Konstruktionen des Zufalls
Atelierkonzert mit Stefan Schultze and friends
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Der Berliner Pianist und Komponist Stefan Schultze hat am Pfingstsonntag ein Konzert mit namhaften Musiker*innen der Kölner Szene als Begleitprogramm zur Ausstellung Konstruktionen des Zufalls des Kölner Künstlers Rolf Jahn in der Ruffactory kuratiert.
Die Ruffactory Halle in Köln Ehrenfeld ist eine alte Fabrikhalle einer ehemaligen Aufzugsfabrik, die vermietet wird. Rolf Jahn hat dort zu seinem 60. Geburtstag eine Ausstellung seiner Bilder organisiert, auf zwei Etagen zeigt er einen Querschnitt aus Malerei, Zeichnung und Künstlerbüchern. Dazu findet ein musikalisches Begleitprogramm statt. Die erste Veranstaltung wurde am Pfingstsonntag von Stefan Schultze ausgerichtet.
Das Konzert bestand aus vier Teilen, die alle etwa 20-30 Minuten dauerten und in einer zwanglosen entspannten Atmosphäre stattfanden. Da die Konzert Performance von 17-20 Uhr stattfand hatten viele Besucher*innen und Musiker*innen ihre Kinder mit dabei. Für die Kinder war ein großer Tisch bereitgestellt an dem sie Malen konnten. Aber natürlich liefen sie auch fröhlich in der Halle herum.
Während des Konzertes bemalte Rolf Jahn zwei Leinwände. Die beiden Leinwände legte er dann mit noch nasser Farbe aufeinander, so dass aufeinander abfärbten. Diese Leinwände stellte er wieder auf seine Staffeleien und malte dann weitere Details hinzu. Diese Malerei entsprach dem Titel der Ausstellung: Konstruktionen des Zufalls.
Freie Improvisation und Barockmusik
Ein Teil der Musik entsprach dem ebenfalls. Das Konzert wurde von dem Duo Stefan Schultze am präparierten Piano und Leonard Huhn am Saxophon eröffnet. Beides erfahrene Improvisationsmusiker, die für spannende musikalische Momente sorgten. Nach dieser freien Gegenwartsmusik folgte komponierte Alte Musik. Leonhard Straumer spielte Teile aus den berühmten Cello Suiten von Johann Sebastian Bach. Scheinbar sehr gegensätzliche Musik, aber es passte wunderbar zusammen. Der Viola Spieler Antoine Tamestit sagte auf dem Acht Brücken Festival, dass er Neue und Alte Musik, Chansons oder andere Formen der Musik nicht getrennt sehe, für ihn seien es einfach alles unterschiedliche Ausdrucksformen von Musik, die unterschiedliche Gefühle ausdrücken oder hervorriefen. So empfand auch das Publikum keinen Bruch zwischen der improvisierten Musik und der streng durchkomponierten Musik von Bach. Nach dem Cello Solo kam wieder ein Duo zum Zug.
Spannende Noise Elektronik und Tango Nuevo von Piazolla
Laura Totenhagen, Sängerin und Stimmkünstlerin und Pablo Giw an der Trompete, setzten Elektronik ein um ihr Instrument bzw. ihre Stimme zu manipulieren. Pablo Giw setzte viele erweiterte Techniken ein, so klopfte er auf seine Trompete, klapperte mit Schlüsseln im Schalltrichter und schabte über den Boden. Gleichzeitig verfremdete er die Klänge elektronisch. Auch Laura Totenhagen arbeitete mit elektronischen Elementen, während sie in ihr Mikro sprach. Es entstand dabei ein sehr rauer und noisiger Sound.
Nach der Noise-Elektronik-Performance gab es wieder komponierte Musik. Junko Straumer am Sopransaxophon und Leonhard Straumer am Cello spielten von Astor Piazolla, drei Sätze aus seinem berühmten Werk Histoire du Tango. Das Werk ist ursprünglich für Flöte und Gitarre geschrieben, das einzige Werk Piazolla für diese Instrumentierung. Leonhard Straumer hat es nun für Cello und Sopransaxophon gesetzt. Die Sätze: Bordello 1900, Café 1930, Nightclub 1960 sollen die Entwicklung des Tango zeigen, von einer Musik aus den Bordellen bis zur modernen Kunstmusik, die dann im vierten Satz (der nicht gespielt wurde) angesprochen wird. Wunderbar gespielt, brachten Janko und Leonhard Straumer südamerikanischen Flair in die Ehrenfelder Ausstellungshalle.
Ausklang mit freier Improvisation im Trioformat
Als Abschluss folgte noch einmal improvisierte Musik, diesmal im Trio. Das Duo Stefan Schultze, Piano und Leonard Huhn, Saxophon wurde mit Udo Moll am Synthesizer erweitert. Udo Moll, den viele vor allem als Trompeter kennen, brachte nun noch eine neue Soundqualität hinzu. Der Synthesizer stand vom Sound her im Mittelpunkt und Piano und Saxophon setzten ihre Impulse in den breiten Klang hinein. Udo Moll gab den anderen Instrumenten genug Raum und überrollte sie nicht. Ein gelungener Abschluss für ein großartiges Konzert mit kleinen Besetzungen. Von frei fließenden Improvisationen, über die Kompositionen des Barock bis hin zum Tango Nuevo mit seiner Verbindung von Tango und klassischen Formen gab es ein breites Spektrum an Musik, bei der zur gleichen Zeit Malerei entstand, die sicher, in welcher Form auch immer, von der Musik beeinflusst wurde.
Rolf Jahn, 1962 in Lüneburg geboren, Studium der Freien Kunst in Köln, wo er auch lebt und arbeitet. Viele seiner Werke sind durch kräftige Farben gekennzeichnet, aber auch feinsinnig reduzierte Bleistiftzeichnungen gehören zu seinem Werk. Seit 1997 arbeitet er verstärkt mit seinen Malprojekten in sozialen Einrichtungen. Viele seiner Werke sind in öffentlichen und privaten Sammlungen. In Köln hat er in den letzten Jahren an vielen Stellen seine Spuren im öffentlichen Raum hinterlassen. Mit Wandmalereien, an der Fassade eines Hochhauses oder auch an öffentlichen Toiletten durchbricht er das Grau der Stadt und schafft “künstlerische Sonnenaufgänge mitten in der Stadt.“
Die Ausstellung von Rolf Jahn Konstruktionen des Zufalls findet vom 5.6.-11.6.22 in der
Ruffactory, Marienstr. 71-73, 50825 Köln-Ehrenfeld statt.
Mittwoch, 8. Juni 2022, 20 Uhr„Francesco Petrarca: Die Besteigung des Mont Ventoux am 26. April 1336 “Der italienische Dichter und Geschichtsschreiber entdeckt die Welt der Innerlichkeit und schreibt sie mit einer großen Geste nieder. Eine Performance mit dem Schauspieler Bernhard Bauer und dem Künstler Rolf Jahn
Freitag 10. Juni 2022, 20 Uhr„Jazz auf der Leinwand“ live mit den Musikern Kristina Brodersen und Tobias Weindorf und dem Künstler Rolf Jahn
Eintritt frei um Spenden für die Ukraine wird gebeten