"ICH WOLLTE SCHON IMMER EINE BAND GRÜNDEN ..."
Interview mit der Bandleaderin Nina Lentföhr
TEXT: Michael Vogt |
Dem frühen New-Orleans-Jazz haftet bisweilen der Ruf des Saturierten an. Musik für Straßenfeste und Landesgartenschauen, nichts, was junge Musikfans hinter dem Ofen hervorlocken könnte. Dass dieser Eindruck täuschen kann, zeigt die Formation „Nina’s Rusty Horns“.
Die Band aus Köln gehört zu den jungen Ensembles, die den frühen Jazz neu entdeckt und sich auf den rauen Charme dieser Musikepoche spezialisiert. Dazu kommen eigene Songs im alten Stil, viele tanzbare Nummern und sogar der eine oder andere Schlager, die alle interessante Geschichte erzählen und somit ins Konzept der Musiker passen. Im Interview erzählt Nina Lentföhr, was ein Buch mit ihrer Passion für den Jazz zu tun hat, welche Musikformation sie dazu brachte, „Nina’s Rusty Horns“ zu gründen, und was sich gerade in der Szene in Bezug auf New Orleans Jazz bewegt.
Nina Lentföhr, Ihr Ensemble heißt „Nina’s Rusty Horns“ – Rostige Hörner klingt kratzig und nicht wirklich brav.
Mit dem Namen wollte ich den Sound unterstreichen, der unsere Musik ausmacht. Er kommt von der Straße, ist alles andere als glattgebügelt, aber trotz seiner hundertjährigen Geschichte immer noch quicklebendig. Natürlich sind unsere Hörner nicht wirklich rostig, sondern glattpoliert und glänzend. Bei dem Namen geht es vor allem darum, die Patina der Musik und den kratzigen Charme der Musik einzufangen, den wir ja auch im Original von knisterten und knackenden Schallplatten kennen.
Wie würden sie das Konzept von „Nina’s Rusty Horns“ beschreiben?
Wir sind fasziniert vom frühen Blues, für den vor allem auch schwarze Frauen eine zentrale Rolle spielten: Legenden wie Bessie Smith, die nicht nur als Sängerinnen auftraten, sondern auch Netzwerke bildeten, um sich gegenseitig zu unterstützen. Dabei sind vor allem ihre Texte überraschend witzig, zeitlos und modern, ohne bierernst zu sein. Aber selbst dann, wenn sie einmal ernstere Themen ansprechen, erreichen sie dabei eine ungeheure Schönheit und Direktheit …
Man merkt Ihnen die Begeisterung an. Dieser frühe Jazz, von dem Sie sprechen, hat die Geschichte des Genres entscheidend geprägt, ist aber eine Zeit lang auch ein wenig in den Hintergrund getreten.
Das stimmt. Bis heute haben Sängerinnen wie Bessie Smith oder der Blues einen enormen Einfluss auf den Jazz, aber auch auf die Popmusik. Trotzdem scheint es so, als ob ihre Musik den nachfolgenden Generationen erst einmal als alter Kram gegolten hätte, den man lieber beiseite legte. Richtig wiederentdeckt wurde diese Musikepoche erst im Laufe der Sechzigerjahre, als weiße Musiker an den Dixieland-Stil anknüpften.
Wie groß ist die Bandbreite, die „Nina’s Rusty Horns“ in ihren Konzerten abdecken?
Man könnte grob sagen, dass wir Traditional Jazz spielen, wie er vor dem Aufkommen von Swing und Ballroom existierte. Darüber hinaus öffnen wir uns aber auch der Musik aus späteren Jahrzehnten. Dabei gehen wir aber nicht wesentlich weiter als in die Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts. Es kann vorkommen, dass wir die eine oder andere Hot-Jazz-Nummer spielen. Unser Fokus liegt jedoch eindeutig auf Stücken, die in ihrer Struktur einfacher sind, aber doch über den zwölftaktigen Blues hinausgehen. Da gibt es vor allem in den USA sehr viel Repertoire, das hier in Europa aber noch eher unbekannt ist.
Sie heben also für das hiesige Publikum unbekannte Schätze?
Na ja (lacht) … vielleicht ein wenig. Es gibt ungefähr fünf Sängerinnen, deren Aufnahmen ich immer wieder anhöre und dabei Nummern finde, die für uns noch spannend sein könnten. Ich bin darüber hinaus auch sehr interessiert an den New Orleans Traditional-Bands, die derzeit in den USA tätig sind. Dort gibt es derzeit viele jüngere Formationen, die ein wenig mit dem Klischee der betagten Herren brechen, die sonst in Dixieland-Bands spielen. In New Orleans etwa gibt es die Formation „Tuba Skinny“, die mich sehr inspiriert und so etwas wie eine Initialzündung bei mir ausgelöst hat. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Moment, als ich sie das erste Mal hörte. Ich wusste von einer Sekunde auf die andere, dass ich eine Band gründen wollte. Gewissermaßen aus dem Nichts.
