranischstämmige Musikerinnen, Misah Jolai an der Kamantsche, der Kniegeige. Und Roshanak Rafani, sie lebt in Berlin, spielt Percussion, also persische Percussion.
Das Beyond the Roots Large Ensemble spielt am 12.10. um 18 Uhr in Köln im Orangerie-Theater im Volksgarten. Dann könnt ihr die neuen Kompositionen von dem persischen Gitarristen Mahan Mirarab und von Golnar Shahyar hören.
DIE WIENER BASSISTIN GINA SCHWARZ MIT MULTIPHONICS 8 IM LOFT
Das Festival geht ja insgesamt vom 12. bis zum 18. Oktober. Also es geht an einem Sonntag los und hört an einem Samstag in der darauf folgenden Woche auf. Und findet komplett in Köln an verschiedenen Spielorten statt.
Also los geht es, in der Orangerie in der Kölner Südstadt. Dann gibt es danach, ab dem Dienstag, den 14. Oktober, zwei Abende im Loft in Köln-Ehrenfeld.
Am 14. Oktober um 8 Uhr abends spielen wir mit Gina Schwarz und dem Multiphonics 8. Der Name weist schon auf den Ursprung dieser Band hin. Dieses Ensemble ist aus einem Kompositionsauftrag unseres Festivals im Jahr 2021 entstanden.
Multiphonics 8 spielt mit Gina Schwarz. Sie ist eine Jazzbassistin aus Wien, sehr viel unterwegs und unterrichtet auch Kontrabass an der Musikuniversität in Wien. Eine sehr gefragte Kontrabassistin und Komponistin. Sie leitet auch das Panonica Ensemble.
Sie hat Musik geschrieben, inspiriert von dem Songwriter, Nick Drake, der sehr früh verstorben ist. Und das Besondere, darf ich noch vielleicht kurz erwähnen, an diesem Ensemble ist der Klangkörper. Zwei Klarinetten und zwei Bassklarinetten. Manchmal auch eine Kontra-Altklarinette, wenn Steffen Schorn da ist, aber er ist jetzt leider an dem Abend woanders verpflichtet. Und dann noch Rhythmusgruppe und Querflöte. Also das ist wirklich speziell für dieses Festival entstanden. Und jetzt sind wir eben am 14.10. im Loft in Köln zu hören.
QUISPEL QUINTET / MULTIPHONICS IMPROVISER ORCHESTRA & PATA MAGMA
Am nächsten Tag 15.10. ist ein Doppelkonzert mit dem international besetzten Quispel Quintet und einem besonderen Large Ensemble, dem Multiphonics Improvisers Orchestra. Das Quispel-Quintet wird am Anfang spielen, los geht es um 19.30 Uhr im Loft. Das ist die Band von Leonhard Skorupa, einem im deutschsprachigen Raum sehr angesagten oder auch international bekannten Klarinettisten, Saxophonisten und Bandleader.
Er hat ein illustres Quintett zusammengestellt mit Asya Valcic, einer kroatischstimmigen Cellistin, die in Österreich lebt und Michael Moore, der in den Niederlanden beheimatet ist, ursprünglich aus Kalifornien stammt, an den Klarinetten und Saxophon. Und mit Michael Vatcher am Schlagzeug, der zwischen New York und Amsterdam pendelt.
Im Grunde ist das Musik, die zwischen Cool-Jazz und zeitgenössischem Kammerjazz hin und her changiert. Robert Landfermann ist auch noch dabei, den habe ich jetzt noch gar nicht erwähnt. Er ist ja hinlänglich bekannt, in Köln beheimatet und WDR Jazzpreisträger und ein toller Bassist und übrigens auch ein Kommilitone von mir gewesen an der Musikhochschule.
