FREIHEIT - GLEICHHEIT - MENSCHLICHKEIT
Ausstellung zu Josephine Baker
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Ausstellungskatalog & Heinz Schlinkert (Ausstellung)
Mit dem Namen Josephine Baker werden oft skurille Tänze und das berühmte Bananenröckchen verbunden. Die Bonner Ausstellung will in einem Gesamtbild Josephine Baker auch als Kämpferin für Freiheit und gegen Rassismus darstellen.
FREIHEIT - GLEICHHEIT - MENSCHLICHKEIT
Josephine Baker wurde 1906 in St. Louis (USA) geboren und musste als Kind Segregation und rassistische Gewalt erleben. FREIHEIT erfuhr sie, als sie mit 19 Jahren wegen ihres Showtalents nach Paris kam, denn dort boten sich ihr Möglichkeiten, die sie als schwarze Frau in den USA nie gehabt hätte. Gleich zu Beginn der Ausstellung ist ein Film zu sehen, in dem die junge Baker barbusig ihren Danse Sauvage tanzt, mit dieser Revue Nègre wurde sie zu einer Riesenattraktion.
Doch gleich zu Anfang der Ausstellung erfährt man, dass Paris auch ein Ort der Freiheit für andere Frauen war. 17 Frauen werden jeweils kurz vorgestellt, darunter die Bildhauerin Selma Burke, die Pilotin Bessie Coleman und die Opernsängerin Lilian Evans-Tibbs.
Plakate und Fotos von Gastspielen in Wien und Berlin zeigen, dass die öffentliche Meinung zwiegespalten war in der Beurteilung von Bakers freizügigen Shows. In den konservativen Kreisen hatten sie einen Aufschrei moralischer Entrüstung hervorgerufen, der auch rassistisch geprägt war.
«Ich lasse mich von niemandem einschüchtern. Es gibt nur eine Rasse, die menschliche Rasse.» erwiderte Josephine Baker und wies damit auf die GLEICHHEIT aller Menschen hin. So werden auch ihre Aktivitäten als Widerstandskämpferin im Zweiten Weltkrieg und ihr Engagement in der US-Bürgerrechtsbewegung, besonders 1963 beim Marsch auf Washington, dokumentiert. Für ihre Lebensleistungen wurde sie 2021, 46 Jahre nach ihrem Tod, in das Panthéon in Paris, aufgenommen und gilt in Frankreich seitdem als Nationalheldin.
Die Bedeutung Bakers für ihr moderne KünstlerInnen bildet einen eigenen Bereich der Ausstellung. Gemälde von Klee, Matisse, Le Corbusier und anderen bildenden Künstlern stellen Baker dar. Schauspielerinnen wie Grace Jones und Naomi Campbell sind großformatig dargestellt in Posen, die an Baker erinnern.
Bakers Menschlichkeit wird an der Adoption von 11 Kindern unterschiedlicher Herkunft und an ihrem Zusammenleben in einer Art Regenbogenfamilie festgemacht. Auch die Finanzprobleme, die Hilfe von Brigitte Bardot und letztlich das Scheitern sind ausführlich dargestellt, Parallelen zu Madonna, Emma Thompson u. a. inklusive. Bakers Memoiren und ihre letzte große Revue von 1975 runden das Gesamtbild ab.
DER KATALOG ZUR AUSSTELLUNG
Der Katalog wurde vom Distanz Verlag in Berlin verlegt und von der ‚Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland‘ editiert.
Im Inhaltsverzeichnis sind fünf Bereiche unterschieden: PARIS, ORT DER FREIHEIT - EMANZIPATION - FREIHEITSKAMPF - INSPIRATION - MENSCHLICHKEIT. Zu jedem Bereich werden einige Fotos bzw. Plakate aus der Ausstellung gezeigt, woran sich jeweils ein Essay mit Hintergrundinformationen und Einschätzungen anschließt.
Im Vorwort erläutert Ko-Kuratorin Mona Horncastle die kulturpolitische Bedeutung Bakers. Sie hat vor drei Jahren eine Biografie über Baker veröffentlicht (s.u.) und sie präsentiert die Ausstellung auch in einem Video:
Nach der Abbildung der 17 ausgestellten Frauen-Tableaus beschreibt T. Denean Sharpley-Whiting (Essay ‚Daheim in der Fremde: Afroamerikanerinnen in Paris‘) die Lebensbedingungen in Paris, dem ORT DER FREIHEIT, und die Chancen die sich dort boten. Yao Modzinou berichtet (Essay ,Die Geburt einer Ikone') von der unterschiedlichen Rezeption von Bakers Shows, die teils als EMANZIPATION begrüßt, teils massiv abgelehnt wurden.
