Multiphonics Festival 2021
Interview mit Annette Maye
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Das Multiphonics Festival rund um die Klarinette findet dieses Jahr wieder in voller Größe statt. Letztes Jahr gab es bedingt durch die Pandemie, eine verkleinerte Ausgabe mit zwei Tagen im Alten Pfandhaus Köln und einem Tag in der Jazz Schmiede Düsseldorf. Die Komponistin und Klarinettistin Annette Maye , künstlerische Leiterin des Festivals, gibt Auskunft über das Programm, die Musiker*innen, über neue Festival Orte und eine neue Programmlinie mit zeitgenössischer Musik.
Ein Blick in das Programm des Multiphonics Festivals zeigt, das es sehr breit und vielfältig angelegt ist. Das Festival 2021 hat eine neue erweiterte Struktur, kannst Du etwas darüber erzählen?
Annette Maye : Wir haben zusätzlich zu den Konzerten mit Jazz, improvisierter Musik und Weltmusik, nun auch eine eigene Linie mit zeitgenössischer Musik. Das konnten wir Dank einer Förderung des Musikfonds realisieren. Wir haben die “Gunst“ der Corona Zeit genutzt und unsere Anträge ausgeweitet. Wir hatten immer schon Neue Musik im Programm, Ernesto Molinari und das Duo Stump-Linshalm waren schon auf dem Festival, aber es war nicht so deutlich im Fokus.
Jetzt haben wir drei Tage Konzerte in einer Kölner Kulturkirche, der Kunststation St. Peter, ein Ort der für Gegenwarts Kunst-und Musik bekannt ist. Dort spielen kleine Ensembles, aber es wird zusätzlich zur Musik auch Video Kunst stattfinden. Die Künstlerin Alva Corral aus Barcelona ist zu Gast. Sie war schon einmal auf dem Festival und hat ein Konzert von Claudio Puntin künstlerisch begleitet. Nun hat sie aber in dem großen Kirchenraum ganz andere Möglichkeiten. Sie wird einen Großteil des Kirchenraumes mit ihrer Live Video Kunst bespielen. Eine audiovisuelle Live-Performance, bei denen sie Echtzeit-Codierung und -Zeichnen in Zusammenarbeit mit den Musiker*innen integriert. Es ist so etwas wie Live Painting auf Video Ebene, Improvisationen zur Musik. Sie wird an drei Abenden 27.-29.9. die Konzerte begleiten. Es beginnt am 27.9. mit dem Klarinetten Duo Petra Stump-Linshalm – Peter Linshalm. Ein Musikerpaar aus Österreich, die schon vor einigen Jahren ein wunderbares Konzert auf dem Festival gespielt haben. Sie sind großartige Instrumentalisten, sympathische und humorvolle Menschen.
Am 28.9. kommt das renommierte Trio Catch aus Hamburg, mit Klarinette, Cello und Klavier. Sie werden drei Werke spielen, unter anderem auch eine Uraufführung. Am 30.9. ist Claudio Puntin, mein ehemaliger Lehrer, dem ich sehr verbunden bin. Er spielt im Duo mit seiner Ehefrau Gerdur Gunnarsdottir (Violine und Gesang). Sie machen eine ganz besondere Art von Neuer Musik, sehr melodisch und sphärisch. Island Atmosphäre, die Gerdur, die aus Island stammt, mitbringt. Ihr Programm trägt deshalb auch den Titel Essence Of North.
Diesen Programmteil, mit den drei Konzerten in St. Peter, nennen wir Light Reed – New Music Series.
In Köln wird das Festival aber doch neben der Kunststation St. Peter wieder im Alten Pfandhaus stattfinden?
Annette Maye : Drei Abende finden im Alten Pfandhaus in Köln statt. Dort werden wir Jazz oder Crossover von Jazz und Weltmusik spielen. Auf dem ersten Konzert am 29..9. werden der bekannte israelische Pianist Omer Klein und der virtuose mazedonische Klarinettist Ismail Lomanovski, der schon seit vielen Jahren in New York lebt, spielen. Wir sind alle gespannt, da dieses Duo nicht sehr oft zusammenspielt. Am selben Abend spielt auch das Sheen Trio, mit der jungen Bassklarinettistin Shabnam Parvaresh, die in Osnabrück lebt und ursprünglich aus dem Iran kommt. Wir freuen uns, dass wir wieder einige weibliche Künstler gewinnen konnten, u.a. Shabnam, die zum ersten Mal zu Gast ist. Wie man sieht finden einige Konzerte auch gleichzeitig statt, aber das lässt sich nicht vermeiden.
