Kulturgestaltungsamt unterstützt Jazzszene
Interview mit Bertram Frewer
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Bertram Frewer ist Stellvertretender Amtsleiter beim Kulturbüro der Stadt Bochum. In dieser Funktion betreut er u.a. das Ruhr-Jazzfestival, das nach seiner erfolgreichen Wiederauflage im letzten Jahr vom 26. – 28.04.2019 im Kunstmuseum Bochum stattfindet. Heinrich Brinkmöller-Becker führt zu diesem Anlass ein Interview mit Bertram Frewer. Die Unterstützung auch vonseiten der kommunalen Verwaltung ist essentiell und existentiell für die Jazzszene. Erfreulich, wenn die jeweiligen Akteure offen, konstruktiv und kooperativ miteinander umgehen und so dem Jazz und der improvisierten Musik nutzen.
Ihr vom Kulturbüro kümmert euch seit Jahren um das Ruhr-Jazzfestival (RJF). Kannst du aus deiner Sicht die Historie kurz skizzieren?
Ja, gerne. Es wurde in Bochum am Standort des Kunstmuseums eingerichet, dort gastierte es von 1986 – 1996, ursprünglich initiiert von Ulli Blobel von der jazzwerkstatt, nach dem Umzug von Ulli nach Berlin hat es Martin Blume übernommen. Ich bin 1992 dazugestoßen und habe Martin kennengelernt, ich hatte damals beim Kulturamt eine Stelle als Rock- und Jazz-Beauftragter angetreten. Man bat mich, das Festival organisatorisch und finanziell zu unterstützen. Das war für mich, der eher aus dem Bereich der Popularmusik kommt, eine völlig neue Welt. Mich hat sehr beeindruckt, wie die Musikerinnen und Musiker aus dem Moment heraus ohne Partitur, ohne Noten auf die Bühne gehen und in musikalischer Kommunikation großartig Kreatives leisten. Das Festival wurde damals unterstützt vom WDR, es hatte zehn Jahre beachtlichen Erfolg. Die Zuschauerzahlen nahmen dann ab, weil in den 90er Jahren viele andere Strömungen, Pop, Elektronische Musik, HipHop dazukamen und die Szene sehr facettenreich breit war, was sich auf den Bereich des Jazz auswirkte. Von der Stadt Bochum haben wir uns um dieses Thema gekümmert. Von der Förderphilosophie des damaligen Kulturamtes, heute Kulturbüros her gilt es, gerade solche Formate zu fördern, die künstlerische Auswirkungenauf andere musikalische Teilbereiche haben. Da ist gerade der Bereich zeitgenössischer und improvisierter Musik richtungsweisend und hat es auch schwer. Dass wir mit öffentlichen Geldern letztendlich entsprechende Initiativen subventionieren, ist uns wichtig. Der damalige Direktor des NRW KULTURsekretariat gab die Losung aus: „Fördern, was es schwer hat“. Das streben wir auch für den Jazz an: hohe Qualität, wichtige Kommunikationsstrukturen, hoher künstlerischer Wert, aber Einnahmengenerierung ist sicherlich schwerer umzusetzen als bei populärmusikalischen Formaten.
Klar. Deshalb freuen wir uns ja auch über die Wiederauflage des RJF im letzten Jahr, die ja ziemlich erfolgreich war. Das erfreut euch ja sicherlich genauso.
Unbedingt. Martin Blume und Ulli Blobel von der jazzwerkstatt hatten im Herbst 2017 die gemeinsame Idee, das Festival wieder aufleben zu lassen. Hier hat sich eine wunderbare regionale Kooperation gebildet: Martin, der inzwischen nach Dortmund verzogen ist, aber nach wie vor sehr stark in Bochum aktiv ist mit seinen Veranstaltungsreihen ‚Klangbilder’ und ‚soundtrips NRW’ – gefördert durch das NRW KULTURsekretariat. Dadurch hat die improvisierte Musik eine Kontinuität. Wir haben gemeinsam mit dem Kunstmuseum überlegt, wie wir für diese Musik wieder stärker ein Forum schaffen können. Da ist natürlich ein Festival, das lokale, regionale, landesweite, aber auch internationale Künstler an einem Wochenende zusammenführt, genau das richtige Format.
