Ich brauche die von außen einfließende Inspiration
Gespräch mit dem Gitarristen Jakob Bro
TEXT: Karl Lippegaus |
“There is no hurry to this music, but there is great depth.” Das schrieb die ‚London Jazz News‘ über die Musik des dänischen Gitarristen Jakob Bro. Ein Gespräch über sein Album „Uma Elmo“, seine Vergangenheit als Trompeter in einer Kinder-Bigband des Vaters, seine beiden Kinder und das ganze „new normal“, wenn es denn schon eins wäre.
„Ich fand es ziemlich schwierig, ich war schüchtern als Kind. Es fühlte sich so seltsam an, eine Bühne zu betreten mit einem Horn, das eine derartige Klangmasse projiziert. Immer mehr sträubte ich mich dagegen, mochte es eigentlich nicht, außer wir probten ohne Publikum. Ich erinnere mich: es war ständig irgendwas los und wir mussten wieder vor Publikum auftreten. Etwas in mir stemmte sich dem schon früh entgegen. Bis heute habe ich damit zu kämpfen und finde es manchmal jetzt noch befremdlich, so meinen Lebensunterhalt zu verdienen.“
„Immer trage ich eine Vision mit mir herum, wie die Musik klingen wird. Es ist dann stets aufregend, im Studio zu erleben, was sich daraus wirklich entfaltet. Man kann nie voraussagen, wie‘s klingen wird. Es ist wie ein Geburtsvorgang und dann heißt es, sich mit all den Dingen vertraut zu machen. Eine Aufnahme ist auch wie eine Reise, die am Tag eins beginnt. Ich mag sehr die Tage danach, alles nochmal zu hören, um herausfinden, was da eigentlich passiert ist. Dabei entdecke ich immer neue Aspekte an dem, was Arve (Henriksen) und Jorge (Rossy) da tun.“
"Balladeering", so lautet das Wort, mit dem der Saxofonist Lee Konitz die Spielweise von Jakob Bro aus Kopenhagen charakterisierte. Konitz empfand dieses improvisierende Vorgehen als balladesk, sprich die Tendenz, aus allem einen etwas getragenen, gleichsam inneren Gesang zu machen. Diese Musik sei wie das Licht, "etwas an den Rändern Sichtbares, das sich seinen Weg bahnt durch Gestrüpp und Unterholz," schreibt Jørgen Leth im Beiheft zu deinemAlbum "Balladeering". Ich musste an einen Satz von Andre Previn über Ellington denken: „Duke merely lifts his finger, three horns make a sound, and I don't know what it is!"
„Natürlich ist „Uma Elmo“ anders als frühere Alben, auch weil eine komplett neue Formation da agiert. Mit Jorge hatte ich schon in verschiedenen Formationen gespielt, wir kamen uns immer näher. Arve hatte ich immer mal wieder gehört, aber wir waren uns noch nie begegnet. Wie immer, wenn ich mich auf eine Plattenaufnahme vorbereite, stelle ich mir die Musiker und ihren spezifischen Klang vor und versuche Stücke zu schreiben, die dazu passen. Ich suche allerdings auch nach Situationen, die damit kontrastieren. Bei diesem Album wurde mir klar, dass einem das viel Freiheit gewährt, etwa was den harmonischen Aspekt betrifft, wenn man den Bass weglässt.“
Anti-Gitarrenheld?
„Der Kritiker John Kelman nannte mich einen Anti-Gitarrenhelden. Mir gefiel das. Ich begann als Trompeter, mein Vater leitete eine Bigband, ich wuchs mit Lester Young, Louis Armstrong und Duke Ellington im Ohr auf. Jimi Hendrix brachte mich zur Gitarre, aber dann bereute ich es und wollte erstmal zurück zur Trompete oder einem anderen akustischen Instrument, um dem näherzukommen, was ich auf den Platten hörte. Ich hörte Coltrane, Miles, Monk, Bill Evans, Mingus – den klassischen Jazz. Für mich passte die Gitarre da nie wirklich hinein. Ich strengte mich an, ich war sehr stur, aber mir wurde bald klar: Ich hatte zuviel Zeit mit der Gitarre verbracht, um nochmal das Instrument zu wechseln.