Dixieland hat ja ansonsten eher den Ruf des Saturierten und riecht ein wenig nach Straßenfest.
Daran ändert sich, wie gesagt, gerade etwas. Und auch hierzulande gibt es Bewegung in der Szene. Kürzlich etwa war ich beim Internationalen Dixieland Festival Dresden, wo man spüren konnte, wie viel gerade passiert.
Wie kamen Sie zur Musik?
Ich habe immer gern Jazz, Jazz-Pop, aber auch modernere Sachen gehört. Und dann schenkte mir eine Freundin das Buch „All That Jazz – die Geschichte einer Musik“ …
… von Michael Jacobs.
Genau! Das habe ich gründlich und sorgfältig gelesen und mir dabei auch immer die Musik im Internet angehört, von der im Buch die Rede war. Ich bin ungefähr bis Miles Davis gekommen, aber dieses Buch hat definitiv etwas bei mir verändert.
Weiß Ihre Freundin, was sie mit Ihrem Geschenk angerichtet hat?
Ich glaube schon (lacht)! Aber vielleicht sollte ich ihr das noch einmal sagen. Manchmal sind es ja diese ganz kleinen Dinge im Leben, die alles verändern.
Wie sind Sie ganz konkret von diesem Buch zu den Rusty Horns gekommen?
Auf der Musikschule! Da habe ich mir dann doch ein wenig Theorie und die Klavier-Basics erarbeitet. Außerdem wollte ich herausfinden, wie man es eigentlich anstellt, so eine Band zu gründen. Auf eine Rundmail meldete sich zunächst ein Musiker, der dann wieder andere kannte. So nahm das seinen Lauf. Der allererste Musiker ist inzwischen gar nicht mehr dabei und auch sonst gab es einige Wechsel. Aber irgendwann einmal hatten wir die erste Probe mit damals fünf Musikern. Ich wollte übrigens anfangs gar nicht so viele Musiker in der Band haben, aber dann wurde mir klar, dass ich doch eine Posaune brauchte, um den Klang zu bekommen, den ich mir vorstellte. Bald war dann auch klar, dass statt des Kontrabasses Sousafon und Tuba gut wären, um die Stilistik voll auskosten und ordentlich Druck machen zu können. Und schon waren wir dann zu acht.
Seit wann gibt es „Nina’s Rusty Horns“?
Wir haben 2016 angefangen. Daneben habe ich noch das Trio „Les Blue Jay Sisters“ mit der Sängerin Maja Lührsen, die auch Kabarett macht, sowie Rafael Stolarski an der Gitarre. Mit den beiden zusammen interpretiere ich ausgesuchte Schlager, Chansons und Swing-Nummern aus den 1920er und 1930er Jahren. Eigentlich bin ich aber ausgebildete Sprecherin und arbeite auch in dem Bereich.
Was erwartet das Publikum in Hürth konkret bei dem Konzert, für das man schon Karten bei KölnTicket erwerben kann?
Eine Band, die sehr viel Spielfreude mitbringt und ganz besondere Stücke, in denen es um gute Geschichten geht, die man unbedingt mal gehört haben sollte. Eine Formation, die wirklich gern miteinander spielt und berührende Musik, tanzbare Sounds und gute Unterhaltung liefert. Außerdem spielen wir nicht nur historische Musik, sondern machen in der Stilistik, der wir uns verschrieben habe, auch eigene Stücke, in denen Text und Musik von mir oder anderen Bandmitgliedern sind. Damit unterscheiden wir uns auch noch einmal deutlich von anderen Bands, die in einem ähnlichen Stil unterwegs sind. Es lohnt sich zu kommen und wir freuen uns auf die Open-Air-Stimmung sowie viele Gäste aus der ganzen Region.
Nina Lentföhr, vielen Dank für das Gespräch!
Termin:
21.7.2023, 20 Uhr | Open Air am Jazzkeller Gleuel
Nina’s Rusty Horns
„Old fashioned New Orleans-Jazz aus Köln“
Nina Lentföhr | Gesang
Christian Saettele | Klarinette
Clemens Gottwald | Posaune
Martin Henger | Gitarre
Peter Kowal | Banjo
Pinguin Moschner | Sousafon
Christian Nink| Drums
Karten:
Vorverkauf (KölnTicket): € 23,-
Abendkasse: € 25,-
Ort:
Open Air auf dem JazzYard am Jazzkeller Hürth
Hermülheimer Str. 12–14
50354 Hürth
Kontakt:
Jazzclub Hürth e. V.
Günter Reiners
Bruchstr. 29
50354 Hürth
Fon 0179 4983106
guenter.reiners@jazzclub-huerth.de
www.jazzclub-huerth.de