Bild für Beitrag: Jazzhaus Freiburg | Interview mit Michael Musiol
Bild für Beitrag: Jazzhaus Freiburg | Interview mit Michael Musiol
Bild für Beitrag: Jazzhaus Freiburg | Interview mit Michael Musiol
Bild für Beitrag: Jazzhaus Freiburg | Interview mit Michael Musiol

Jazzhaus Freiburg

Interview mit Michael Musiol

Freiburg, 02.07.2021
TEXT: Michael Musiol, Heinz Schlinkert | 

Im Ruhrgebiet finden Konzerte oft in ehemaligen Zechen-Gebäuden statt. Ganz anders in Freiburg - dort ist die historische Location des Jazzhauses der Gewölbekeller einer ehemaligen Weinkellerei, der mir viel besser gefallen hat als die oft recht düsteren Relikte der Zechen-Ära.
Bei gefühlten 35 Grad und 50 % Lufttemperatur gehe ich die Stufen runter ins Jazzhaus, wo mich Michael Musiol erwartet. Schon vor gut 30 Jahren wurde das Jazzhaus gegründet. Nach einem finanziellen Fiasko übernahm Michael vor 20 Jahren mit einem 13köpfigen Team die Leitung. Parallel zum Verein wurde eine GmbH gegründet und das Spektrum der angebotenen Musik erweitert. Es geht also nicht nur um Jazz.
Michael ist gelernter Verlagskaufmann, hat sich nach einem geisteswissenschaftlichen Studium für die Musik-Branche entschieden und ist nun in vielerlei Hinsicht im Musikmanagement tätig. Denn das Jazzhaus ist mehr als eine Location, dazu gehören auch die Plattenfirma Jazzhaus Records, eine Künstler- und eine Promotion- Agentur.

nrwjazz: Hallo Michael, für uns aus NRW ist es interessant zu gucken, wie das mit dem Jazz hier in Baden-Württemberg, insbesondere in Freiburg, läuft.

In Baden-Württemberg fühle ich mich im Bereich Jazz ganz gut aufgehoben. In Stuttgart gibt es wirklich Interesse für den Jazz und klare Ansprechpartner. Es gibt auch ein kleineren Festival-Topf und zudem den Jazzverband Baden-Württemberg, wo man als Verein auch noch Chancen auf Zuschüsse hat. Von der Stadt Freiburg wird unser Förderverein unterstützt und wir erhalten letztlich die kalte Miete als Zuschuss. Von daher sind wir von vornherein einen ganz anderen Weg gegangen als stärker subventionierte Häuser und haben uns musikalisch sehr breit aufgestellt. Wir machen alle Musikrichtungen und in der Summe kommen wir jährlich auf circa 150 Konzerte, die wir selbst finanzieren müssen.

nrwjazz: In NRW ist Köln ist die Hochburg für Jazz, aber wir haben auch viele Spielstätten im Ruhrgebiet und in anderen Landesteilen. Ist das hier anders?

Wir sind im Dreiländereck angesiedelt und je nachdem, was wir für Themen haben, kommen auch gerne Gäste aus Frankreich oder aus der Schweiz. Wenn ich Marcus Miller zu Gast habe, dann habe ich eben auch viele Franzosen, oder wenn Andreas Scherer mit Hildegard Lernt Fliegen kommt, dann auch die Schweizer. Wir haben sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal in Freiburg und die Konkurrenz ist überschaubar, doch ich glaube es liegt auch an unserem Programm, weshalb wir ziemlich bekannt sind.

nrwjazz: Man hört oft, dass Jazz eher etwas für Ältere ist, wie ist das Publikum in Freiburg?

Ich glaube im Durchschnitt ist das Publikum bei uns ein bisschen jünger. Durch die Offenheit unseres Hauses haben wir einen anderen Durchlauf von Menschen und das führt dazu, dass viele Jüngere neugierig sind und dann sagen ‚Ach, wir hören uns das dann doch mal an‘. Und wir sind natürlich als Universitätsstadt eine sehr junge Stadt.

nrwjazz: Wie habt ihr die Corona-Zeit bisher bewältigt?

