Freigeist, der verbindet
Maria Portugal und Fred Frith im Stadtgarten
TEXT: Bernd Dahms | FOTO: Bernd Dahms
Zwei Musikergenerationen, ein verbindender Freigeist und eine künstlerische Vision, die alle Grenzen überwindet – das verbindet den britischen Gitarristen Fred Frith, der heute in New York lebt, mit der brasilianischen Schlagzeugerin Maria Portugal. Im Herzen des Kölner Stadtgartens feierte Frith im Jahr 2024 seinen 75. Geburtstag mit einer beeindruckenden dreitägigen Residenz, die das Festival "Fred Frith 75" umfasste und in der auch Maria Portugal in verschiedenen Besetzungen mitwirkte. Vom 14. bis 16. Oktober präsentierte Frith ein abwechslungsreiches Programm, das exklusive Projekte mit (inter)nationalen Weggefährt in intimen Duo-Formationen und großen Ensembles beinhaltete. Am Montag, dem 14. Oktober, gab er in einem moderierten Artist Talk Einblicke in sein kreatives Schaffen, gefolgt von der Filmvorführung "Step Across the Border". Die Konzertabende boten ein beeindruckendes Spektrum: Am Dienstag trat Frith im Trio mit Tim Hodgkinson und Paul Lytton auf, gefolgt von einem Quartett, in dem Maria Portugal zusammen mit Gabby Fluke-Mogul und Susana Santos Silva spielte. Am Mittwoch war Frith mit Paula Sanchez im Duo zu hören, bevor das große Ensemble mit Tim Hodgkinson, Lotte Anker, Gabby Fluke-Mogul, Paula Sanchez und Susana Santos Silva auftrat.
Beeindruckt von vielen beeindruckenden Hörerlebnissen im Stadtgarten hat unser Autor Bernd Dahms hinter die Kulissen geblickt: Was verbindet Fred Frith und Maria Portugal trotz ihres Altersunterschieds? Welche kreativen Strömungen und musikalischen Visionen flossen zwischen den beiden in Köln?
Mariá, wie bist du überhaupt zum Jazz gekommen?
Die Frage ist schwierig zu beantworten. Warum sehe ich mich nicht als jemanden, der einen Jazz-Background hat? Ich komme aus einer anderen musikalischen Tradition. Jazz ist schwarze Musik aus den USA. Ich komme auch aus einer Tradition, die sehr schwarz ist, wo auch die afrikanische Diaspora eine wichtige Rolle spielt, aber meine musikalischen Wurzeln liegen in der brasilianischen MPB, der Musica Popular Brasileira, und diese Musik ist ganz anders als die nordamerikanische. Mit meiner brasilianischen Band Quartabê spielten wir aber auch auf Jazzfestivals in Cabo, Brasilien. Vor allem als ich nach Europa zog, wurde ich oft zu Jazzfestivals eingeladen und fühlte mich in dieser Welt sehr wohl. Ich spielte mit großartigen Musikern aus der Jazzszene. Aber ich persönlich komme aus der brasilianischen MPB, das ist mein Ursprung, dort bin ich geboren, dort habe ich immer gelebt und dort habe ich praktisch alles gelernt, was ich weiß.
Wie bist du dann eigentlich nach Köln gekommen?
Ich wurde eingeladen, beim Moers Festival als improviser in residence zu arbeiten. In Moers gibt es ein Programm das jedes Jahr Musiker einlädt dort ein Jahr zu leben und Improvisationsmusik zu machen. Im Jahr 2021 bin ich also nach Moers in NRW umgezogen. Danach bin ich in Deutschland geblieben, habe ein Jahr in Duisburg gelebt, bin dann nach Köln gezogen und werde jetzt nach Berlin gehen.
Wie kam dann der Kontakt mit Fred zustande?
Ich habe Fred im Rahmen des freien Improvisationszirkels Soundtrips kennengelernt, den ich von 2021 bis zu diesem Jahr organisiert und kuratiert habe. Das ist ein wunderbares Programm, um Improvisationskünstler aus NRW zu vernetzen, und ich habe meine Arbeit als Kurator geliebt. Vor zwei Jahren lernte ich dann Fred bei einem dieser Programme kennen und wir beschlossen, etwas gemeinsam zu machen. Beim Unerhört Festival in Zürich haben wir dann zum ersten Mal zusammen gespielt. Danach im Kölner Loft und jetzt machen wir mit ihm diese wunderbare Tour zu seinem 75. Geburtstag, zu der er Musiker eingeladen hat, mit ihm an verschiedenen Orten zu spielen.
Wie ist es mit Fred zu arbeiten?
Fred ist ein wunderbarer Mensch und sehr großzügig. Er ist strukturiert, legt aber auch viel Wert auf Spaß und Abwechslung, um Platz für neue Mitmusiker zu schaffen. Er ist immer an Musikern interessiert, die experimentierfreudig sind. Er ist sehr offen und aufgeschlossen und ein sehr großzügiger und liebevoller Mensch! Aber er trinkt auch Cola, er schläft im Zug, mag Käsekuchen, er frühstückt, er ist ein Mensch wie wir. Ich bin sehr froh, ihn kennen gelernt zu haben, denn ich bin mir sicher, dass dies in Zukunft viele Früchte tragen wird.
Wie habt ihr euch auf das Konzert vorbereitet?
Es gab keine Proben. Es gibt keine notierten Noten, wir benutzen keine Noten. In diesem Fall gibt es nichts Vorgefertigtes, es ist wirklich episodisch. Fred arbeitet mit Kompositionen, die zwar auch geschrieben sind, aber in diesem Fall handelt es sich wirklich um ein Werk der freien Improvisation. Wir sprechen überhaupt nicht vorher über die Show, wir sagen nichts. Man kommt einfach, macht den Soundcheck. Vielleicht reden wir noch über ein paar technische Aspekte des Sounds. Die Wahrheit ist, dass es viel Vertrauen gibt. Wer mit wem und was spielt, wird im Vorfeld nicht besprochen. Wenn es dann auf die Bühne geht, ist es wirklich der Moment des Vertrauens. Man muss nicht viel sagen; es ist ein Moment des gegenseitigen Vertrauens, des Respekts, der Bewunderung und des Vergnügens, zusammen auf der Bühne zu spielen und zu sehen, wie der Kollege neben einem sein Instrument wunderbar beherrscht. Wir müssen nicht reden, die Musik passiert einfach.
Mariá, ich bedanke mich für das interessante Gespräch!