Bild für Beitrag: Jaki Liebezeit – A Tribute | Er spielt wie eine Maschine, nur besser
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Jaki Liebezeit – A Tribute

Er spielt wie eine Maschine, nur besser

Köln, 25.01.2018
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Hpschaefer

Am 22. Januar 2017 ist Jaki Liebezeit, einer der „einflussreichsten Drummer aller Zeiten“, wie der Rolling Stone schrieb, in Köln an einer Lungenentzündung gestorben. An seinem Todestag ein Jahr später versammeln sich in der restlos ausverkauften Kölner Philharmonie musikalische Weggefährten, Freunde, Angehörige, Fans, Vertreter der Stadt bis hin zur Oberbürgermeisterin um Jaki Liebezeit zu gedenken und ihn zu würdigen.

Drums Off Chaos

Manos Tsangaris, Komponist, Künstler, Lyriker und Hochschullehrer, war ein guter Freund von Jaki Liebezeit und ist einer der Initiatoren der Veranstaltung. Er spielt in der Band Drums Off Chaos und führt als Moderator und als Trommler durch das Programm.

Drums Off Chaos, mit Reiner Linke, Maf Retter und Manos Tsangaris eröffnen auch den Tribut-Abend, mit Dominik von Senger, Gitarre (Phantom Band) und Rosko Gee (Bassist bei Can). Drums Off Chaos ist ein Percussion Ensemble, von Jaki in den 80ern gegründet, das groovige Improvisationsmusik macht.

„Eine Art von Familientreffen“ nennt Manos Tsangaris den Abend. Auf jeglichen Kommerz, wie Merchendise aller Art wird verzichtet. Wie es sich für ein Treffen unter Freunden gehört wird nur der Vorname bzw. Künstlername Jaki benutzt, ohne Nennung des Familiennamens, das soll auch in diesem Artikel so gehalten werden.

Die Initiative Kölner Jazz Haus e.V. unter Federführung von Reiner Michalke ist der Veranstalter dieser Hommage. Ein bunter Reigen an Musikern, die völlig unterschiedliche Musik machen, tritt an diesem Abend auf und alle verzichten auf eine Gage. Sie spielen aus Freundschaft zu Jaki.

Der erste Gastmusiker, der bei Drums Off Chaos einsteigt ist Jochen Irmler von Faust, ein Urgestein des Avantgarde – und Krautrocks. Mit einem Ungetüm an Synthesizer bringt er die Philharmonie in psychedelische Schwingungen.

Free Jazz

Danach kommt der Mann auf die Bühne, der Jaki nach Köln geholt hat: Manfred Schoof. Der Trompeter und Komponist Manfred Schoof ist einer der prägenden Musiker des Free Jazz und der Avantgarde in Deutschland. Er ist derjenige der Jaki am längsten kannte. Schon 1956 spielte er mit ihm in Kassel in einer Schülerband. 1958 ging Schoof dann nach Köln um bei Kurt Edelhagen zu studieren. „Es dauert keine drei Monate, dann saß Jaki neben mir,“ erzählt Schoof. „Wir wohnten zusammen auf der Deutzer Freiheit Nr.107.“

Mitte der 60er spielen sie zusammen im Manfred Schoof Quintett mit Gerd Dudek am Tenorsaxophon, Alexander von Schlippenbach am Piano und Buschi Niebergall am Bass. Diese Formation war eine der wichtigsten Gruppen für die Entwicklung des Free Jazz in Deutschland. Jaki spielte auch als Drummer im Globe Unity Orchestra, das 1966 für eine Auftragskomposition der Berliner Jazztage gegründet wurde. Es war ein Zusammenschluss des Manfred Schoof Quintetts mit dem Peter Brötzmann Trio in der Besetzung: Brötzmann, Peter Kowald und Sven-Ake Johansson. Jaki Liebezeit war maßgeblich an der Entwicklung des Free Jazz beteiligt. Manfred Schoof hebt hervor, dass Jaki ein guter Jazz Drummer war, der auch Trommelwirbel wie Max Roach spielen konnte, aber lieber leise und gefühlvoll spielte, ein menschlich spielender Perkussionist. Deshalb sei es auch kein Wunder, dass so viele Musiker mit ihm spielen wollten.

