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Grüße vom Sensenmann

Flashmob für Grundeinkommen und Wertschätzung

Dortmund, 07.06.2020
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Wie es künftig aussehen wird, wenn freie Kulturschaffende ihrer wirtschaftlichen Existenz verlustig gehen, dafür lieferten etwa 50 Kreative in einer Flashmob-Aktion des MusikSyndikats Ruhr in Dortmund einen Vorgeschmack: Sämtliche mitgebrachten Instrumente blieben auf der Katharinentreppe gegenüber vom Hauptbahnhof still.

„Ich werde wohl im Herbst viel zu tun haben“, prophezeit der Tod mit blecherner Stimme, unheilvoll seine Sense schwenkend. „Vielleicht hat es einige bis dahin auch schon allein aus Einsamkeit erwischt“. Ein halbes 100 teilweise maskierter Gestalten hat in Dortmund vor einer Sparkassenfiliale Aufstellung genommen. Grund genug für die Polizei, gut aufzupassen! Vor allem, wenn diese auch noch mit merkwürdigen, eher sinnlosen Gegenständen hantieren. Gitarre, Geige, Posaune, Schlagzeug, die nicht vor einem Publikum erklingen dürfen, machen nämlich keinen Sinn. Ebenso Künstlerinnen und Künstler, die ihren Beruf nicht ausüben dürfen.

Zum Start der Aktion geben die Aktiven bei der großen Flashmob-Aktion mit Sensenmann und co. vor der Dortmunder Katharinentreppe ein „stummes Konzert“. Alle „singen“ und „spielen“, allerdings nur mit ihrer Mimik. Nichts ist zu hören. Normal ist das nicht. Zumindest nicht so normal, wie die schon längst wieder überall wie geschmiert laufende Shopping-Normalität in einer Fußgängerzone am Samstagmorgen. Denn auch, wenn es jetzt „Lockerungen“ für kulturelle Veranstaltungen gibt, wird es für die vielen freien Kulturschaffenden auf lange Sicht keine wirtschaftlich nur halbwegs tragfähige Auftragslage geben.

Wenn dieser Sensenmann nicht gerade seinem schaurigen Geschäft nachgeht, heißt er übrigens Hans-Eberhard Maldfeld, ist Kontrabassist, ebenso Spezialist für Alte und Neue Musik. Seine Leidenschaft gilt darüber hinaus dem experimentellen Theater. Rein formal ist er selbständiger Kleinunternehmer. Jetzt, wo es kaum Engagements gibt, nutzt er seine künstlerische Fantasie, um öffentlich auf die fehlende Wertschätzung von Kultur hinzuweisen. Seine theatralischen Aufführungen orientieren sich an mittelalterlichen Totentanz-Szenarien, die im Moment eine unbehagliche Symbolkraft erfahren.

„Wenn der Staat mich mit einem Berufsverbot belegt, dann muss er auch dafür sorgen, dass wir weiterleben“ - benennt er - stellvertretend für die anderen hier versammelten Aktiven - das Problem. Künstler, die nicht auftreten dürfen, sind nicht arbeits-suchend. Sie üben, suchen nach Möglichkeiten der Betätigung, kämpfen händeringend um Aufmerksamkeit, pflegen Kontakte zu ihrem Publikum, haben davon abgesehen meist jahrelang viel Geld in Ausbildung und Instrumente investiert. Gerade letzterer Aspekt bekräftigt markiert einmal mehr den Zynismus, Künstler, die unverschuldet keine Aufträge mehr bekommen, ins Hartz-4-System abschieben zu wollen, allein mit der arroganten Begründung von Monika Grütters, dass freischaffende Künstler ja keine „Rücklagen“ gebildet hätten.

Selbstbewusstsein in angeschlagener Lebenslage

Das Happening in Dortmund wirkt trotz des ernsten Themas bunt und lebendig, kommunikativ und fröhlich – ebenso, wie die freie Szene ist. Selbstbewusstsein ist in angeschlagener Lebenslage besser als Selbstmitleid. Durchaus suchen Passanten das Gespräch mit dem „Sensenmann“ und seinen vielen engagierten Mitstreitern, das aus Musikern, Theaterleuten, kleinen Dortmunder Konzertveranstaltern besteht. Jemand fragt, wogegen oder wofür denn hier demonstriert werde. Im Fernsehen gebe es doch im Moment viele Jubelmeldungen von Konjunkturpaketen und Hilfsfonds. Und es habe doch auch eine unbürokratische Soforthilfe von 9000 Euro gegeben. Eberhard Maldfeld verweist auf den präsentierten Schriftzug: „Mein Körper = Mein Betrieb. Lebenshaltungskosten sind Betriebskosten.“ Kompetent erläutert Malfeld dem fragenden jungen Mann, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit beim Umgang mit der freien Szene auseinander klaffen. Es geht - immer noch und immer wieder neu - um die Ausklammerung der Lebenshaltungskosten. Darum, dass die wirtschaftlichen Folgen viel länger wirken, als die paar Monate, in denen Hilfen mal mehr, mal weniger bewilligt und oft auch vorenthalten wurden oder im behördlichen Zuständigkeitswirrwarr versanden. In den Blicken einiger Zuhörer widerspiegelt sich so etwas wie Dankbarkeit für solche Aufklärung, ebenso Respekt für das kreative Engagement auf der Katharinentreppe.

"Noch viel mehr Betroffene müssen sich zusammenfinden!"

Dass es mehr braucht, als in einer einzigen Stadt sporadisch mit dem Laufpublikum ins Gespräch zu kommen, betont Rainer Buschmann, der mit seinem Verein in Dortmund eine politische Lobbyarbeit betreibt: „Noch viel mehr Betroffene müssen sich zusammen finden. Und vor allem dort auftreten, wo die Entscheidungen getroffen werden. Vor dem Landtag. Vor dem Reichstag in Berlin!“

Denn wenn erst mal auf breiter Front die Instrumente verstummt sind, die kleinen Theaterbühnen leer bleiben, die Clubs insolvent gegangen sind, werden auch wirtschaftliche Kollateralschäden folgen. Aktuell gibt es zum befristeten bedingungslosen Grundeinkommen keine vernünftige Alternative. Denn dies ist die einfachste, unbürokratischste, gerechteste und damit auf lange Sicht auch wirtschaftlichste Lösung, um der selbständig arbeitenden Kreativbranche für einen Neustart den Rücken zu stärken - wenn irgendwann das böse Wort mit C endlich verstummt ist...

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