Jazz ist Austausch face to face
Ein Gespräch mit Stefan Bauer
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Sich mit dem Menschen Stefan Bauer zu unterhalten, macht wohl am unmittelbarsten klar, was Jazz ist. nrwjazz traf sich mit dem Vibrafonisten, Marimbaspieler und Bandleader zu einem Vorweihnachtsspaziergang in seiner Heimat- und Lieblingsstadt Recklinghausen….
Unerschöpflich wie eine angeregte Improvisation ist Stefan Bauers Erzählfluss, wenn es um Begegnungen mit Menschen aus Europa, Amerika, Asien und Afrika geht. Das Staunen über musikalische Fertigkeiten seiner Partner bei Musikmachen, noch mehr über die emotionale Ausstrahlung, die sich beim Zusammenspiel entwickelt, hört auch nach 50 Jahren und hunderten in zahllosen Ländern gespielte Konzerten und Sessions nie auf. "Jazz ist Austausch mit Menschen face to face“!
Stefan Bauer wuchs im Ruhrgebiet auf, begann früh mit dem Klavierspiel, später kam die Posaune dazu. Er entdeckte aber dann Vibrafon und Marimbafon und machte damit international Karriere. Es zog ihn nach New York, zur Quelle des Jazz. Er gründete eine Familie und hat noch heute einen Wohnsitz dort. Geblieben ist Stefan Bauers Verwurzelung im Ruhrgebiet und in der hiesigen Musikszene. Sie verstärkt sich sogar noch, seit er regelmäßig seiner fast 90jährigen Mutter, die in Recklinghausen wohnt, Gesellschaft leistet.
Das Telefon steht selten still
Kommt er nach Deutschland, steht das Telefon nicht still. Mit Freunden und Weggefährten werden neue Auftritte abgesprochen. Gerade hatte ihn der Essener Pianist Thomas Hufschmidt eingeladen, um im Hertener Glashaus zu spielen. Der vielbeachtete Auftritt wurde zur Sternstunde, in der Freude an Musik gelebt wurde.
Auch Peter Baumgärtner und Matthias Bergmann gehören zu seinen regelmäßigen Mitstreitern. Im letzten Jahr kam es zu einer fantastischen Produktion mit dem Bandleader Steffen Schorn und der Ausnahme-Sängerin Sarah Buechi. Eine große Freude war im Frühjahr die Kooproduktion mit dem CCJO. „Es tat gut, hier mal 16 Musiker in einer Band zu haben - auch, dass ein großer Teil von ihnen mehr als 20 Jahre jünger ist als ich selbst.“ Das weihnachtliche Gastspiel mit ausgewählten Leuten, die sich kurzfristig mobilisieren lassen, ist längst zu einem NRW-weiten alljährlichen Tourneeprojekt angewachsen.
Mächtig viel Ausstrahlung entfaltete eine Kooperation mit dem Cologne Contemporary Jazz Orchestra, ebenso ein Duoprojekt mit dem Flöten-Virtuosen Michael Heupel, das auch auf der gemeinsamen CD tête-à-tête verewigt wurde.
Ohne unternehmerisches Denken geht es nicht
Aktuell sitzt Stefan Bauer noch mehr am Computer und am Telefon als sonst schon. Das anstehende Tourneeprojekt bedeutet immens viel Organisationsaufwand. Anders als ein geförderter Klassikstar oder eine gehypte Popgruppe stemmen die meisten Jazzerinnen und Jazzer alles in Eigenregie: „Emails schreiben und beantworten, Telefonate führen, Setliste erstellen, Catering und Soundcheck planen und viel mehr“ zählt er auf. Zum Glück liege Stefan Bauer hier viel unternehmerisches Denkenim Blut.
In diesem Jahr ist der niederländisch-koreanische Schlagzeuger Younga Sun Ankerpunkt für die aktuelle Vorweihnachts-Tournee. Manche mögen sich an den überragenden Auftritt von Stefan Bauers Voyage-Band mit diesem Schlagzeuger im Kassiopeia-Saal des Ruhrfestspielhauses in Recklinghausen erinnern. Diesmal geht der Blick in die Niederlande, also dorthin, wo Younga Sun auch lebt. „Ich bin immer erstaunt, was für eine lebendige Szene in diesem Nachbarland pulsiert, von der man hierzulande, nur wenige Kilometer entfernt, kaum etwas mitbekommt“, freut sich Stefan Bauer. Das soll sich auf jeden Fall ändern bei Konzerten im Dortmunder domicil, im Theater Warendorf, in der Recklinghäuser Altstadtschmiede und schließlich bei der legendären Matinée im Filmstudio Glückauf in Essen auf Betreiben der Buchhandlung Proust – bei allen diesen Konzerten gilt: Stefan Bauers Vorweihnachtskonzerte sind Kult und ziehen viele jazzhungrige Menschen an. Man sollte also früh vor Ort sein.
Und auch für die kommende Vorweihnachtstournee durchs Ruhrgebiet gilt wieder, was für Stefan Bauer der aufregendste Aspekt beim improvisierenden Livespiel ist: „Ich kann mir nie ganz sicher sein, was auf mich zukommen wird.“ Vielleicht entstehen neue Episoden draus, die Jahre später noch für Erzählstoff sorgen...
Termine
Dortmund, domicil (14.12.)
Dach-Theater, Warendorf (15.12.)
Recklinghausens Altstadtschmiede (16.12.)
Essen, Glückauf-Kino (18.12 vormittags )