Ich freue mich über jeden Einzelnen
Erfahrungsaustausch mit Marc Brenken
TEXT: Stefan Pieper |
Schon in Kindertagen war Marc Brenken unheilbar von Erroll Garner und Oscar Peterson infiziert. Das Studium an der Folkwang-Hochschule war später ein vorübergehendes Kapitel. Sich zum Profi-Jazzmusiker zu entwickeln ist vor allem „learning by doing“, diese Erfahrung machte der Essener und dieses Credo lebt er mit Hartnäckigkeit und Begeisterung. Und das heißt auch, stets eine gute Kommunikation zu pflegen. Bei Konzerten aufzutreten ist das eine. Eine regelmäßige Reihe ins Leben zu rufen das andere, denn damit kreiert man einen Ort, ein soziales Umfeld. „Jazz for the People“ ist nur eine von mehreren Reihen, die der Essener mit initiiert hat. Der Dialog wird hier ganz groß geschrieben – und das Publikum darf Wünsche äußern. Jazzstandards, Popsongs oder was auch immer sind das Rohmaterial, aus denen Marc Brenken und seine Mitmusiker spannende, unterhaltsame wie kunstvolle Abende mit Musik schöpft. Denn das macht ja Jazz als lebendige improvisierte Kunstform aus.
Was ist besonders wichtig für Dich als Musiker und Veranstalter von Jazzkonzerten?
Man muss sich einfach um ein gutes Verhältnis zu vielen Menschen bemühen. Du möchtest ja, dass alle an einem Strang ziehen. Sowohl die Veranstalter als auch die Musiker freuen sich, wenn viele Menschen bei einem Konzert zusammenkommen. Wenn ein schönes Miteinander bei deinen Konzerten entsteht, ist das für alle Beteiligten ein Gewinn, das spricht sich herum und deine Fangemeinde wächst. Wenn aus finanziellen Gründen einige Dinge nicht perfekt sind, kann man mit gutem Willen und Improvisation manches wieder wettmachen.
Beobachtest Du auch gegenteilige Tendenzen in der Szene?
Ja, schlechte Kommunikation oder eine gewisse Egal-Einstellung. Es ist sehr wichtig, gut mit den Leuten zu kommunizieren. Auch mit dem Publikum. Ich freue mich doch über jeden Einzelnen, der zum Zuhören kommt und versuche daher auch, den Leuten das zu zeigen.
Was gehört zu einem gelungenen Konzert dazu?
Ich glaube, es ist dieser Spirit und diese Einstellung - das bemerken die Leute. Und deine Einstellung äußert sich eben auch in der Art wie du Musik machst. Also, ich will damit sagen, dass es zwar äußere Umstände gibt, aber es gibt auch die zwischenmenschliche Komponente. Die ist total wichtig für den Erfolg eines Konzerts.
Was können Musiker denn noch verbessern?
Die Musiker könnten heute viel mehr Stücke auswendig spielen - das ist bei vielen heute überhaupt nicht der Fall. Das müsste viel stärker und viel früher an den Hochschulen gefördert werden. Es geht schließlich nicht nur darum, dass man dann diese Stücke kennt, sondern dass man musikalische Strukturen auf einer tiefen Ebene begreift, verinnerlicht. Das sind vielleicht vier oder acht Takte eines Themas, die man dann als großen Baustein in zig Stücken wiedererkennt. Man kann etwas Neues daraus machen - vielleicht in einer anderen Tonart oder einem anderen Tempo. Diese Bausteine gut zu kennen, ist ein so wichtiges Rüstzeug, damit kann man sich blitzschnell verständigen. Wer diese Dimension nicht gründlich erforscht hat, wer nicht spielerisch damit umgehen kann, dem fehlt etwas Wichtiges. Ich höre eine Menge heraus, dass viele Musiker noch mehr für sich selber tun können. Ja natürlich! Man darf doch nicht so naiv an den Beruf herangehen, nach dem Motto "ich habe jetzt studiert und einen Abschluss, also werde ich hier jetzt der Superstar sein". In vier Jahren Studium ist man ja noch kein wahnsinnig toller, mit allen Wassern gewaschener Musiker. Das dauert alles viel länger, braucht Erfahrung und disziplinierte Arbeit.
Würdest Du das auch den Musikern sagen, die sich jetzt hier in Verbänden organisieren, um gegen die eigene prekäre berufliche Situation zu tun?
