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„Man braucht Kompromisslosigkeit!

Interview mit dem Posaunisten Matthias Muche

Köln, 07.03.2024
TEXT: Stefan Pieper | 

Durch die Rezension unseres Kollegen Uwe Bräutigam bin ich auf eine spannende neue CD mit Dir und Deinem Trio gestoßen. Eure Besetzung wird ja sogar durch eine Kirchenorgel erweitert, was ich sehr faszinierend finde. Erzähl mir, was es für eine Story dahinter gibt.

Zu meinem Trio TON gehört Etienne Nillesen an präparierter Snaredrum und Constantin Herzog am Kontrabass. Für das neue Release haben wir mit der Kirchenorganistin Sarah Davachi aus Los Angeles zusammengearbeitet. Sarah Davachi hat kürzlich einen bedeutenden Award in Amerika für das beste Self-Release-Album erhalten. Sie bewegt sich in einem eher meditativen Bereich der Musik und hat eine einzigartige künstlerische Vision. Wir hatten das Vergnügen, mit ihr ein Konzert in der Kölner Kunststation Sankt Peter zu spielen und ich freue mich sehr, dass unsere gemeinsame Arbeit nun auf dieser neuen CD „TON meets Sarah Davachi“ beim Kölner Label Impakt festgehalten wird.

Ich selbst habe einen starken Eindruck von eurer kollektiven, spontanen Improvisationskunst während eines Konzertes bei der letzten Cologne Jazzweek bekommen. Das war in der Christuskirche, da unten in den Katakomben. Wie hat sich das für Dich angefühlt?

Ja, das war wirklich ein tolles Erlebnis. Ich bin zusammen mit Mariel Roberts und Trio TON aufgetreten und es war ein ganz besonderes Konzert mit frei improvisierter Musik. Die Klänge haben sich wunderbar mit dem Raum verbunden und eine intensive Atmosphäre geschaffen.

Wie hast Du die Reaktion des Publikums erlebt?

Es war großartig zu sehen, wie das Publikum so konzentriert und engagiert war. Die Energie zwischen uns und dem Publikum war spürbar.

Mal ganz was anderes: Du hast vor einigen Jahren einen WDR-Jazzpreis bekommen. Hatte das langfristige Auswirkungen für Dich gehabt?

Für mich persönlich war es eine tolle Bestätigung meiner Arbeit. Besonders zu einem Zeitpunkt, als ich den Rückenwind wirklich gut gebrauchen konnte. Es zeigte, dass meine Musik wahrgenommen wird. Gerade bei der Art von Musik, mit der ich mich beschäftige, braucht man eine gewisse Kompromisslosigkeit. Es tat gut, diese Rückmeldung zu erhalten, vom Publikum, von den Medien und eben in Form eines Preises.

Hast Du mehr Aufmerksamkeit bekommen dadurch?

Ja, tatsächlich gab es einige aufregende Entwicklungen. Der Preis hat nicht nur meine bisherige Arbeit anerkannt, sondern auch neue Türen geöffnet. Ich hatte kurz vor der Preisverleihung die erste CD von Trio TON veröffentlicht, auf der wir meine eigenen Stücke gespielt haben. Außerdem fand die Premiere meines Posaunententetts BONECRUSHER statt. Meine Arbeit hat durch den Preis mehr Aufmerksamkeit bekommen und vielen Menschen ermöglicht, sich mit meiner Musik auseinanderzusetzen und ein klareres Bild von meinen künstlerischen Ideen zu bekommen.

Mich fasziniert an der freien Improvisationsszene vor allem eins: Sie ist zwar eigentlich klein und es machen nicht so viele Leute mit, es gibt auch nicht so wirklich viel Publikum dafür und man kann auch nicht viel Geld damit erwirtschaften. Aber trotzdem ist extrem viel Motivation und künstlerische Ernsthaftigkeit spürbar. Die freie Impro-Szene ist unglaublich stark international vernetzt und es lebt ein guter Austausch. Wie siehst Du das?

Ja, das stimmt. Alles ist sehr durchlässig und flexibel und das macht die Sache so lebendig. Ich komme aus dem Jazz, habe mich dann über die Jahre hinweg stark mit experimenteller Musik beschäftigt, insbesondere durch das Frischzelle Festival, dass ich an der Kunsthochschule für Medien organisiert habe. Hier haben Musiker*innen und Medienkünstler*innen mit Hintergründen aus elektronischer, klassischer oder zeitgenössischer Musik zusammen Projekte mit dem Schwerpunkt auf Improvisation realisiert und durch die gute Vernetzung konnten wir einige dieser Kooperationen an unterschiedlichsten Orten auf der Welt präsentieren.

Beschreib mal etwas mehr, wie ihr zusammen findet.

Es entstehen immer neue kreative "Hotspots" wo sich Gruppen von Menschen, oft nicht mehr als zehn, zusammenfinden und eine kreative Energie schaffen, die zu neuen musikalischen Projekten, Labelgründungen und neuen Festivals führt. Es ist ein ständiger internationaler Austausch.

Ich habe über die Jahre immer wieder Kolleg*innen nach Köln eingeladen, und es bildeten sich Gruppen, mit denen ich langfristig zusammenarbeiten wollte, um eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Zum Beispiel das Trio TON hier in Köln mit Etienne und Constantin, oder das Posaunentrio mit Jeb Bishop aus Chicago und Matthias Müller aus Berlin. Es gibt BONCRUSHER mit zehn Posaunen und 2 Percussionist*innen aus Berlin, dem Ruhrgebiet, Köln und Wien, die alle an klanglichen Experimenten interessiert sind.

Hast Du gerade noch andere, interessante Veröffentlichungen im Umlauf?

Gerade ist auch mein erstes Vinyl veröffentlicht, ein Live-Mitschnitt vom ARTACTS Festival St. Johann in Tirol zusammen mit Ken Vandermark, Thomas Lehn und Martin Blume von der Band SOUNDBRIDGES.

Als nächstes möchte ich mein Solo-Posaunen-Programm veröffentlichen. Es sind Kompositionen, die aus dem Instrument heraus entwickelt wurden und mit erweiterten Spieltechniken, Zuspielern von Sprache über externe Schalltrichter oder ganz pur die Posaune, die Musik zu einer raumgreifenden Performance machen. Das nächste Solo Konzert findet am 16.03.24 in der Zionskirche in Bielefeld statt und davor gibt es einen Workshop „blechblasen extended“.

Weitere Konzert-Highlights sind mit dem Trio TON und der Saxofonistin Anna Webber am 14.04.24 im Stadtgarten Köln und der Sängerin Sofia Jernberg am 17.05.24 in der Kunst-Station Sankt Peter Köln sowie die SOUNDBRIDGES Release-Tour mit u.a. Konzerten am 07./08.04.24 im Kunstmuseum Bochum und Stadtgarten Köln. Außerdem findet am 26.04.24 die Premiere von SURROGATE CITIES von Heiner Goebbels im Opernhaus Düsseldorf statt wo ich die Ehre habe als „improvisierender Posaunist“ mit großem Orchester der Düsseldorfer Symphoniker und dem Ballet am Rhein von Demis Volpi als Solist aufzutreten.

Es ist viel los und immer eine spannende Herausforderung, all diese Ideen zu managen.

https://linktr.ee/matthiasmuche



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