Manfred Schoof spielt Trompete zusammen mit Gerd Dudek am Tenorsaxophon und Helmut Zerlett (Phantom Band) am Piano. Dieses Trio ohne Schlagzeug machte das Fehlen von Jaki ganz handgreiflich. Schoof, der als der Romantiker unter den Avantgardisten gilt, wird diesem Ruf auch bei seinem Auftritt gerecht.

Vom Orient zum Barock

Nach Manfred Schoof, dem ältesten Weggefährten von Jaki, wird es etwas wilder. Das türkische Duo Baba Zula mit Murat Ertel an der Saz und Levent Akman, Perkussion, bringt temperamentvolle orientalische Musik zu Gehör. Jaki fuhr jedes Jahr für einige Wochen nach Istanbul und spielte dort mit diesen Musikern. „Jedes mal kam er ein bisschen erleuchteter zurück,“ erzählt Manos Tsangaris.

Der Gegensatz könnte nicht größer sein, nach den türkischen Musikern mit voller Bühnenpräsenz huscht förmlich die kleine chinesische Pianistin Pi-hsien Chen an den Flügel und spielt zwei Sonaten von Scarlatti. Dann steht sie auf verbeugt und ist schon wieder entschwunden. Jaki und die anderen Musiker von Can haben 1968 im Schloss Nörvenich einen Proberaum gehabt. In einem anderen Raum stand ein Steinway Flügel an dem die junge chinesische Schülerin übte. Und sie war neugierig auf die ungewöhnlichen Töne, die aus dem Proberaum drangen. Später hat Jaki auch ihre Konzerte besucht.

Auch wenn Pi-hsien Chen ganz besonders bescheiden aufgetreten ist, so sind auch die anderen Musiker völlig unprätenziös aufgetreten. Lauter Freunde, die Jaki ehren wollen und nicht selbst im Mittelpunkt stehen wollen. Ganz im Geiste Jakis, der immer basisdemokratisch war, wie Manos Tsangaris sagt, keinen Chef über sich wollte, aber auch selbst kein Chef sein wollte.

Zenmeister und Schamane

Der englische Bassist Jah Wobble, der mit Johnny Lydon in Public Image Ltd (PIL) spielte, arbeitete in den 80er Jahren mit Holger Czukay und Jaki auf verschiedenen Alben zusammen.

Er nennt Jaki einen Zenmeister. Ein Meister der japanischen Reduktion. Die japanische Kultur sei sehr auf Reduktion bedacht, nichts Überflüssiges, keine Schnörkel. Die chinesischen Kampfkünste haben viel mehr Bewegung, die Japaner halten alles knapp. Jaki sei ein Kampfkünstler an den Drums gewesen. Tatsächlich spielte Jaki Liebezeit seit über 20 Jahren auf einem “reduzierten“ Schlagzeug ohne Basstrommel und die Hi-hat. „Ich habe die Bassdrum und das Hi-Hat abgeschafft, weil ich nicht mehr den üblichen Rockstil spielen wollte.“

Jah Wobble spielt, bevor an seinem elektrischen Bass improvisiert, am Schlagzeug. Mit harten wuchtigen Schlägen wirkt er dabei wie ein Schamane, der seine Trommel schlägt. Er schlägt einen sich wiederholenden Rhythmus, ganz im Sinn von Jaki. JahWobbles Auftritt hat eine enorme Energie, Marc Layton-Bennett begleitet Wobbles wunderbare Bassimprovisation mit einem kraftvoll rockigen Schlagzeug. Mit diesem Highlight wird das Publikum in die Pause entlassen.

