Jazzreport Tatort Jazz Milli Häuser
"monatelange, politische Arbeit"
TEXT: Milli Häuser, Heinz Schlinkert |
Wie alle hat Corona auch den Bochumer Tatort Jazz kalt erwischt. Milli Häuser hat den Tatort vor 14 Jahren gegründet und ihn manchmal durch schwierige Zeiten geführt. Welchen Erfahrungen hat sie mit der aktuellen Krise gemacht?
Wie hast du bis jetzt die Corona-Zeit bisher erlebt?
Die erste Corona-Zeit war für uns freiberufliche Musik*erinnen sehr schwierig. Alle anstehenden Konzerte wurden abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben. Es gab in den wenigsten Fällen Ausfallgagen. Was aber besonders problematisch war, war und ist die Angst vor der Zukunft, was unsere Lebenshaltungskosten betrifft. Das hat sich bis jetzt noch nicht geändert, da die Politik uns keine regelmäßigen Übergansgelder für in der jetzt immer noch bestehenden Corona-Zeit zahlen will. Alle voraus gegangenen Petitionen und Briefe haben bisher nicht gefruchtet. Lebenshaltungskosten für uns nur bei Hartz 4. Punkt!
Was habt ihr als TatOrt Jazz in dieser Zeit bisher unternommen?
Natürlich alle Petitionen unterschrieben, alle Infos weitergeleitet und die Künstler*innnen, die ich kenne, angeregt mitzuwirken. Jegliche Art von Antragstellungen etc. weitergeleitet an unsere Community und unzählige Telefonate geführt mit Kulturamt, Veranstalter*innen etc. um Lösungen zu finden.Dabei ergab sich auch monatelange, politische Arbeit, um die Politik davon zu überzeugen, zumindest uns freiberuflichen, KSK Mitglieder*innen eine monatliche Überganspauschale zu zahlen, da wir ja nicht arbeitslos sind, sondern quasi “Berufsverbot” hatten. Autohersteller, Flugkonzerne etc. sind ja auch unterstützt worden. Momentan können wir ja wieder arbeiten. Konzerte und Unterricht sind mit Corona-Einschränkungen erlaubt. Tatsächlich ist dabei der Aufwand für alle Beteiligten groß. Bei Konzerten sind die Publikumszahlen verständlicherweise eingeschränkt, so dass logischerweise nicht genug Geld fließen kann um wirklich davon leben zu können.
Was hältst du von Streaming-Konzerten?
Ich bzw. wir halten davon nicht so viel. Da gibt verschiedene Faktoren, warum nicht. Z.B. ein Faktor ist die Tonqualität, ein anderer: kein Publikum. Wir haben das anders gelöst: Wir haben sechs Tatort Jazz Konzerte, die ausfallen mussten, in 6 Tatort Jazz Videotage - “Break The Distance” umgewandelt. Das war in den Sommerferien. Dazu hat der Bahnhof Langendreer Bochum dankenswerter Weise seine Halle zur Verfügung gestellt. Diese Videos sind mit professionellem Tonequipment u.a. mitgeschnitten worden. Theoretisch könnten wir damit auch eine CD herausbringen... aber da scheitert es natürlich am Geld.Aber die Videos werden gerade zusammen mit den Tonaufnahmen geschnitten und bald veröffentlicht. Ansonsten haben wir schon mal einen Tatort Jazz - Kanal mit einigen Erinnerungsvideos eingerichtet, wo die o.g. bald auch drin sind:
Wie bewertet ihr die neuesten Lockerungen und wie stellt ihr euch darauf ein?
Ich finde das Publikum nebeneinander in Reihen ohne Abstand zu setzten schwachsinnig. In unseren Konzerten gibt es den nötigen Abstand bzw. gelten die Corona-Regeln für den jeweiligen Veranstaltungsort. Auch nehme ich immer weniger an als erlaubt, damit das Publikum ein Gefühl der Sicherheit auf unseren Konzerten hat. Die momentan hier und da angesagten “Privatveranstaltungen”, womit manche ein Konzert ausrichten wollen, um dadurch den Corona-Regeln zu entkommen halte ich für falsch.
Wie haltet ihr Kontakt zu eurem Publikum und wie ist die Resonanz?
Der Kontakt zu unserem Publikum ist gut. Zum Glück kommunizieren wir über E-Mail. Jedoch kämpfen wir nach den Sommerferien um unsere Gäste. Wobei wir es bisher dann immer geschafft haben, dass unsere Tatort Jazz Konzerte, in diesen Zeiten “Ausverkauft” waren. Aber, es kostet im Moment mehr Mühe als sonst. Denn auch die Presse macht nicht so mit wie in der Vor-Corona-Zeit. Wir bemerken, dass das Publikum, wegen der momentan wieder hohen Corona-Zahlen unsicher und sehr vorsichtig ist. Dazu kommt, das Erlebnis eines Konzerts, wie man es sonst gewohnt sind, hat sich verändert. Es ist eben mit weniger Zuschauern und den ganzen Regeln nicht so wie sonst. Ich glaube, das kommt erschwerend dazu, dass die Leute nicht so gerne ausgehen.
Welche Perspektiven siehst du für die nähere Zukunft? Gibt es auch positive Erfahrungen, die auch nach der Corona-Krise weiter genutzt werden könnten?
Was unsere Arbeit betrifft nicht wirklich. Wenn wir nicht spielen können, ist das schwierig. Zukunft mh.... Wir werden sehen.Super war: mehr Zeit zum Komponieren, in der Zeit, wo man nicht raus sollte. Und Aufräumen. Im Proberaum, im Kopf, in der Wohnung etc. Eben das, was man immer mal sortieren wollte und die Zeit fehlte. Und natürlich: wenig Autos auf der Straße und vor allem keine Flugzeuge mehr am Himmel. Die Luft wurde seidig... mehr Vögel etc.. Das war ein schönes Erlebnis und hätte ich gerne immer so. Na ja, davon wird man aber auch nicht satt.
Unsere Perspektive ist verschoben auf 2021. Die Planung läuft. Wir hoffen, wie jede*r das Beste für uns alle.
Die nächsten Konzerte:
Fr. 2.10. | 20h | Bleckkirche – Kirche der Kulturen (Tatort Jazz on Tour)
Mi. 7.10. | 20h | Bahnhof Langendreer
Infos unter: www.tatort-jazz.de