Und das zweite Ensemble ist eine Neuheit, weil einige der Musiker und Musikerinnen sich gar nicht kennen. Wir haben überlegt, wie kann man diese verschiedenen Menschen, die sich teilweise noch nie gesehen haben, zusammenbringen und haben dann unseren Bekannten Norbert Stein , einen Saxophonisten, gefragt, der so tolle grafische Notationen erstellt oder auch Spielanweisungen. Und es sehr, sehr gut kann, verschiedenste Menschen, Musiker*innen zusammenzubringen, die auch in unterschiedlichen Genres, Jazz, neue Musik, transkulturelle Musik beheimatet sind.
THOMAS SAVY & PIERRE-FRANCOIS BLANCHARD BEI SCHOCKE PIANOS
Wir haben unter anderem Cymin Samawatie, die Leiterin und Gründerin des Trickster Orchestras dabei. Wir haben dann auch Musiker und Musikerinnen, die eh schon auf dem Festival sind. Gina Schwarz ist am Kontrabass und Mahan Mirarab an der Gitarre.
Dann haben wir Thomas Savy, auf den ich nachher noch zu sprechen komme. Also ganz, ganz illustre Besetzung. Thomas Savy spielt dann am nächsten Abend, am Donnerstag, den 16. Oktober im Pianohaus Schocke in der Lindenstraße in Köln, mit seinem Duo-Partner Pierre-Francois Blanchard. Die beiden haben im 2024 auf einem französischen Label eine CD herausgebracht mit dem Titel: Puzzled. Darauf sind ausschließlich Kompositionen von Pierre-Francois Blanchard, die sehr viel Freiraum für Improvisationen und Entfaltung bieten, Thomas Savy kenne ich schon sehr, sehr lange. Er war schon mehrere Mal auf dem Festival und ist in meinen Augen neben Louis Clavis einer der besten Bass-Klarinetisten in ganz Europa. Also er ist mir auch zum Freund geworden. Er ist auch Saxophonist und spielt auch super B-Klarinette, er spricht übrigens auch sehr gut Deutsch. Er ist wahnsinnig talentiert und ist auch mit der klassischen Musik vertraut. Er hat einfach einen unfassbaren Sound auf der Bass-Klarinette in allen Lagen. Er spielt auch bei Gina Schwarz mit und ich habe gerade vorgestern mit ihm gespielt und ich bin wirklich immer wieder erstaunt über sein Klangspektrum, auch natürlich auch seine Techniken. Das ist ein ganz wunderbarer Musiker, den man sich nicht entgehen lassen sollte, wenn er denn schon einmal in Köln spielt. Er lebt ansonsten in Paris.
ZWEI KONZERTABENDE IM FILMFORUM NRW IM MUSEUM LUDWIG
Dann gibt es noch zwei weitere Abende im Filmforum NRW, das ist im Museum Ludwig, linker Eingang. Da haben wir jeweils Doppelkonzerte. Am Freitag den 17. Oktober um 19.30 Uhr geht es los mit Markus Stockhausen , Florian Weber und Claudio Puntin. Dieses Trio hat noch nie als Trio zusammengespielt. Die Musiker haben jeweils im Duo mit einem der anderen beiden gespielt und jetzt war die Idee von Markus Stockhausen , ich möchte gerne mal ein Trio mit Florian und Claudio zusammen machen. Man darf gespannt sein, was daraus entstehen wird. Auf jeden Fall ein sehr intuitiver Abend, denn die intuitive Musik ist das, was Markus eigentlich am liebsten macht. Wirklich aus dem Moment heraus entstandene Musik. Vielleicht haben sie auch Stücke vorbereitet, wir wissen es noch nicht, aber das lohnt sich auf jeden Fall. Und der zweite Act ist auch auf altdeutsch gesagt eine Wucht.
Ich habe mir das gestern noch mal ein Arte-Video angeschaut. Yom X Ceccaldi. Yom ist ein französischer Klarinettist, der auch zwischen Klassik, Klezmer, Jazz und improvisierter Musik und auch Minimal Music hin und her changiert und seine eigene Klangsprache gefunden hat.