Was macht ihr als Kulturbüro, was machst du persönlich konkret im Kontext des Festivals?
Als die Idee wieder geboren ward, das Festival wieder aufleben zu lassen, habe ich mich sofort dafür begeistert. Tolle Erinnerungen persönlicher Art wurden wachgerufen. Darüber hinaus war mir wichtig sich für den Standort Bochum zu engagieren. Bochum hat ja – anders als beispielsweise Dortmund – keinen eigenen Jazzclub. Bochum hat das tolle Musikforum und das tolle Kunstmuseum, was für improvisierte Musik immer eine Heimat geboten hat, und so war ich immer, wenn ich das bescheiden sagen darf, jemand, der im Beraterkreis des Festivals tätig war und am Konzept mit gestrickt hat, damit wir die nötigen Fördergelder über die kommunalen Mittel hinaus bekommen. Der Regionalverband Ruhr hat unsere Idee mitgetragenund letztendlich im letzten Jahr zum großen Erfolg mit beigetragen. Dies ist ganz im Sinne einer Stärkung regionaler Kulturpotenziale: Die Förderung des Regionalverband Ruhr und des Ministerium für Kultur und Wissenschaft hat erheblich geholfen, dem Programm eine besondere Wertigkeit zu verleihen und die regionale Szene im Rahmen des Festivals in einen internationalen Kontext zu stellen. Dafür sind wir sehr dankbar.
Allgemein gefragt: Warum ist es nötig, dass sich bei der Planung, bei der Finanzierung, bei der Infrastruktur für ein solches Festival das Kulturbüro einbringt?
Nötig ist es immer dann, wenn die Protagonisten es für nötig erachten. Wir verstehen uns dabei als Dienstleister. Wenn hier Dienstleistungen in der Form abgefragt werden, dass Beratungsgespräche stattfinden, dass wir Konzepte mitgestalten können, dass wir Kontakte zu anderen öffentlichen Fördergebern wie z.B. Land, RVR herstellen, ist das genau unser Kerngeschäft. Wir drängen uns nicht auf, aber unsere Praxis ist schon so, dass wir bei Bedarf gerne dabei sind. Ein Kulturbüro versteht sich heute sicherlich weniger als Kulturverwaltungsamt, sondern eher als Kulturgestaltungsamt. Insofern möchten wir partnerschaftlich mit der Szene das kulturelle Leben in Bochum voranbringen.
Jazz und improvisierte Musik sind dabei sicherlich nicht euer Hauptgeschäft. Das gesamte kulturelle Angebot, das durch eure Initiative, durch eure Unterstützung möglich ist, sieht ja im Jazz nicht eine Schwerpunktaufgabe. Warum kümmert ihr euch trotzdem gerade um diese Nische?
Jazz und improvisierte Musik sind gleichberechtigt mit anderen Kultursparten. Wir versuchen, alle Kunst- und Kulturformen wertzuschätzen und nehmen da keine Wertung vor.
Der Begriff „Ruhr-Jazzfestival“ ist ja auch Programm, ihr versucht ja nicht nur, die lokale Szene zu bedienen, sondern der Radius beinhaltet die Ruhrgebietsszene. Gibt es überhaupt in deiner Wahrnehmung so etwas wie den Ruhrgebietsjazz?
