Galerie der Töne
Interview mit Stevko Busch
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Stevko Busch spielte am 7.5.15 mit seiner Band Fugara und der afghanisch/deutschen Sängerin Simin Tander im Kölner Loft. Tom Arthurs (t), Paul Kemenate (as) und Markku Ounaskari (dr).
Nach diesem Konzert hatte ich Gelegenheit im Loft mit Stevko Busch über sein Projekt „Galerie der Töne“ zu sprechen.
Das ist ganz organisch gewachsen. Im Jahr 1996, nach dem Musikstudium in Amsterdam bei Misha Mengelberg, suchte ich nach unerforschtem Terrain - inspiriert von Mishas Auffassung, dass es wenig Sinn hat, etwas zu wiederholen, was es schon gibt.
Damals wurden gerade Computer erschwinglich, die Audiomaterial verarbeiten konnten. Das interessierte mich mehr, als die Möglichkeiten des Midi. Ich begann also Audiocollagen zu machen, Musique Concrete. Ich begegnete zu dieser Zeit auch Karl Karst, dem Gründer des Vereins „Schule des Hörens“, der in Köln ansässig ist. Seine Vision, das Hören als sinnliche Wahrnehmung und Gegenstand von Forschung und Pädagogik in den Mittelpunkt zu stellen, sprach mich ungemein an. Dadurch angeregt initiierte ich den “Klangpfad” auf dem Gelände der “Spinnerei Braun und Brudes”, die bis heute jährlich Ausstellungen von Skulpturen in einem Waldstück organisieren. Gemeinsam mit den Veranstaltern luden wir Künstler ein, Klangobjekte zu schaffen, die am Tag der Vernissage Teil eines Raumklangkonzertes werden sollten, durch das die Besucher hindurchwandertern. Diese Komposition, die ich für ein eigens zusammengestelltes Ensemble mit unter anderen Eckard Koltermann , Stefan Werni und dem legendären Hans Kanty schrieb, hieß „Galerie der Töne“.
Ein Freund motivierte mich daraufhin, mehr mit dieser Idee und diesem Titel zu machen, und so wurde diese „Galerie der Töne“ zu einer Plattform, die in den Jahren danach ihren Focus organisch an das anpasste, was meinen Kollegen und mir selbst künstlerisch und organisatorisch weiterhelfen könnte, soweit ich das einschätzen konnte.
So etwas wie das Klaeng Kollektiv in Köln?
Vielleicht lässt es sich damit in etwa vergleichen. Die „Galerie der Töne“ wurde in den Niederlanden zur Stiftung, was es uns ermöglicht, Fördermittel und Spenden zu erhalten. In Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut in Amsterdam organisierten wir über sechs Jahre lang die Konzertreihe “Pianolab”. Das Institut stellte uns einen Raum zur Verfügung, in dem wir Premieren junger Komponisten und die Musik neuer Jazz- und Impro-ensembles präsentierten. Ich spielte auch regelmäßig selbst, gab aber anderen viel Raum. Zusammenfassend kann ich sagen, mit der „Galerie der Töne“ verschaffe ich den Projekten meiner Kollegen wie auch meinen eigenen Projekten den Raum zur Entfaltung.
„Galerie der Töne“ bedeutet also nicht wechselnde Bandprojekte, sondern ist ein Forum für Musiker? Heute hast du mit Fugara gespielt, das sind alles Musiker mit denen du häufig oder regelmäßig zusammenspielst.
Fugara ist eigentlich aus meinem Duo mit Paul Kemenade entstanden. Paul kenne ich seit 1995, seit wir in der Contraband von Willem van Manen gespielt haben. Unsere Duoarbeit war zu Beginn sporadisch, hat sich dann immer intensiver entwickelt, als ich diese Kompositionen geschrieben habe, die von russisch-orthodoxen Gesängen inspiriert wurden.
2012 haben wir dann Markus Stockhausen und Markku Ounaskari dazu eingeladen. So entstand “Fugara”. Als Markus sich zwei Jahre später entschied, sich lieber auf seine eigenen Projekte zu konzentrieren, habe ich meinen Freund Tom Arthurs gefragt, ob er mit uns spielen wolle.
Auf dem letzten Konzert gab es neben dem improvisierten Jazz auch einen Teil mit notierter Musik. Du hast erwähnt, dass dies ein Konzept des Pianolab aus Amsterdam sei?