Er ist mit zwei super tollen Streichern zusammen da, mit den Brüdern Theo und Valentin Ceccaldi. Dieses Trio ist vom Klangspektrum sehr rhythmische Musik, modal, sehr südosteuropäisch angehauchte Atmosphären, spirituell. Das ist einfach total Klasse. Dann geht es in den Abschlussabend am 18. Oktober auch im Filmforum NRW, im Museum Ludwig. Da haben wir die Band von Naissam Jalal, eine syrische Flötistin, die in Frankreich groß geworden ist, in Paris lebt und aus beiden Kulturen Musik aufgesaugt hat.
In ihrer Musik ist das zu hören. Sie hat im vergangenen Jahr einige Monate in Nordindien verbracht, ist dort alleine herumgereist, hat Musiker, Musikerinnen getroffen und hat das Programm Landscapes of Eternity, inspiriert von nordindischen Landschaften, entwickelt und das werden wir dann eben am 18. Oktober am Samstag im Filmforum hören können. Sie hat Gäste aus Brasilien, aus Nordindien dabei. Es ist wirklich eine Jazzbesetzung mit indischem Spirit. Tempura ist dabei, Tablas sind dabei, aber eben auch Piano und Schlagzeug. Und Naissam spielt nicht nur sehr gut Querflöte, sondern auch Nay und singt auch wunderschön.
Und dann haben wir eine Band aus Amsterdam, die aber auch international besetzt ist. Sie ist brasilianisch, portugiesisch, türkisch, niederländisch und sie heißt Cacha Mundinho. Das heißt Catch a Small World, also Fang eine kleine Welt. Und es ist eine Band, die sich der portugiesischsprachigen Musik verschrieben hat. Angeführt von Joana Almeida. Hier haben wir gar keine Klarinette dabei, nur Holzbläser, aber keine Klarinetten. Wir haben aber hier eine wunderbare Oboistin, Maripepa Contreras, die auch super Duduk spielt. Und ich war wirklich sehr angetan von ihrem Spiel.
MULTIPHONICS IN KOOPERATION MIT DEM WUPPERTALER JAZZMEATING
Multiphonics hat im Grunde zwei Standbeine. Einmal in Köln, das haben wir eben schon gehört. Und einmal in Wuppertal, in Kooperation mit dem Wuppertaler Jazz Meeting.
Annette Maye : Wir waren ja auch letztes Jahr schon in Wuppertal. Genau, also das in Wuppertal läuft unter Jazz Meeting. Aber Multiphonics hat mit kuratiert, so wie im letzten Jahr auch. Und das Jazz Meeting startet am 30. Oktober und endet am 8. November an verschiedenen Spielorten. Eröffnet wird es am 30. Oktober mit dem Yazz Ahmed Quartet und der Band von Jörg Schipper aus Berlin. im REX Kino in Wuppertal. Und dann gibt es viele andere tolle Acts, die man alle auf der Seite des Jazz Meetings finden kann, oder auch auf unserer Seite www.multiphonics-festival.com. Ich möchte noch zwei Abende erwähnen.
Das Trio mit Stockhausen, Puntin und Weber spielt am 5. November in der Insel im Café Ada, oben im 1. Stock, zusammen mit dem Felix Hauptmann Quartett. Felix Hauptmann, ein junger Jazz Pianist, ist sehr, sehr hörenswert. Und am 7. November sind auch noch mal Yom mit den Ceccaldi-Brüdern und Naissam Jalal mit ihrem nordindisch angehauchten Projekt Landscapes of Eternity ebenfalls in der Insel zu hören.
Also wer in Köln die Konzert Termine nicht wahrnehmen kann hat noch einmal eine Chance in Wuppertal diese tolle Musik zu hören. Und Yazz Ahmed kommt nach Wuppertal. Eine großartige Trompeterin, die arabische und europäische Musik miteinander auf eine wunderbare Weise verbindet.
Liebe Annette, vielen Dank und alles Gute für das Multiphonics Festival.
multiphonics-festival.com
Das Interview wurde am 28.9.25 in der Sendung Jazz and beyond auf Radio 674fm live gesendet, Zwischen den Blöcken lief Musik. Es wurde leicht gekürzt.