Ich bin nicht der Typ, der sich in Gremien zusammensetzt und alles tausendmal durchkaut. Lieber machen. Machen und nicht reden! Essen ist ja eigentlich ein super Standort, hier kannst du viel machen. Es ist schon wichtig, dass man am richtigen Ort lebt. Aber ich habe schon manchmal das Gefühl bei Kollegen, die jammern einfach rum, tun aber aktiv nichts. Vielleicht sind manche Musiker der Meinung, dass Erfolg von alleine kommen müsste. Man muss auch hart an seiner eigenen Vermarktung arbeiten. Und auch etwas dafür tun, dass die Leute einen mögen. Sich zumindest darüber mal Gedanken machen: Warum sollen die Leute eigentlich zu mir ins Konzert kommen? Was biete ich ihnen musikalisch, was biete ich an Unterhaltung, wie wirke ich auf der Bühne? Da gibt es so viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Wenn du in ein Konzert gehst als Zuhörer, willst du ja unterhalten werden. Ich kann unterhaltsam sein und gleichzeitig Kunst machen, das muss kein Widerspruch sein. Neben dem eigenen Spiel und der musikalischen Kommunikation innerhalb der Band gibt es auch die Kommunikationsebene mit dem Publikum.
Wenn du auf alles achtest und diese Dinge regelmäßig gut hinbekommst, ist der Erfolg ziemlich sicher. Hat die Hochschulzeit heute noch einen prägenden Einfluss auf das, was Du heute machst?
Grundsätzlich finde ich es einigermaßen nebensächlich, ob jemand an der Hochschule war oder nicht. Wie es momentan im Jazzstudium ist, weiß ich nicht, aber zu meiner Studienzeit habe ich leider wenig über Selbstvermarktung gelernt. Es gab andere Studieninhalte. Dabei wäre es eigentlich total sinnvoll, zu diesem Thema viel mehr zu lernen. Eine für mich sehr prägende Zeit war früher, als ich etwa im Alter von 12 mit Jazz in Berührung gekommen bin. Da habe ich die Platten meines Vaters gehört. Richtig Feuer gefangen habe ich bei Erroll Garner und Oscar Peterson. Solche Initialzündungen brauchst Du, um dich hinzusetzen und was zu lernen. Es geht darum, dass du mit Begeisterung bei der Sache bist. Okay, an der Hochschule habe ich mich auch mit Musikstilen beschäftigt, die ich vorher kaum kannte - somit war das auf jeden Fall horizonterweiternd. Und ich habe an der Hochschule zum ersten Mal viele andere Leute kennengelernt, die ihr Instrument überhaupt gut beherrschen. Aber die Zeit an der Hochschule, das sind vier Jahre. Danach geht es ja erst richtig los, dann musst du dich etablieren, du musst viel Eigeninitiative zeigen, wenn du dein Ding machen möchtest. Es ist wichtig, immer über den Tellerrand des nahen Umfelds hinaus zu blicken. Nicht nur die Szene in der eigenen Stadt kennenzulernen, sondern auch woanders. Man muss auch ohne Ende Platten hören und Konzerte besuchen. Musik zu begreifen hat etwas mit Hörerfahrung zu tun und auch damit, dass man das Entstehen von Musik live erlebt hat. Ab und zu macht es einfach "klick" und Du denkst "yeah, diesen Sound liebe ich einfach, in dieser Art möchte ich auch Musik machen". Aus der Summe solcher Erlebnisse formt sich dann irgendwann dein eigener Stil, denn das, was du liebst, baust du ja in dein Spiel auf ganz natürliche Weise mit ein. Ich denke, dass mich bis heute diejenigen Musiker am meisten prägen, deren Spiel mich unmittelbar im Herzen trifft, und interessanterweise hat meine Begeisterung für meine frühen Vorbilder immer noch nicht nachgelassen.
Mal ein kleiner Themenwechsel: Wie ist es mit der Produktion von Tonträgern, vor allem was Verhältnis zwischen Eigeninvestition und Ertrag betrifft?
Das dauert, bis man die Tonträger so verkauft hat, dass wieder etwas reinkommt. Aber es passiert. Es dauert unter Umständen mehrere Jahre, aber das macht nichts. Meine Produktionskosten waren bisher auch nicht extrem hoch, da ich die Aufnahmen z. B. teilweise selbst abmische und meine Plattencover zum größten Teil selbst gestalte.
Du hast ja auch alles selber rausgebracht und bist Dein eigenes Label!
Ich habe es damals mal bei ECM und ACT versucht, aber die haben nein gesagt. Dann habe ich halt mein eigenes Label gegründet. Tonträger braucht man natürlich. Ist ja auch toll, wenn man eine schöne Platte mit eigener Musik hat oder sogar mehrere. Man möchte ja auch der Nachwelt etwas Schönes hinterlassen.
Worin liegt Dein Erfolgsrezept? In der weitsichtigen Gesamtkalkulation?
Man muss schon einiges investieren - also Tonstudio, Pressung, dann noch die GEMA. Das ist das absolute Minimum - anders geht es nicht. Du weißt, irgendwann kommt das Geld wieder herein. Die Erfahrung zeigt, mit der Zeit verkauft man diese Platten.
Also stehst Du der Angst vor dem Verschwinden des physischen Tonträgers relativ gelassen gegenüber?
Ja, es gibt ja dafür ja auch neue Wege, man muss sie nur nutzen. Die stehen Dir als Musiker heutzutage auch offen.