In Amsterdam gab es schon länger verschiedene Low Budget Gelegenheiten für Improvisatoren, aber es gab keine mit einem Flügel. Das Goethe Institut bot uns einen Raum mit Steinway Flügel. Endlich eine Gelegenheit für Pianisten! Komponierte und improvisierte Musik sind für mich nie getrennte Welten gewesen. Musik ist Musik. Schon die Geschichte des Klaviers und der großen Komponisten, die für dieses Instrument geschrieben haben weist uns darauf, dass ebendiese Meister oftmals auch geniale Improvisatoren waren. Für mich war es klar, dass es nicht nur um Jazz und improvisierte Musik gehen kann. Wenn wir schon einen Flügel und einen schönen Raum nutzen können, dann ist es auch stimmig, wenn im selben Programm improvisierte und komponierte Musik ihren Platz haben. Zum Beispiel können Kompositionen von Morton Feldmann Inspiration und Startpunkt für Improvisationen in diesem Gestus sein; oder das Werk “Mikrophonie” von Karl Heinz Stockhausen klingt für mich im Grunde, als ob Kinder es spielen würden. Es ist schon lustig, dass hier alles notiert ist, obwohl man alles improvisieren könnte. Aus der Sicht eines Improvisators ist dies eines der großen Verdienste von Karl Heinz Stockhausen: er hat den spontanen, spielerischen Moment exemplarisch eingefangen.
Da ich selbst kein Experte auf dem Gebiet der Neuen Musik und der dazugehörigen Aufführungspraxis bin, habe ich damals den Pianisten und Komponisten Dante Boon eingeladen, die Serie mit mir gemeinsam zu organisieren. Dante´s puristische und höchstverfeinte Art mit dem komponierten Material und dem Raum umzugehen, hat mich damals regelrecht mit offenem Mund sitzen lassen. Ich war von seinem Spiel fasziniert und tief berührt.
Dante hat doch ein paar Jahre Rockmusik gemacht?
Das hat er, aber er war davor bereits als Wunderkind bekannt. In der Zeit, als wir uns kennenlernten, hat er sich auf die Premieren Neuer Musik junger Komponisten ausgerichtet, und auch mit John Adams oder Tom Johnson zusammengearbeitet.
Du kommst aus NRW, aus Leichlingen und lebst seit über 25 Jahren in Holland. Wie ist die Jazz Szene in Holland, gibt es Unterschiede zu Deutschland?
In Holland gab es viele Jahre eine großzügige Kulturförderung. Aber in den letzten Jahren ist von einem sehr hohen Niveau aus rabiat gekürzt worden. Das ist wie ein Schock angekommen und führte teilweise zu verzweifelten Versuchen, an Geld und Publikum zu kommen. Crowdfunding oder Sponsorensuche, verrückte Projekte mit zirkus-ähnlichen Verrenkungen, um möglichst “breite” Publikumsschichten anzusprechen.
Davon abgesehen gibt es inhaltlich schon viel Verwandtschaft. Die Musiker reisen durch Europa, arbeiten gemeinsam in Amsterdam, Berlin, Köln und anderen Orten.
Welche Rolle spielen für dich fremde Kulturen? In den beiden Konzerten waren jeweils ein Musiker aus Armenien und eine Musikerin mit afghanischer Abstammung dabei.
Simin Tander hat in diesem Fall ihre Pashtu Sprache mit eingebracht, wir haben keine afghanische Musik gemacht. Für mich ist die Motivation, dass es keine ausschließlich amerikanisch geprägte Musik ist. Die armenische Musik zum Beispiel steht uns näher als die amerikanische. Das letzte Stück, das wir gespielt haben basiert auf einem russisch-orthodoxen Gesang, den ich bearbeitet habe. Ich habe mich zurückgewandt und meine europäischen Wurzeln gesucht. Das sind meine Quellen. Mich reizt auch die deutsche Romantik, aber da habe ich noch nichts für mich gefunden. Bei den russisch-orthodoxen Gesängen oder der armenischen Musik habe ich etwas gefunden.
Die indische Musik wiederum ist eine alte Liebe. Seit ich Musik höre, kenne ich Hariprasad Chaurasia und er ist für mich nach wie vor einer der größten Musiker. Es ist beeindruckend, wie strenge Regeln und Improvisation eine Einheit in der indischen Tradition bilden. Dinesh Mishra ist ein Schüler von Hariprasad Chaurasia. So erlebe ich, wie diese Musik in den Schülern weiterlebt, obwohl (oder gerade weil) Dinesh sich ebenso von seinem Lehrer absetzt, wie ich selbst.
Du rückst vom amerikanischen Jazz ab, ist das eine Art Europäisierung?
Ja, ganz sicher. Ich möchte nicht irgend etwas verteufeln. Aber durch die Akademisierung des amerikanischen Jazz, gerade in Europa, habe ich manchmal das Gefühl, die Leute haben die falsche Jacke an. Wenn Leute hier Bebop spielen, passt das nicht, es klingt oft steif und oberflächlich, nicht sehr sexy und schon gar nicht “cool”. Irgendwann war ich damit fertig und konnte es mir nicht mehr anhören. Die Originale höre ich allerdings nach wie vor gern.
Ich möchte aber auch niemandem vorschreiben, wie oder was er oder sie spielen soll, und ich bin sicher, dass es Kollegen gibt, die den amerikanischen Jazz meisterhaft und lebendig kopieren. Vielleicht kann ich mich irgendwann auch mal wieder darauf einlassen. Nur zurzeit geht mein Herz bei anderer Musik auf. Und nur darum geht es.
Ich wünsche Dir viel Erfolg dabei und bedanke mich für das Gespräch.