Am 2.10. kommt dann der international etablierte Jazz Pianist Florian Weber, mit dem ich zeitgleich an der Musikhochschule in Köln studiert habe. Er spielt im Duo mit dem syrischen Klarinettisten Kinan Azmeh. Dann spielt das Festivalprojekt Multiphonics 8 mit der Komponistin und Bassistin Gina Schwarz aus Wien. Dieses Projekt Ensemble hat auch schon letztes Jahr im Pfandhaus gespielt. Aber bedingt durch Corona, gab 2020 nur eine kleine Ausgabe des Festivals, zwei Tage im Alten Pfandhaus und einen Tag in der Jazz Schmiede in Düsseldorf. Eigentlich sollte das Ensemble auch an anderen Orten spielen. Gina Schwarz hat sehr intensiv an ihre Kompositionen gearbeitet. Diese wunderbaren Kompositionen sollen nicht mit einem Konzert verpuffen. Gina hat noch weitere Kompositionen für dieses Jahr dazu geschrieben. Teilweise inspiriert von dem Songwriter Nick Drake, manchmal sehr melancholische Werke. Daraus hat sie aber sehr rhythmische Musik gemacht. Sie hat keine Stücke von ihm bearbeitet, sondern sich davon inspirieren lassen. Gina hat für große Besetzung vier Klarinetten, Klavier, Bass, Gitarre, Schlagzeug und Querflöte komponiert. Ich spiele dort selber mit und freue mich sehr darauf. Als drittes wird ein französischer jüdischer Klarinettist spielen, der sich Yom nennt, wie Yom Kippur. Er kommt mit einem Streichquartett aus Paris und wird Musik darbieten, die zwischen Klassik, Jazz und Weltmusik mit orientalischen Einflüssen liegt. Das ist sehr feine hochkarätige Musik. Darauf freue ich mich besonders, so ein Projekt hatten wir noch nie auf dem Festival.
Am 3.10. findet das Abschlusskonzert für Köln statt, das Festival geht noch bis zum 7.10. in anderen Städten weiter. Der renommierte Saxophonist Paul Heller aus Köln, mit dem wir seit einigen Jahren zusammenarbeiten, wird mit dem jungen Klarinettisten und Saxophonisten Julius Gawlik zusammenspielen. Gawlik spielt auch mit der NDR Big Band. Ein musikalisches Wunderkind, der mit 23 Jahren unglaublich gut Saxophon und Klarinette spielt.
Dann kommen wieder Musiker aus Paris, das Mohamed Najem Quartet. Musik, die mir sehr nah ist. Eine Mischung aus Jazz und arabischer Musik. Musik, die einfach Spaß macht, sehr rhythmisch und mitreißend.
Als Abschluss dann das Duo Fis Füz, das ich in den 90er Jahren mit meinem langjährigen Kollegen, dem Rahmentrommler und Percussionisten Murat Coskun, gegründet habe.
Aber ihr tretet nicht als Duo Fis Füz auf, sondern habt noch Gastmusiker eingeladen.
Annette Maye : Ja, wir haben zwei Gäste. Das ist Ian Harrison, der aus der Alten Musik kommt und auch an der Baseler Scoula unterrichtet. Ein Multiinstrumentalist, der aus England stammt, aber seit vielen Jahren in Deutschland lebt. Er spielt fast vergessene Instrumente, wie Zink, ein konisches Holzrohr, das ähnlich wie eine Trompete gespielt wird, aber nur durch die Lippenstellung und ein paar Grifflöcher. Es klingt wie eine ganz weiche Trompete. Ein wunderschönes Instrument. Ian spielt damit nicht nur alte Musik, sondern auch Crossover von Jazz und World oder Folk. Er geht auch in die Improvisation. Dann hat er noch Flöten, Schalmei und Dudelsack im Gepäck. Ich habe einige Male mit ihm gespielt und bin immer erstaunt in welche musikalischen Gefilde er vordringt. Ein toller und umfassend gebildeter Musiker.
Der zweite Gast ist der Bassist Winfrid Holstenkamp, der in den 90ern in Köln studiert hat und dann nach Argentinien gegangen ist um dort Tangomusik zu studieren. Das hat sein Spiel nachhaltig geprägt. Seit gut 20 Jahren spielt er weltweit mit verschiedenen Tangobands. Murat und ich hatten in den 90er Jahren kurze Zeit mit ihm eine gemeinsame Band, die hieß Döner For One. Die hat sich aufgelöst als er nach Argentinien ging. Mit dieser Band bin ich damals zum ersten Mal nach Köln gekommen und wir haben hier Straßenmusik gemacht. Da hat mir Köln so gut gefallen. Das hat dazu beigetragen, dass ich gerne nach Köln gezogen bin. Ich habe ihn wieder getroffen und wir haben gemeinsam gespielt. Er ist ein Super Musiker. Ich freue mich mit ihm zu spielen.
Das Festival findet dieses Jahr nicht nur in Köln und Düsseldorf statt, sondern ist auf viele Städte in NRW verteilt.
Annette Maye : Dieses gerade beschriebene Programm wird bei dem Multiphonics Roadtrip auch in anderen Städten zu hören sein. Das Festival geht vom 30.9. bis zum 7.10 auf einen Roadtrip in weitere Städte. In das Domicil nach Dortmund, in die Jazz Schmiede nach Düsseldorf, in die Alte Synagoge in Meschede, im Sauerland und in den Skulpturenpark Wuppertal. Der Skulpturenpark Waldfrieden von Tony Cragg ist ein neuer Kooperationspartner von uns. Das Duo Fis Füz wird zusätzlich noch in Müllheim und Freiburg spielen. Aber was NRW betrifft sind es die Städte Dortmund, Düsseldorf, Wuppertal und Meschede, wo das Festival Station macht. So wird neunzig Prozent unseres Köln Programms auch in diesen Städten zu hören sein.
Wir freuen uns sehr auf die großartigen Musiker*innen und die vielen Konzerte in NRW und darüber hinaus.
Das Programm des Multiphonics Festival findet ihr hier:
https://multiphonics-festival.com/programm