Verbreitest Du die Musik auch via download etc.? Ich möchte ja wie jeder andere Musiker auch, dass meine Musik gehört wird. Deswegen sollte sie auch downloadbar sein.
Werfen CD-Produktion und -verkauf noch einen Gewinn ab?
Nenn mir einen Jazzmusiker, der mit Plattenverkäufen die Großeinnahmen macht. Das Haupteinkommen kommt letztlich durch Gagen und Konzerteintrittsgelder zustande. Die Plattenverkaufszahlen kannst Du überhaupt nicht mit denen von Popstars vergleichen, aber trotzdem gilt auch im Jazz: Wenn Du viel spielst, dann verdienst Du auch etwas. Das sind dann keine Wahnsinnssummen, aber es ist zumindest eine solide Sache. Und man macht halt das, was man wirklich machen möchte.
Ich denke die Zufriedenheit ist ausschlaggebend...
Es ist einfach die Liebe zur Musik, die mich immer wieder antreibt. Es gibt so Vieles, was ich gerne an meinem Beruf mag. Ich freue mich auf fast jedes Konzert. Vor allem: Ich lebe so, wie ich leben will. Dafür habe ich viel geübt und viele Sachen gelernt. Zum Teil gehört auch Glück dazu, aber Erfolg ist in erster Linie die Folge von Einstellungssache und Fleiß.
Was denkst Du über aktuelle Diskussionen, dass Konzertveranstalter den Musikern Mindestgagen zahlen sollen?
Woher sollen die Veranstalter das Geld nehmen?
Es heißt ja, das man eben keine Auftritte spielen soll, wenn nicht so viel gezahlt wird.
Glaubst Du, all die jungen Jazzmusiker wollen aufs Spielen verzichten? Alle wollen doch spielen. Ich auch. Man muss auch Auftrittserfahrung sammeln. Also ist man bereit, für wenig Geld zu spielen. Die Realität ist: Jedes Jahr kommen von den Jazzabteilungen deutscher Musikhochschulen etwa 100 Absolventen neu auf den Markt hinzu.
Braucht die Jazzszene so viele Hochschulabsolventen?
Diese Zahl bereinigt sich mit der Zeit von selbst, nehme ich an. Ich war 1998 mit ca. 15 Leuten in einem Abschlussjahrgang - davon machen jetzt schätzungsweise nur noch die Hälfte professionell Jazzmusik - in dem Sinne, dass sie von Konzerten und Aufnahmen ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Kann man trotzdem seinen Weg finden?
Wenn du wirklich Künstler sein willst, dann findest du einen Weg - egal wie die Bedingungen sind. Wir können froh sein, dass wir in Deutschland leben. Die Leute haben genügend Geld und auch Interesse für Jazzmusik. Da gibt es nach wie vor jede Menge Positives. Ich denke, ganz wichtig ist es, dass man eine Liebe entwickelt zu dem, was man macht. Du transportierst das. Es ist eine Lebenseinstellung. Wenn du authentisch bist, ein guter Musiker bist und mit Überzeugung das tust, was du liebst, wirkt das anziehend. Es ist das Gesamte. Ich bekomme öfter Rückmeldungen von Besuchern, die begeistert sind, dass hier bei "Jazz for the People" eine positive Stimmung herrscht, wo man unkompliziert gute Musik hören und nette Leute kennenlernen kann. Das gehört für mich alles zusammen. Ein Konzert ist eine wunderbare Gelegenheit, wo Menschen zusammenkommen, so dass sogar Freundschaften entstehen können.
Infos: www.marcbrenken.de
Termine mit Marc Brenken im Oktober
Termine mit Marc Brenken im Oktober
Sa, 10.10.2015, 20 Uhr
BKA (Brenken / König / Adler) - "Streichen, zupfen, hämmern - drei Handwerksmeister bei der Feinarbeit"
mit Christoph König (Violine) & Mario Adler (Gitarre)Bochumer Kulturrat e. V., Lothringer Str. 36c, Bochum-Gerthe
Di, 13.10.2015 20:00 RJAZZ goes FALSTAFF / Duo mit Imke Spöring (Gesang) - "Road Songs" FALSTAFF, Ebertstr. 70 Oberhausen
Mi, 14.10.201520:00Jazz for the People | Special Guest: Natalie Hausmann (Tenorsaxophon) - "Die raue Eleganz" / mit Jean-Yves Braun (g) & Hermann Heidenreich (dr) Katakomben-Theater im Girardet-Haus, Girardetstr. 2-38 Essen-Rüttenscheid
Di, 13.10.2015 20:00 RJAZZ goes FALSTAFF / Duo mit Imke Spöring (Gesang) - "Road Songs" FALSTAFF, Ebertstr. 70 Oberhausen
Mi, 14.10.201520:00Jazz for the People | Special Guest: Natalie Hausmann (Tenorsaxophon) - "Die raue Eleganz" / mit Jean-Yves Braun (g) & Hermann Heidenreich (dr) Katakomben-Theater im Girardet-Haus, Girardetstr. 2-38 Essen-Rüttenscheid