Bild für Beitrag: Kreise schließen | Für Vadim Nesselovskyi wurden Träume wahr
Bild für Beitrag: Kreise schließen | Für Vadim Nesselovskyi wurden Träume wahr

Kreise schließen

Für Vadim Nesselovskyi wurden Träume wahr

Gelsenkirchen, 19.11.2014
TEXT: Stefan Pieper | 

Einst riet der Essener Pianist und Folkwang-Professor Thomas Hufschmidet dem jungen Vadim Nesselovskyi, erst mal an der Folkwang-Hochschule klassisches Piano zu studieren. Ddenn dies ist ist doch ein Vokabular, welches auch wieder Jede Jazzimprovisation reicher macht. Längst ist Vadim Neselovski international unterwegs. Wenn er im Rahmen einiger Deutschland-Auftritte mal wieder bei seinen Eltern in Dortmund unterkommt, hat er selbstverständlich sein kleines Mini-Studio dabei. Ein Tag ohne Komponieren, Üben und Arrangieren ist für den passionierten Workaholic undenkbar. Denn wenn man Träume und Ziele nur hartnäckig genug verfolgt, werden diese endlich wahr.

Einer davon ist nun Realität – nämlich eine Duo-CD mit dem russischen Hornisten Arkady Shilkloper, der jenes Moscow Art Trio mitbegründete, dessen glühender Fan Vadim Neselovski schon immer gewesen ist. Die mittlerweile viele Jahre währende Verbindung mit Arkady hat in diesen Tagen eine weitere aktuelle Dimension: „Arkady lebt in Moskau und ich komme aus der Ukraine. Wir hätten nie gedacht , dass unsere Freundschaft und unsere künstlerische Partnerschaft zu einer Aussage wird. Nicht eine politische, sondern eine menschliche Aussage. Diese neue CD will nun auch sagen, dass wir am besten zusammen Musik machen sollen – und nicht, dass der eine den anderen umbringt“ sagt Nesselovski.

Um seinen bisherigen Weg wenigstens in Ansätzen darzustellen, muss Neselosvkyi erst mal weit ausholen. Sein außerordentlich zügiger Werdegang hinein in eine internationale Musiker-Karriere mutet wie ein ausgewogenes Dreieck aus höchster Begabung, glücklichen Fügungen und vor allem permanenter zeitintensiver täglicher Arbeit an! Einst lauschte er dem Klavierspiel seiner Pianistinnen-Mutter. Aber er wollte vor allem eigene Töne und Klänge erfinden. Er blieb damit nicht lange im verborgenen, sondern wurde schon mit 8 Jahren als Jungstudent in eine Kompositionsklasse in Odessa aufgenommen! Später emigrierte die Familie nach Dortmund und er begann hier ein Musikstudium. Nicht zuletzt der Folkwang-Professor Thomas Hufschmidt wies ihm den weiteren Weg: „Hufschmidt erkannte, dass ich ein leidenschaftlicher Jazzer bin, aber gerade deswegen drängte er mich dazu, als zusätzliche Grundlage klassisches Klavier zu studieren“. Dies geschah an der Folkwang-Hochschule unter anderem bei Boris Bloch. Und dann zog es ihn doch zu den amtlichen Kaderschmieden des Jazz. Der deutsche-akademische Auslandsdienst stellte die Weichen, so dass er schließlich am ersehnten Berklee-College einen Platz bekam. Da ist er immer noch präsent – schon lange als Professor!

Nach so viel Reden über Karriere kommen wir nun zu jenem Kapital, welches Neselovskyi vor allem auszeichnet! Er selbst nennt es die Fähigkeit, sich zu verlieben – in diesem Fall vor allem in Musik, die in ihm neue kreative Räume eröffnet. Mit so etwas einher ging immer schon, auch den Menschen zu begegnen, die hinter einer Musik stehen. Gary Burton gehörte einst zu diesem Kreis. Neselovskyi kaufte sich eine Platte, später knüpfte er den persönlichen Kontakt. In logischer Konsequenz: Zusammen spielen, auf Tournee gehen, ein Album einspielen. Vor allem: Freunde werden.

Dann kam die ECM-Platte „Waves of Sorrow“ vom Moscow Art Trio in Neselovskyis Leben und änderte vieles: „Ich ging auf jedes Konzert dieses großartigen Trios und wurde irgendwann von den Musikern auf ein Bier eingeladen. Viele Jahre später habe ich eine Mail von deren Pianisten Michail Alperin gekommen, dass diese beiden sich gerne mit mir unterhalten wollen. Dabei hatten sie gar nicht mehr an mich als Person gedacht, sondern waren nur über meine Musik im Internet auf mich aufmerksam geworden“ staunte Neselovskyi damals nicht schlecht. Eins kam zum anderen – und schließlich dazu, dass er selbst ein Duo mit dem Hornisten des Moscow Art Trio formiert hat.

Nicht falsch verstehen! Neseloviski springt hier nicht etwa für Shilklopers sonstigen pianistischen Partner Michail Alperin ein. Dieser war phasenweise schwer erkrankt, hat sich aber zum Glück jetzt gut erholt. „Die Musik, die ich für dieses Duo schreibe, ist ganz anders“ betont Neselovskyi.

Neselovskyis pianistische Handschrift fokussiert das Melodische – und dies ist auch das gemeinsame Element mit Arkady Shilkloper. Konzertant und virtuos schöpft sein Spiel stark aus klassisch-romantischer Tradition - zugleich offenbart Neselovskyis Rasanz und sein Assoziationsreichtum sämtliche Vorbelastungen durch den „modernen“ Jazz. „Als wir angefangen haben zu spielen, war die gleiche Sprache sofort gefunden. Wir haben mittlerweile schon unglaublich viel Zeit zu zweit verbracht, sind enge Freunde, ja Verwandte geworden.“

Ein gutes Fazit für einen Kreis, der sich schließt. Versucht man, das russische Wort KRAI zu übersetzen, kann man sich der eigentlichen Bedeutung nur annähern. Es ist ein Kreis, der einen schützend umgibt. Eine Art Heimat, vielleicht auch im spirituellen Sinne? Ein Zustand des angekommen-seins?

Einst fragte sich Vadim Neselovski, wohin er mit dem, wo er herkam nun wollte: „Was kann ich in dieser Welt mit meinem kulturellen Background anbieten? Ich hatte oft nach Vorbildern gesucht. Viele russische und ukrainische Musiker haben ja schon so viel nachgemacht“ räsonnierte er. Aber: „Ich fühlte, da gibt es noch was, was wir machen konnten.“ Das Erlebnis mit Wave of Sorrow ist einst der Anschub-Motor für mutige Wege nach vorn und zu sich selbst geworden.

Wenn sich in diesen Tagen für diese Produktion ein russischer mit einem urkrainischen Musiker begegnen, will Neselovski nach eigenem Bekunden keine politische Aussage damit verfolgen. Die Musik sollte doch über allem stehen – vor allem, wo doch Neselovskyi jene Vorstellung kindisch und absurd findet, dass sich jetzt, von einem Despoten angezettelt, Menschen aus demselben, oder zumindest sehr verwandten Kulturkreis bekämpfen. Neselovskyi liebt seine Heimatstadt: „Die Menschen in dieser Stadt haben einen ganz speziellen Humor, mit viel Ironie. Das hilft ihnen, über den Dingen zu stehen.“

Aktuelle CD:

Vadim Nesselovskyi und Arkady Shilkloper: KRAI (Neuklang)

Live:

GEjazzt auf CONSOL - Vadim Neselovskyi Trio "Bez Granitz" FREITAG, 21.11.201420.00 UHR

Suche