Mitte März fanden unsere letzten beiden Konzerte statt und dann war Schluss. Da war erst mal eine gewisse Schockstarre, wir wussten auch gar nicht, wie wir mit der Situation umgehen sollten. Alle Bereiche waren vom einen Tag auf den anderen stillgelegt und die Mitarbeiter mussten leider in Kurzarbeit gehen, im Durchschnitt zu 70%.
Nur mit unseren CD-Veröffentlichungen gab es noch ein bisschen Aktivität. Seitdem schieben wir die Konzerte vor uns her.
Die Anfangsphase war sehr bedrohlich, gar keine Frage, aber die staatlichen Hilfen kamen bei uns an. Wir hatten zudem eine sehr erfolgreiche Spendenaktion und auch die Stadt hat uns geholfen. So können wir sicherlich noch einige Zeit bestehen, aber irgendwann muss es auch mal wirklich wieder losgehen.
Wir haben bei der Initiative Musik über Neustart Kultur einen Antrag durchbekommen, so dass wir nun zu mehreren Konzerten einen kleinen Zuschuss bekommen. Ich glaube aber auch, dass die schwierigste Phase nun beginnt. Konzerte mit wenigen ZuschauerInnen sind teurer als nix zu machen.

nrwjazz: Konzert Streams, war oder ist das für euch ein Thema?

Naja, wir haben nur einige gestreamte Konzerte angeboten und waren damit auch recht erfolgreich. Aber letztlich sind wir davon nicht sehr begeistert. Ich beobachte, dass es einige Veranstalter in Deutschland gibt, die jetzt zweigleisig fahren. Aber diese Zweigleisigkeit muss man sich auch leisten können, denn Streaming Konzerte auf einem hohen Niveau zu realisieren kosten auch wirklich Geld.
Ich sehe eher eine große Neugier auf Live Konzerte und das ist sicherlich unser Hauptaugenmerk, auch bei den Musikern.

nrwjazz: Ist Nachwuchsförderung für euch ein Thema?

Ja, das ist auf jeden Fall ein großes Thema. Jedes Jahr gibt es einen Newcomer-Wettbewerb, um die junge Szene aufzufangen. Wir machen viele Konzerte mit jüngeren Gruppierungen, manchmal auch Doppelkonzerte oder ähnliches. Im Jazzbereich gibt es auch viele Bands, mit denen wir gerne arbeiten, für die wir vielleicht sogar CDs veröffentlichen.

nrwjazz: Zur Zeit läuft gerade ein Modellprojekt?

Wir hatten im Herbst mit der Uni Heidelberg und dem Ticketportal reservix ein Modellprojekt beantragt, weil wir uns die Virusbelastung genauer ansehen wollten. Der Antrag wurde im November abgelehnt, doch vor 4 Wochen gab es plötzlich wieder eine Möglichkeit beim Land Baden-Württemberg einen Antrag zu stellen und aufgrund der Vorarbeiten konnten wir schnell eine Fragestellung entwickeln, die für uns und ich glaube auch für die ganze Musikszene sehr wichtig ist.
Es geht um die Frage, wie groß die Viruslast des Publikums ist. Unsere Besucher sind natürlich genesen, geimpft oder getestet und sie müssen die Konzerte überall auch mit Maske hier bestreiten. Durch einen hochwertigen PCR Test werden alle Besucher nochmal getestet, diese Tests werden dann von der Uni Heidelberg ausgewertet und wir können dann sehen, wie groß die Viruslast der Besucher ist.
Wenn die Last gleich 0 oder ganz gering ist, dann weiß man, okay so kann man jetzt erstmal weiterarbeiten. Aufgrund unseres Modells kann ich auch mehr Leute reinlassen. Bis zu 200 Personen sind bei einigen Konzerten.

Latest news ....

Ich darf ich auch schon verraten dass wir zum dritten Mal hintereinander den deutschen Spielstättenpreis APPLAUS bekommen werden.*

*„APPLAUS“ (Auszeichnung der Programmplanung unabhängiger Spielstätten)

https://www.jazzhaus.de/

Suche