Brygida Ochaim nimmt im Essay ‚Running Wild‘ eine tanzhistorische Einordnung vor und beschreibt das Paris der 20er und 30er Jahre als weltoffenes kulturelles Zentrum Europas. Dabei wird deutlich, dass dort auch vor der Ankunft Bakers moderner Tanz ein wichtiges Thema war. Strawinskys ‚Sacre du Printemps‘ hatte schon 1913 Proteststürme ausgelöst. 1919 fanden eine Ausstellung mit afrikanischer Kunst und die Show ‚La Revue nègre' statt. Im Ballett ‚La Creation du Monde' traten 1923 weiße TänzerInnen mit Röcken aus Bananenbüschelfasern auf; der Komponist Darius Milhaud wird nicht genannt. Nur so lässt sich erklären der unmittelbare Erfolg Bakers erklären, die ja erst 1925 nach Paris kam. Zum FREIHEITSKAMPF Bakers im Rahmen politischer Aktivitäten sind über das Vorwort und die Ausstellungstexte hinaus kaum weitergehende Informationen zu finden.
‚Schwarze Ikone des Jazz-Zeitalters‘ wird Baker oft genannt. Im Bereich INSPIRATION geht dazu Annette Dorgerloh mit ihrem Essay ‚Josephine Baker Ikonische Bilder' der Frage nach, wie und wann Bilder ikonisch werden. Sie erinnert an den religiösen Ursprung von Ikonen und deutet sie als „Ausdruck und Inbegriff einer bestimmten Zeitphase und deren besonderem Lebensgefühl" (S.98). Auch Bakers Bedeutung als Bildikone in der Populärkultur und in der Pop Art wird dokumentiert, in der Begegnung mit Niki de Saint-Phalle auch ihre Nähe zur Frauenbewegung.
Zum Thema MENSCHLICHKEIT hat Barbara Tannenbaum den Essay ‚Josephine Baker und die LGBTQ-C‘ geschrieben. Unklar bleibt, warum es bei diesem Themenbereich nur um die Bedeutung für die LGBTQ+-Community geht. Die Autorin ist sehr bemüht nachzuweisen, dass auch Baker queer war. Andere Aspekte der ‚Menschlichkeit‘ wie z. B. ihre traditionelle Rolle als ‚Mutter‘ ihrer Großfamilie fallen dafür völlig raus. Auch darüber hätte man schreiben, sie evtl. vergleichen können mit Michael Jackson. Stattdessen endet dieser insgesamt sehr informative Katalog hier echt abrupt mit einer plakativ-heroisierenden Zuschreibung der „unbestreitbaren Heldenhaftigkeit" Bakers. Ob Josephine das gefallen hätte?
1920er! IM KALEIDOSKOP DER MODERNE
Im selben Museum - nur noch bis zum 30. Juli 23 - läuft die Ausstellung ‚1920er! Im Kaleidoskop der Moderne‘, die die Baker-Ausstellung thematisch ergänzt. Es geht um Mode, Maschinen, Kultur, auch um Jazz, und es ist auch eine Abbildung von Baker zu sehen. Bei einer thematisch so breit angelegten Ausstellung ist Tiefgang allerdings kaum möglich, doch sie ergänzt recht gut die Ausstellung zu Josephine Baker.
link: https://www.bundeskunsthalle.de/1920er.html
Ausstellung
Josephine Baker FREIHEIT - Gleichheit - Menschlichkeit
18. Mai bis 24. September 2023
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
Intendantin Eva Kraus, Kuratorinnen Mona Horncastle und Katharina Chrubasik
https://www.bundeskunsthalle.de/josephine-baker.html
Katalog
Josephine Baker FREIHEIT - Gleichheit - Menschlichkeit
Editor: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland Bonn
128 Seiten, 43 Farb- und 33 sw-Abbildungen
ISBN 978-3-95476-577-5
DISTANZ Verlag Berlin Mai 2023
https://www.distanz.de/josephine-baker/freiheit-gleichheit-menschlichkeit
Buch
Mona Horncastle , Josephine Baker Weltstar - Freiheitskämpferin - Ikone. Die Biographie
Molden Verlag 2020
ISBN 978-3-222-15046-3
https://www.beck-shop.de/horncastle-josephine-baker/product/31267482