Mit ganz viel Geschichte
Die Altstadtschmiede Recklinghausen
TEXT: Ingo Marmulla | FOTO: Ingo Marmulla, Thomas Gojowczy
Wenn man bedenkt, dass der moderne Jazz in Recklinghausens Altstadtschmiede bald auf einen Zeitraum von 40 Jahren zurück blicken kann, ist es wirklich an der Zeit, das NRWJazz diese Spielstätte einmal in den Fokus rückt.
Allgemein muss man Recklinghausen eine gewisse Jazzaffinität zusprechen: Nicht nur, dass es hier in den 60ern die legendären Beatfestivals gab, es wurden im Zuge der Ruhrfestspiele auch gediegene international besetzte Jazzhighlights ins Leben gerufen. Unter der Leitung des Jazzredakteurs Hans Gertberg fand in Recklinghausen und in Hamburg der NDR Jazzworkshop mit internationalen Stars der europäischen Jazzszene statt, häufig mit Musikern der Kenny Clarke/Francy Boland Bigband (Phil Woods, Johnny Griffin, Jimmy Woode...). Hier sprechen wir aber über die 60er Jahre. Und so ist es schon fast vergessen, dass Wes Montgomery mit Martial Solal hier im jüngst abgerissenen Saalbau gemeinsam auftraten. Diese hochrangigen Jazzereignisse haben natürlich einiges bewirkt und das Interesse am Jazz wach gehalten. So gab es auch in den 70ern immer wieder interessante Jazzkonzerte in der Vestlandhalle, im Shalanda oder im „Baum“. Und im letzt genannten Szenelokal bildete sich die Urzelle der „Jazzini“ unter maßgeblicher Führung des Jazzfans Werner Pesarra. Nach der Schließung dieses Lokals suchte man nach einer neuen Spielstätte. Die fand man in der Altstadtschmiede. Pesarra war damals der Geschäftsführer des neu gegründeten soziokulturellen Zentrums inmitten der Altstadt.
Mit dem neuen Jazzveranstaltungsort Altstadtschmiede beginnt nun eine neue Ära des Jazz in Recklinghausen. Da es damals noch entsprechende Fördergelder gab und die „Schmiede“ so in der Lage war, Konzerte vorzufinanzieren, konnte man Ende der 70er Jahre eine endlose Reihe von regionalen, nationalen und internationalen Namen live auf der Schmiedebühne erleben. Im Winter brannte der Holzscheit auf der Schmiedeesse und gab den Konzerten eine unverwechselbare Atmosphäre. Der Thekenbetrieb funktionierte gut, auch wenn es auf Grund der hohen Besucherzahlen häufig schwierig war, zur Theke zu gelangen. Die Musikernamen klingen wie das „Who-is-Who“ der damaligen Jazzszene: Alphonse Mouzon, Alexander von Schlippenbach, Gunter Hampel, Charlie Mariano, Peter Brötzmann, Pete York ...
In der Presse wurde Peter Giger zitiert, der mit Albert Mangelsdorff in die Schmiede kam: „Sag denen, die sollen so richtig schön Feuer machen im Kamin!“ Auch wenn andere Musikstile live zu hören waren, so verbindet man heute noch immer den Namen „Altstadtschmiede“ mit der Jazzmusik.
Natürlich kam auch bald die Idee auf, die zum Jazz gehörende Jam-Session zu pflegen. Nach zunächst informellen Sessions wurde hierfür ab 1984 durch die Initiatoren Pesarra, Walter Husung und Raimund Ekholt der Donnerstagabend ausgeguckt. Und in dieser Form besteht dieser Abend heute noch. Wobei man die Jazzini nicht als formellen Verein verstehen darf, sondern eher als einen basisdemokratischen Kreis von Gleichgesinnten, der sich in regelmäßigen Abständen trifft und gemeinsame Entscheidungen fällt, die natürlich mit der Geschäftsführung abgestimmt werden müssen. Dieser Kreis erweiterte sich im Laufe der Zeit durch z.B. Stefan Werni, Irmhild Knapp, Torsten Müller, Thomas Gojowczyk... Auch wenn durch entsprechende Budgetkürzungen der Konzertbetrieb eingeschränkt wurde, bemüht sich
Ingo Marmulla
, der derzeitig die „Opener“-Gestaltung der Sessions übernommen hat, um ein spannendes Programm. Der Opener ist der Vorspann zur Session. Die gebuchte Band spielt ihr eigenes Programm und begeleitet danach die improvisationswilligen Musiker. Der Zuschauer hat freien Eintritt und kann nach Vermögen durch eine kleine Spende zum weiteren Erhalt der Donnerstags-Session beitragen. Hier geht dann der „Kümmerer“ mit dem Klingelbeutel herum und weist bei dieser Gelegenheit auf weitere Termine hin. Auch die Qualität der Opener-Bands hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Da kommen Absolventen der Hochschulen in Essen, Köln oder Osnabrück, die sich vorstellen wollen oder auch das Abschlussexamen vorbereiten. Das führt zwangsläufig dazu, dass das Publikum Qualität erwartet und schätzt. In Abständen werden besondere Gäste eingeladen und von der „Hausband“ begleitet. So geschehen Ende des letzten Jahres zur Geburtstagsnachfeier von Gerd Dudek, oder demnächst mit geladenen Musikern wie
Gilda Razani
oder
Klaus Osterloh
... Es gibt nur wenige Spielstätten im Ruhrgebiet, die auf eine derartig lange, lebendige und qualitativ hochstehende Tradition zurückblicken können, wie gerade eben diese Altstadtschmiede in Recklinghausen.
Vor einigen Jahren wurde in der Schmiedeküche übrigens noch gekocht. Walter, ein begnadeter Koch, probierte immer wieder nette Kleinigkeiten aus, an denen man sich nach dem Jazz kulinarisch erfreuen konnte. Leider musste auch dieser Teil der Donnerstags-Session geopfert werden. Aber manchmal packt es Walter doch noch, und er spendiert eine vorbereitete Köstlichkeit. Und unter den Improvisatoren, die es juckt, einfach mal ein paar Standards abzujazzen, waren und sind zu später Stunde immer einige Paradiesvögel. War es vor Jahren mal häufig Helge Schneider („He, Ingo, hab meine alte Strat im Auto, willste nich noch ‘ne Runde mitspielen...“), so kommt heute des öfteren Djamel Laroussi vorbei, um mit seiner Gitarre die Bühne „aufzumischen“...
Altstadtschmiede, Kellerstraße 10, Recklinghausen
Session jeden Donnerstag, 20.30 Uhr
www.altstadtschmiede.de