Ich will nichts beweisen mit meinem Instrument, sondern einfach nur Musik machen. Was sich als ein lohnender Ansatz erwiesen hat. Nie habe ich auch nur geträumt, ein großer Gitarrenspieler zu werden – nur eine Musik, die ich mir auch selber anhören kann, schwebte mir vor. Es ist so etwas wie ein Übersetzungsvorgang: Ich versuche zu übertragen, was mich inspiriert. Ich höre den Gesang von Nina Simone, dann versuche ich, das er irgendwie aus meinem Instrument hervordringt. Ich will aber nicht lernen, eins zu eins so zu spielen wie Coltrane.“
In "Gefion", dem Opener des gleichnamigen Albums von 2015, mit dem grandiosen Drummer Jon Christensen und Thomas Morgan am Kontrabass, scheint erstmal die Zeit fast stillzustehen und die Gitarre anfangs erstmal wieder zu verstummen. Dann fallen Trommelschläge wie schwere Tropfen vom Himmel. Erst nach zwei Minuten wie ein leiser Schrei die Rückkehr der Gitarre. Wie an Bergwänden in der Ferne verhallende Echo-Töne, die münden in das eigentliche Thema von "Gefion", eine sehr nordische Geschichte aus Wikinger-Zeiten, manchmal wie ein imaginärer Folksong mit Bordun-Tönen weit sich ausbreitend.
Und wie fing das alles mal an?
„Mit 12-13 Jahren wechselte ich von der Trompete zur E-Gitarre, gerade als mein Trompetenspiel deutliche Fortschritte gemacht hatte; es fing an, richtig Spaß zu machen. Doch dann kamen mir Zweifel: Sollte ich bei dem Horn bleiben oder mich ganz der elektrischen Gitarre widmen? Irgendwann stolperte ich über Jimi Hendrix, John Lee Hooker und andere Typen, die mich einfach umhauten. Damit stand für mich die (neue) Richtung fest.“
Ab dem Jahr 2003 kamen zuerst auf dem dänischen Kleinlabel Loveland exzellente Alben, in starken Besetzungen, eins nach dem anderen absolut hörenswert. Wäre eine gute Idee, sie alle in einer Box neu herauszubringen. 2016 war „Streams“ für ECM bereits dein dreizehntes Werk als Bandleader. Ich finde es hat eine besondere E-Gitarren-Poesie, mit dänischem Modell plus Fender-Verstärker. Auf „Streams“ fasziniert mich besonders ein filmmusik-verdächtiger Song, zu dem ich immer wieder zurückkomme. Diesen Song „Heroines“, die Idee geht auf Manfred Eicher zurück, gibt’s in zwei Versionen, einmal sogar als unbegleitetes Solo. Eine Zeitlupenmusik wie in Pastelltönen gemalt, charakterisiert auch ein Album wie „Returnings“ mit dem Trio Bro/Morgan/Christensen und dem Trompeter Palle Mikkelborg, das um das Thema Rückkehr kreist. Dieser Bass ist ein Erlebnis für sich: Jazz wie durch Tränen, eine Milchglasscheibe, oder ein beschlagenes Fenster im Norden irgendwo am Meer.
„Ich höre ständig Musik. Stundenlang, egal wo, auf dem Fahrrad oder in einem Bus nach Irgendwohin.“
„Eine ganze Weile arbeitete ich hart mit Bezug auf die Jazztradition. Jim Hall war eine große Inspiration. Natürlich auch Pat Metheny, (Bill) Frisell), Kurt Rosenwinkel, Peter Bernstein – viele Musiker sind es, die wirklich bewundere. Gleichzeitig suchte ich nach neuen Sounds, klanglichen Dingen, die mich bewegten. Das hatte ich im Jazz lange so betrieben, bis ich anfing, mich mehr mit Rock zu befassen. Und auch sehr mit Klassik. Im Grunde ist das mein Antrieb, ich begebe mich auf Wanderungen, oder hocke zuhause ´rum. Ich nehme den Bus und lausche dieser Musik, versuche etwas Neues zu finden, das in meinen Ohren gut klingt. Hätte ich das alles nicht mehr, könnte ich wohl keine Musik mehr machen. Ich brauche die von außen einfließende Inspiration.
„Reconstructing a dream“, die Rekonstruktion eines Traums, ist der Opener des neuen Albums. Der Produzent Manfred Eicher war begeistert von diesem Stück. Das sollte auf jeden Fall an den Anfang der Platte. Du hattest den Song 2008 schon einmal aufgenommen. Hier erfüllt die Gitarre mehrere Funktionen - u.a. mit langen Basstönen, kleinen Arpeggios und harmonischen Zusätzen, die auch ein Keyboard hätte übernehmen können – und es gelingt der neuen Formation, die sich im Studio in Lugano ja überhaupt zum ersten Mal traf, diese traumähnliche Stimmung das ganze Album hindurch zu halten.