Ja natürlich. Szenen bestehen über Stadtgrenzen hinaus. Inwieweit sie jetzt differenziert und untereinander organisiert ist, kann ich natürlich auch nur peripher wahrnehmen über die Akteure, die mit mir in Verbindung stehen. Wenn ich sehe, in welchen Formationen teilweise agiert wird, sind ja bei dem Festival Ruhrgebietsmusiker stark vertreten, vor allem am dritten Festival-Tag. Ich finde es ganz toll, dass bei diesem Festival die regionale Szene auch einmal in einen internationalen Zusammenhang gestellt wird. Das wird nicht nur von den Besucherinnen und Besuchern so bemerkt, sondern backstage passieren – das weiß ich ja als aktiver Musiker – die spannendsten Dinge. Wenn die Musiker aufeinander treffen und sich die Konzerte gegenseitig anschauen und sich darüber austauschen. Das ist eben für alle Akteure das Inspirierende an einem solchen Festival.
Du hast zurecht von einer gewissen Tradition des RJF gesprochen, zu dieser Tradition gehört auch der Ort: Das Festival hat – bis auf wenige Ausnahmen – im Kunstmuseum stattgefunden. Was ist das Besondere an diesem Festival-Ort?
Ja, es hat auch im damaligen Thürmer-Saal stattgefunden und vor meiner Zeit,im Kulturbahnhof Langendreer und in der Zeche Bochum. Das Kunstmuseum hat sich auf jeden Fall bewährt durch die Nachhaltigkeit, mit der das Museum zu diesem Musikgenre steht, durch die fortlaufenden ‚Klangbilder’- und Szene-Konzerte. Räumlich hat das Museum durch das Forum eine sehr schöne Möglichkeit, variable Inszenierungsflächen mit der Frontal- oder seitlichen Bühne zu schaffen. Die Musik passt auch sehr gut in das Ambiente von Bildender Kunst. Du selbst bringst dich mit deinen Foto-Projektionen ein. Da ergeben sich immer Synergien, wenn z.B. auch Martin Blume thematisch gebundene Konzerte zu bestimmten Ausstellungen macht. Ich bin darüber sehr glücklich. Im Musikforum findet erfreulicherweise bereits sehr, sehr viel statt. Da ist es schön – und nicht selbstverständlich - , wenn sich ein Kunstmuseum letztendlich offen gegenüber anderen Kunst- und Kulturformen zeigt. In den letzten Dekaden hat das Museum stark bewiesen, dass es genau der richtige Austragungsort für diese Art von Musik ist.
Auf welchen Act des Festivals bist du besonders gespannt und freust dich persönlich?
Ohne andere deklassieren zu wollen: Als jemand, der mit Beat und Rockmusik groß geworden ist, muss ich natürlich Ginger Baker nennen, als den Cream-Drummer, der schon in den 60er Jahren unglaublich virtuos war – wie seine beiden Mitstreiter natürlich auch, der auch den Jazz in die Rockmusik mit eingebracht hat. Das ist bestimmt ein Highlight, auf das ich mich besonders freue.
... Da wirst du auch nicht der einzige sein...
Ich freue mich natürlich auch auf alle anderen Formationen, vor allem auf das Gesamtpaket. Das Programm ist so abwechslungsreich: mit einem polnischen Schwerpunkt, mit einem internationalen zum Auftakt, mit dem Regionalaspekt, mit den Trios.
Wie sieht das RJF in zehn, zwanzig Jahren aus?
Das kann ich schlecht beantworten, die Entwicklung werde ich sicherlich mit Spannung beobachten. Dazu müsste man die beiden künstlerischen Leiter, Martin Blume und Ulli Blobel, befragen. Als Festivalmacher weiß ich aus eigenen Erfahrungen: Wenn das aktuelle Festival vorbei ist, denkt man schon ans nächste und nimmt die Erfahrungen und Impressionen des jetzigen Festivals mit in die Planung des nächsten, beobachtet die Szene, schaut in die Zukunft. So gesehen ist ein solches Festival ein Prozess, und nicht nur ein punktuelles Ereignis. So bleibt es spannend, wie sich die Entwicklung des Festivals in Zukunft darstellt. Als Kulturbüro werden wir das Festival weiterhin betreuen und unterstützen und freuen uns sehr, dass dieses Festival in Bochum mit regionaler Beteiligung stattfinden kann.