Can Can Can …

Nach der Pause spielt der 80 jährige Irmin Schmidt, das letzte noch lebende Gründungsmitglied der Band Can, Solo am präparierten Flügel. Sein Spiel ist sehr perkussiv und wird von zugespieltem Rauschen begleitet.

Rauschen, Wabbern und Pulsen lassen es auch die Elektroniker Jono Podmore und Ian Tregoning.

Nach seiner Free Jazz Zeit gründete Jaki zusammen mit den Stockhausen Schülern Holger Czukay und Irmin Schmidt und dem Gitarristen Michael Karoli die Avantgarde Band Can.

Die Musik von Can war sehr stark rhythmusbetont, Bassist Czukay und Jaki als Schlagzeuger hatten großen Einfluss auf den Sound der Band. Als Schlagzeuger bei Can wurde Jaki berühmt. Can ist heute noch eine der einflussreichsten deutschen Bands weltweit, der Rest ist Musikgeschichte.

Ein anderes Mitglied von Can, der Sänger Damo Suzuki, der von 1970-73 in der Band war tritt ebenfalls auf. Eine imposante Figur mit langen grauen Haaren, altersgegerbten Gesicht und einer Reibeisen Bluesstimme. Jetzt kommt doch ein wenig Rockstar Atmosphäre auf. Die Posen und Gesten Susukis unterstützen dies. So wird er auch am Bühnenrand belagert, um Can LP`s und Eintrittskarten zu signieren.

Begleitet wird Damo Suzuki von den erweiterten Drums Off Chaos und als Special Guest Michael Rother an der Gitarre, der sich ganz zurücknimmt. Rother spielte bei Kraftwerk und Neu! bevor seine Solokarriere mit dem erfolgreichen Album Flammende Herzen (1977) begann. Jaki spielte Schlagzeug auf dem Album.

Vor dem Auftritt von Damon Susuki spielt der britische Alternativ Folkmusiker Robert Coyne in Triobesetzung mit Coyne an Gitarre und Gesang, Aglaja Camphausen am Cello und Werner Steinhauser an Perkussion. Coyne spielt den ersten Song, den er und Jaki zusammen geschrieben haben und ihr letztes gemeinsames Stück Cockney Mystic.

Latin Lover

Zum Abschluss des Abends kommt noch ein internationaler Star auf die Bühne: Gianna Nannini. Sie ruft mit Blick nach oben “Grazie Jaki“ und singt dann zwei ihrer erfolgreichsten Hits Ragozzo dell`Europa und Latin Lover.

Und natürlich hat Jaki auf beiden Stücken das Schlagzeug gespielt, aufgenommen wurde es bei Conny Plank im Studio.

Gianna Nannini schafft es das Publikum zum Toben zu bringen, frenetischer Beifall, Zugabe Rufe, Jubeln und Pfeifen.

Ein großartiger Tribute für Jaki Liebezeit. So viele unterschiedliche Musiker haben für ihn in der Philharmonie gespielt und Jaki war das Bindeglied zwischen ihnen allen. Wenn er von oben zuschauen konnte, dann hat er sicher seine Freude daran gehabt.

Dank an alle, die mitgemacht haben und besonders an Reiner Michalke, Manos Tsangaris und das Stadtgarten Team, die diesen wunderbaren Abend möglicht gemacht haben.

Schule für Bissau

Ein eventueller Überschuss der Veranstaltung geht an die Deutsch-Guineische Gesellschaft e.V. für das Projekt „Eine Schule für Bissau“. Jaki lag dieses Projekt sehr am Herzen und er hat sich immer dafür engagiert. Wer dieses Projekt in einem der ärmsten Länder der Welt unterstützen will, kann hier Spenden:

Deutsch-Guineische Gesellschaft e.V.IBAN DE03 3705 0198 0029 1527 41

(Spendenquittung wird ausgestellt)

www.eineschulefuerbissau.de

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