„Wir nahmen ‚Reconstructing a dream“ gleich nach dem Lunch auf. Ja, ich erinnere mich, dass (der Produzent) Manfred (Eicher) im Regieraum richtig begeistert war. Am Ende kam er zu uns ´rein und schien sehr froh. Es war überhaupt eine so leichte Session. Das erste Stück, das wir aufnahmen, war „Morning Song“, den wir zweimal einspielten, jeweils als erstes an beiden Tagen. Das prägte die Stimmung, in der wir uns gemeinsam wiederfanden. Ein modales Stück, ganz simpel…“
Anrufe von Lee Konitz
„‘Music for black pigeons‘ entstand, während ich an meiner Trilogie mit Lee Konitz, Bill Frisell und Paul Motian arbeitete. Da rief mich Lee von Zeit zu Zeit an und erkundigte sich, was ich so mache. Er fragte nach meinen Übungen und hier in Dänemark zu leben und Anrufe von Lee Konitz zu bekommen war immer wie ein Traum. Plötzlich war Lee Konitz am Apparat, „Hey Mann, was übst du da gerade?“ Eines Tages rief er wieder an und wollte über die Musik sprechen, die wir unlängst aufgenommen hatten. Er sagte, er frage sich, was das für eine Musik sei, die wir da zusammen machten. Ich hatte gerade unsere Platte „Balladeering“ aufgelegt, saß da in der Küche und da kam eine schwarze Taube, die sich draußen auf die Fensterbank setzte. Und sie blieb dort sitzen, während das ganze Album durchlief. In der Minute, als die Platte stoppte, schaute mich die Taube an und flog weg. Lee lachte sehr und sagte nur, „Naja, es ist einfach Musik für schwarze Tauben“. Und dann hängte er ein. Irgendwie sind diese Anrufe von Lee Konitz für mich immer was besonderes gewesen.“
„Ein Song, den ich schrieb, während ich einfach mal was anderes ausprobieren wollte, ist ‚Sound Flower‘. Es erinnert ein wenig an das John Lennon-Zitat: „Leben ist, wenn du andere Pläne machst.“ Ich versuchte etwas Neues mit einem anderen Stück, kam aber immer wieder zurück auf dieses F-Voicing auf der Gitarre - es klang so friedlich und ruhig, dass ich gar nicht mehr da herausfand. Ich musste mit dem Schreiben aufhören und mich diesem Sound gleichsam ausliefern. Da fiel mir auf: es verbarg sich eine ganze Welt in diesem einen Akkord, und ich fand, dass es als Song in sich funktionieren würde. Die erste Aufnahme machten wir mit Bill Frisell, Ben Street am Bass und Paul Motian.“
Der vorletzte Song des neuen Albums „Uma Elmo“ heißt „Slarafenland“ und weckt bei manchen Hörern sicherlich Assoziationen zum berühmten Gemälde von Pieter Breughel.
„Es ist ein weiterer von diesen Songs, die ich vor Jahren für meine Band ‚Beautiful Day‘ schrieb, inspiriert von meiner Zeit mit Paul Motian. Der Ausgangspunkt war eine kleine Idee, von der ich sicher war, dass sie nicht viel hergeben würde. Sie lieferte mir eigentlich nur eine Art Rahmen, der jedoch immer wichtiger für mich wurde. Das hab ich live so oft gespielt und doch macht es immer noch Spaß. Um 2000/2001 schrieb ich ‚Slarafenland‘, kam immer wieder drauf zurück, hab‘s richtig studiert. Um den Schlüssel zu finden für das, was die Komposition wirklich brauchte.
Verbindung der Vergangenheit mit der Gegenwart
Als ich es schrieb, wusste ich nicht, dass es klappen würde, später merkte ich, es hatte schon alles was es brauchte. Es war also sowas wie eine weitere Fallstudie und ich erinnere mich, wie wir „Slarafenland“ auf einer Tour durch Europa mit der Paul Motian Band spielten, was natürlich etwas ganz besonderes für mich war.
Mit einem meiner größten Helden aller Zeiten mein Stück als Zugabe spielen zu können war toll. Ich bin froh, dass ich es jetzt auch für ein ECM-Album dokumentieren konnte. Es bedeutet mir einfach viel und verbindet meine Vergangenheit mit der Gegenwart.“
Das Album „Uma Elmo“ hast du benannt nach den Vornamen eurer Kinder. Es zeigt einmal mehr, wie von diesem einzigartigen Gitarrenspiel ausgehend eine eigene Klangwelt entsteht. Ich fand diese Stelle bei Heraklit in den Fragmenten über die Einheit aller Dinge. Scheint fast als würde er von einem dänischen Jazzgitarristen sprechen:
„Verbindungen: Ganzes und Nichtganzes, Zusammengehendes und Auseinanderstrebendes, Einklang und Missklang und aus Allem Eins und aus Einem Alles.“
„Ja, Musik spricht uns in vielerlei Hinsicht an, eine der schönen Seiten an ihr. Für mich ist sie auch eine Sprache, die ich für mein Leben wählte, während ich Japanisch lernte, was mehr mein Steckenpferd ist - so kann ich das gut aufteilen. Als kleiner Junge spielte ich Trompete in der Bigband meines Vaters, lange bevor ich zur Gitarre griff, er leitete u.a. eine Bigband nur für Kinder. Mit vier oder fünf Jahren wurde ich schon einer ihrer Trompeter. Wenn's in der Schule eine Feier gab spielte ich bei den Parties oder Psalmen bei den Weihnachtsfeiern in der Kirche.
„Für mich ist diese Platte nicht viel anders als, was ich sonst so mache. Naja, irgendwie ist sie doch anders. Mein Ansatz beim Komponieren war derselbe wie immer, anders sind diesmal wirklich alte Kompositionen, die ich zur Session mitbrachte, die noch vor meiner Zeit bei Paul Motian entstanden sind. Ein Beispiel: ‚Beautiful Day‘ schrieb ich um 1999. Ich hatte nie einen Platz dafür auf einem Album gefunden. Lange hab‘ ich danach nicht mehr so komponiert, heute fühlt es sich für mich gut an, diesen Song mit dem zu verbinden, wo ich mich heute befinde. Ich kann heute so nicht mehr schreiben. Was ich heute schreibe sind Stücke wie „To Stanko“ und „Morning Song“. Das ältere Material aber mit hereinzuholen hat meinen Horizont erweitert. So ist es vielleicht ein experimentelleres Album als seine Vorgänger geworden.“
Ein behutsames Öffnen der Klangräume
Die Musik des Albums "Returnings" von 2018 ist wie eine Hymne auf Stille und Kontemplation; ein behutsames Öffnen der Klangräume, wobei Palle Mikkelborgs Trompete – übrigens einer der wenigen, die bei Miles Davis mehr als nur Beachtung fanden, er schrieb sogar eine Suite für und mit Miles - der Gitarre folgt wie ein Lichtkegel durch dichtes Schneetreiben: „Lyskaster“ – Der Scheinwerfer ist ein sehr starkes Stück, das du mehrmals schon aufgenommen hat.
„Man muß wissen, ich bin eher zufällig ans Komponieren geraten. Damals studierte ich an der Berklee School in Boston 1998 bei George Garzóne. Der schlug mir vor: „Schreib mal einen Song mit einer Melodie, die total verrückt ist. Du musst ihn danach nicht hören und spielen; schreib einfach etwas, das abstrakt und rhythmisch vertrackt ist, mit verrückten Intervallen.“
Ich schrieb etwas und es verschwand danach in der Schublade. Als ich 1999 aus den USA nach Kopenhagen zurückkehrte, suchte ich geeignete Spieler für eine Band. Wir begannen zu proben und allmählich fand ich Leute, mit denen es Spaß machte. Wir nahmen uns eine kleine Ballade von mir vor und dann sagte mir der Saxofonist, „Warum spielen wir nicht mal den Song auf der anderen Seite?“
Was meinte er? Ich hatte dieses andere Stück schon völlig vergessen. Es war dieser Song, den Garzone damals haben wollte. Ich war drauf und dran, mich dafür zu entschuldigen, aber der Saxofonist meinte, „Wenn du mehr in der Art schreibst, haben wir vielleicht eine Band.“
Trauer über den Zustand der Welt
Hin und wieder macht jemand im Jazz ein Album, das ein vages Gefühl von Trauer umkreist. Trauer über den Zustand der Welt. Um danach ein Stück zu erfinden, das "Stille Freude" heißen könnte. "Bay Of Rainbows" heißt das Album, das 2018 herauskam, benannt nach einem Stück Land auf dem Mond, dass Jakobs Tochter zum Geschenk bekam. Obwohl es nur Klänge sind und kein Wort fällt, spricht in „Copenhagen“ eine Stimme wie mit drei Zungen. Die Klänge, die wie Fäden eines Mobiles in der Luft hängen, brauchen keinen Subtext. Wir werden im ‚Jazz Standard‘ in New York im Juli 2017 die Ohrenzeugen einer schweigenden Annäherung zwischen drei Instrumenten: improvisierte Musik mit einem Minimum an Codes, viel Intuition, viel Instinkt und Erfahrung, im Umgang mit diskreten Gesten, Blicken, Aktionen und Reaktionen.
„Ich begann Songs mit langen Linien zu schreiben, und obwohl die Sachen abstrakt und atonal klangen, war es auch eine Periode in meinem Leben, wo ich herausfand, was ich mochte und was nicht. Warum diese Note statt jene? Meine Intuition kam in Gang und ich muss zirka 50 Songs in jener Zeit geschrieben haben, alle waren anders als das, was ich heute komponiere. Gleichzeitig bekam ich ein Gefühl dafür, wann ein Song fertig ist oder noch nicht.“
„Meine Songs veränderten sich, von anfänglich extrem schwierig bis zu sehr leicht. Das geschah um 2001 und diese Veränderung im Schreiben zerstörte die Band, die wir ‚Beautiful Day‘ nannten. Denn obwohl ich sie sehr mochte, musste ich mir selber treu bleiben, ich wollte woanders hin. Das Üben war mit dem Schreiben und dem Transkribieren verknüpft. Dann kam 2002 die Einladung, der Paul Motian Band beizutreten, ab diesem Punkt begann ich mich wirklich zu verändern. Ich verbrachte eine wunderbare Zeit in New York und lernte eine ganze Menge, vor allem mit dem Bassisten Ben Street, meinem Lehrer an der New School, als ich eigentlich zurück nach Hause fahren wollte. Ich hauste in einer fürchterlichen Bude und erlebte eine riesige Kluft zu den Sessions, die mir wirklich Spaß machten.“
„Kurz vor 9/11 flog ich zurück nach Dänemark. Mein Visum für die USA war abgelaufen, ich musste ein neues beantragen, dann kam der 11. September 2001, und ich konnte nicht mehr zurück nach New York.“
„Ich begann in Kopenhagen aufzutreten, und ein paar Jahre später kam dieser Telefonanruf von Paul Motian: Ich saß zuhause bei meinen Eltern in einem kleinen Vorort von Aarhus, da rief meine Freunde an und meinte, ich solle Paul Motian zurückrufen. Es war wie ein Anruf vom Mond. Das kann nicht wahr sein! An jenem Tag gab mein Vater Klavierunterricht. Und ich weiß noch, ich kam da ´rein zu ihm und stand auf einmal da wie ein Schlafwandler. Ich sagte nur, "Ich habe gerade mit Paul Motian telefoniert - er will mich in seiner Band haben." Mein Vater schaute mich ungläubig an, es war total surreal.“
Eines der Highlights des neuen Albums „Uma Elmo“, in der Mitte platziert, trägt den Titel „Housework“. Es beginnt mit sehr ungewöhnlichen Klängen: Ich dachte anfangs, sie kämen aus einer Bassklarinette, tatsächlich ist es die Trompete von Arve Henriksen. Die Gitarre schiebt sich immer weiter nach vorne und erzeugt Klänge, dass man denkt, ein Eisberg stürzt tosend ins Meer. Und dann schaut man auf den Titel und er lautet „Housework“!
„Unsere beiden Kinder sind ständig zuhause und es gibt viel zu tun hier. Es sind verrückte Zeiten. Meine Frau und ich versuchen uns die Arbeit zu teilen. Meistens stehe ich morgens gegen halb sechs auf und ab dann ist ständig was los, es wird nie langweilig. Eisberge und Vulkane – nein, nein… Die Hausarbeit ist viel dramatischer.“
Hörtipp:
Jakob Bro, Arve Henriksen, Jorge Rossy: “Uma Elmo“ (ECM)